07.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 47 / Zusatzpunkt 11

Rasha NasrSPD - Chaos an den Flughäfen - Arbeitskräftegewinnung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach den Monaten und Jahren der Einschränkungen und Entbehrungen freuen wir uns alle wieder auf den Sommer und damit auf die Urlaubszeit. Ärgerlich ist natürlich, wenn der Urlaub noch am Flughafen endet, wenn Flüge gestrichen werden, der Check-in nicht klappt oder die Bodenabfertigung einfach so lange dauert, dass man den Flug schlichtweg verpasst. So will eigentlich niemand von uns in den Urlaub starten. Das ist aber gerade Realität für viele Menschen in diesem Land. Und einmal mehr erleben wir, wie wichtig ausreichendes und gut bezahltes Personal ist, egal in welcher Branche.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit Beginn der Coronapandemie hat besonders das Bundesarbeitsministerium unter Leitung von Hubertus Heil schnell gehandelt und eine Brücke gebaut, die dabei geholfen hat, Arbeitsplätze zu sichern: das Kurzarbeitergeld.

(Beifall bei der SPD)

Viele Unternehmen haben sich dieses Instruments bedient und konnten so ihre Mitarbeiter/-innen halten. Aber trotz dieser Möglichkeit des Kurzarbeitergeldes kam es zu Freistellungen oder Entlassungen, und das merken wir jetzt besonders an unseren Flughäfen. Viele haben mittlerweile eben auch eine neue Perspektive in anderen Branchen gefunden.

Lassen Sie uns bitte eines festhalten: Privatwirtschaftliche Unternehmen sind selbst für ihre Personalpolitik und deren Folgen verantwortlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jürgen Lenders [FDP])

Aber unabhängig davon hat die Bundesregierung dennoch einen Plan vorgelegt und sorgt für schnelle Hilfe. Bundesverkehrsminister Volker Wissing, Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil haben sich bei einem gemeinsamen Treffen mit den zuständigen Verantwortlichen des Flugbetriebs beraten und am 29. Juni eine Lösung vorgestellt, die schnell Abhilfe schaffen soll.

Vorgeschlagen wird ein zeitlich befristeter und pragmatischer Weg, der kurzfristig für schnelle Hilfe sorgen wird. Für drei Monate sollen Kolleginnen und Kollegen eines türkischen Bodenabfertigungsunternehmens unsere Leute hier unterstützen. Natürlich achten wir dabei darauf, dass sie ordentlich, und zwar nach Tarif, entlohnt und vernünftig untergebracht werden. Es ist eigentlich traurig, dass wir auf dieses Instrument zurückgreifen müssen; denn – ich wiederhole mich gerne – die Unternehmen sind selbst für ihre Personalpolitik verantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb werden wir die Unternehmen auch nicht aus der Verantwortung entlassen, mittel- und langfristig selbst für eine ordentliche Personalpolitik zu sorgen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

An dieser Stelle könnte ich meine Rede eigentlich beenden. Aber wir behandeln ja hier einen Antrag der Union, den es meiner Meinung nach eigentlich gar nicht mehr gebraucht hätte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP] – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Klar, es ist alles wieder gut!)

Wenn wir uns den Antrag mal genauer anschauen, dann muss man sich doch sehr wundern. Ich greife mal zwei der vier Forderungen aus dem ersten Teil heraus. Darin wird unter anderem gefordert, „einen Flugreise-Gipfel unter Beteiligung der zuständigen Bundesminister einzuberufen“, der dann klären soll, in welchem Umfang Personal gebraucht wird. – Das ist erledigt; dafür hat es nicht einmal einen Gipfel gebraucht.

(Heiterkeit des Abg. Bernd Rützel [SPD] – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Erledigt? Das ist ja eine steile These!)

Oder auch schön: „mit den für die Organisation des Flugbetriebes Verantwortlichen eine optimale Abstimmung vorzunehmen …“. – Auch das ist erledigt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wird ja auch Zeit!)

Ich weiß nicht, wo Sie letzte Woche bei der Pressekonferenz waren, liebe Union.

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weiterhin fordern Sie die Regierung auf, allgemein geeignete Maßnahmen zur Linderung des Arbeits- und Fachkräftemangels zu ergreifen. So weit, so gut.

Aber Sie schreiben kein Wort dazu, wie Sie sich Fachkräftegewinnung aus dem Ausland vorstellen. Dazu müssen Sie wahrscheinlich auch mal Ihre Position überdenken, was Einwanderung generell angeht.

(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Es gibt ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz!)

– Ja, und dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz, Herr Biadacz, funktioniert genau deshalb nicht, weil Ihre Blockade dies verhindert hat. Wir brauchen 400 000 Leute pro Jahr. Das haben Sie mittlerweile selbst festgestellt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zurufe von der CDU/CSU)

30 000 konnten kommen. Woran liegt das?

Kommen wir zurück zum Antrag. Sie fordern, dass Linderung geschaffen werden soll, indem zum Beispiel die Jobcenter und Arbeitsagenturen angehalten werden sollen, Unternehmen zügig bei der Einstellung von Arbeitskräften zu unterstützen, oder die berufliche Aus- und Weiterbildung gestärkt oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden soll.

Das finde ich sehr interessant. Erstaunlich daran finde ich, dass die Union offenbar auf einmal ihr soziales Herz entdeckt hat.

(Lachen des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

Wo war das denn die letzten 16 Jahre? Wo waren diese Vorschläge in den letzten 16 Jahren? Die kamen nicht von Ihnen; die kamen vor allem vom Bundesarbeitsminister und von der SPD.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wie lange stand die Union mit beiden Füßen auf der Bremse, als es um die Einführung des Mindestlohns ging, um nur ein Beispiel zu nennen?

Wer stand denn letztens noch hier und hat lautstark das Durchsanktionieren von Menschen im SGB-II-Bezug gefordert, während wir bereits daran arbeiten, ordentliche Lösungen zu finden, von dieser sinnlosen Praxis wegzukommen und Menschen attraktive Angebote zu machen, endlich wieder eine Arbeit aufzunehmen? Wie sehr mussten wir Ihnen jeden noch so kleinen sozialen Schritt abkämpfen? Und jetzt stellen Sie sich hier hin und gerieren sich als diejenigen, die die Veränderung herbeiführen. Ich bitte Sie!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP])

Ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet hat im Wahlkampf mal gesagt: „Spüren wir nicht alle den Wind der Veränderung, der uns ins Gesicht bläst?“ Nun ja, es scheint so, als sei die Union das Fähnchen im Wind der Veränderung, der von dieser Ampelregierung ausgeht. Nur finde ich daran absurd, dass Sie offenbar alle Zeit darin investieren, Ihr Fähnchen möglichst falsch in den Wind zu stellen.

(Widerspruch des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

Ja, Herr Merz, wie wäre es, wenn Sie Ihrer Fraktion konstruktive Oppositionsarbeit nahelegen würden, anstatt unsere Zeit mit Anträgen in Anspruch zu nehmen, deren Inhalt bereits in Umsetzung oder beschlossen ist?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielleicht gucken Sie das nächste Mal in den Koalitionsvertrag, bevor Sie Anträge schreiben; vielleicht kommen Sie dann auch mal auf eigene Ideen.

Ich glaube, es ist sehr deutlich geworden – ich sage es aber gern noch einmal –: Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die AfD-Fraktion spricht Gerrit Huy.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538064
Wahlperiode 20
Sitzung 47
Tagesordnungspunkt Chaos an den Flughäfen - Arbeitskräftegewinnung
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