Julia KlöcknerCDU/CSU - Chaos an den Flughäfen - Arbeitskräftegewinnung
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Halten wir erst mal fest: Deutschland ist das Land der Bildung, der Forscher, der Entwickler, der Qualitätsarbeit, und für „made in Germany“ sind wir in Europa und in der ganzen Welt bekannt. Gefragt sind unsere Produkte, unsere Dienstleistungen, aber auch unsere Arbeits- und Fachkräfte. Unsere Unternehmen und Beschäftigten arbeiten international; allein Zehntausende deutsche Handwerksbetriebe arbeiten grenzüberschreitend. Zuletzt sind 180 000 Deutsche mit guter Ausbildung ins Ausland abgewandert.
(Dr. Christoph Hoffmann [FDP]: Dank der CDU!)
– Gut, jetzt kommt wieder „Dank der CDU“. Ich freue mich, dass gerade die FDP das sagt. Die FDP ist die Partei, die jetzt dafür sorgt, dass die Sanktionen, die diejenigen treffen, die arbeiten könnten und keine Arbeit aufnehmen, abgeschafft werden.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsäglich!)
Da sage ich: Danke, FDP.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wahlprogramm ist das eine, und Tun ist das andere.
Liebe Frau Klöckner, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der FDP?
Sehr gerne.
Frau Klöckner, das, was wir an den Flughäfen erleben, und der Arbeitskräftemangel insgesamt in Deutschland kommen ja nicht über Nacht. Sie haben vielleicht schon mal das Wort „Demografieentwicklung“ gehört. Aber umgesetzt haben Sie in 16 Jahren nichts.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Sie sind im Blindflug da reingeflogen; Sie haben keine Maßnahmen getroffen. Das Einwanderungsgesetz, das wir jetzt bringen, ist die erste wirksame Maßnahme. Alle anderen Maßnahmen, die vorher getroffen worden sind, waren nicht so wirksam, dass sie hätten durchschlagen können. Haben Sie schon mal was von Demografie gehört?
Ich bedanke mich sehr für diesen Zwischenimpuls. Zu diesem Zwischenimpuls will ich ganz kurz eines sagen: Gerade hat ja einer der Vorredner davon gesprochen, dass auch die Länder verantwortlich sind. Ich erinnere daran, dass in Rheinland-Pfalz die FDP mitregiert und die Entwicklung des Flughafens dort genau das Gegenteil von dem ist, was wir uns gewünscht hätten. Ich weiß nicht, ob Sie das schon mal gehört haben.
Aber was wir mitbekommen haben, ist was anderes.
(Jürgen Lenders [FDP]: Also, Frankfurt-Hahn ist jetzt nicht das wirkliche Problem, Frau Kollegin! Frankfurt-Hahn ist nicht das Problem!)
– Passen Sie mal auf: Wenn die FDP eine Frage stellt, gehe ich davon aus, dass die FDP eine Antwort haben will. Aber wenn das dann noch mal von der FDP kommentiert wird, zeigt das, dass Sie mit Antworten, die Ihnen wehtun, nicht umgehen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie müssen sich schon überlegen, ob Sie Fragen stellen und dann auch mit einem Bumerang umgehen können oder die Frage sein lassen.
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie vielleicht mal was zu der Frage!)
Zweiter Punkt. Ich möchte auf Ihre Frage antworten. Das Stichwort ist „Demografie“, und die Frage war, ob wir die zur Kenntnis nehmen. Es geht ja nicht nur um die Flughäfen, wie Sie im Antrag gesehen haben; es geht auch um Bahnfahrten. Da frage ich Sie umgekehrt, ob Sie schon mal in jüngster Zeit Regionalbahn gefahren sind. Die FDP hat mit zugestimmt, dass ein 9‑Euro-Ticket quasi über Nacht eingeführt worden ist,
(Zurufe von der FDP: Oh!)
aber sie hat nicht dafür gesorgt, dass die Kapazitäten, das Personal da sind. Das ist das Gegenteil von guter Planung.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: FDP-Verkehrsminister!)
Das bringt Frust, und das führt dazu, dass die, die dort noch arbeiten, sich krankmelden, weil sie nicht mehr können. Danke, FDP.
(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Lutze [DIE LINKE]: Sie sollten mal Bahn fahren! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der FDP)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Deutschland ist noch – nach China und den USA – eines der größten Exportländer der Welt. Wir sehen, dass krisenbedingt die Ausfuhren zurückgegangen sind, das erste Mal seit zehn Jahren. Warum sage ich das? Weil „made in Germany“ kein Selbstläufer ist, weil „made in Germany“ gerade gefährdet ist. Wir leben von der Substanz. Eine Bundesregierung, die das nicht sieht, die nicht gegensteuert, gefährdet unser aller Wohlstand hier in Deutschland.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Eine Bundesregierung, die stattdessen noch Auflagen und Dokumentationspflichten für Unternehmen in diesen Zeiten vorsieht, eine Bundesregierung, die die Anreize zur Arbeitsaufnahme sogar noch streicht, hat den Ernst der aktuellen Lage noch nicht erkannt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Deutschland gibt es aktuell 1,74 Millionen offene Stellen, Tendenz steigend; aber auch die Tendenz bei den Arbeitslosen in Deutschland ist steigend. Man muss das zusammenbringen. Für die Hälfte der offenen Stellen in Digitalberufen findet sich deutschlandweit kein Personal.
Ich sage noch einmal: Wir müssen uns immer wieder klarmachen: Erfolg ist kein Selbstläufer. Er muss hart erarbeitet werden. Gerade deshalb ist jetzt eine richtige Wirtschaftspolitik gefragt. Fotorunden im Kanzleramt ohne Ergebnisse und Erklärvideos aus dem Wirtschaftsministerium reichen bei Weitem nicht aus. Wir brauchen jetzt klare, bessere Rahmenbedingungen für wettbewerbsfähiges Wirtschaften in Krisenzeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und was macht die Bundesregierung? Die hat irgendwie die Ruhe weg. Die kündigt an, dass sie eine Fachkräftestrategie Ende dieses Jahres vorlegen will. Glauben Sie, dass es solche Bilder von den Flughäfen und Bahnhöfen im Herbst nicht mehr gibt, nur weil die Leute dann nicht mehr in den Urlaub fahren?
Also, erst Ende 2022 eine Fachkräftestrategie vorzulegen, das ist zu spät, das ist keine Entscheidung, das ist auch keine Umsetzung. Und deshalb sagen wir sehr klar: Weil es keine vorübergehende Erscheinung ist, muss jetzt klar gehandelt werden; im Übrigen auch für die Umsetzung der ökologischen und ökonomischen Transformationen, wie es das Bundeswirtschaftsministerium nennt.
Was brauchen wir? Erster Punkt. Ganz klar müssen die Arbeitsagenturen und Jobcenter stärker helfen, Personal zu finden. Und noch einmal: Gerade jetzt das Prinzip „Fördern und Fordern“ abzuschaffen, ist instinktlos.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweiter Punkt. 6 Millionen Menschen, die von Transferleistungen leben, wären grundsätzlich arbeitsfähig. Lassen Sie uns doch mal darüber Gedanken machen, wie wir hier in Deutschland Lebende in Arbeit bekommen. Das schließt nicht aus, dass wir dafür sorgen, dass auf Grundlage des guten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die Praxis besser funktioniert. Da geht es zum Beispiel darum, die Visaverfahren zu beschleunigen. Für Auszubildende muss ein ÖPNV-Azubi-Ticket eingeführt werden.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Die Berufsausbildung muss individueller werden, die Kinderbetreuung muss besser werden. Und bei der Einwanderung von Fachkräften
(Zuruf der Abg. Carina Konrad [FDP])
– das sage ich auch noch einmal sehr klar – müssen wir schauen, dass das, was als Gesetz vorgelegt worden ist, besser umgesetzt wird. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf: Nicht viel reden, nicht viel beschreiben, sondern entscheiden und auch machen. Das ist jetzt gefragt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Rasha Nasr.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538063 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Chaos an den Flughäfen - Arbeitskräftegewinnung |