Anja Troff-SchaffarzykSPD - Chaos an den Flughäfen - Arbeitskräftegewinnung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Bundesländern beginnen nun nach und nach die Sommerferien, und nach zwei Jahren Pandemie haben alle wieder Lust, zu reisen und auch zu fliegen. Das merkt man natürlich überall. Doch während es in der Vergangenheit so war, dass der nahende Urlaub Grund zur Vorfreude war, blicken jetzt natürlich viele sehr sorgenvoll auf ihre Reise, weil aufgrund der zahlreichen Flugausfälle manchmal unklar ist, ob und wann das gewünschte Ziel erreicht werden kann.
Es ist klar, dass zunächst die betroffenen Unternehmen gefragt sind. Ich appelliere daher ganz dringend an die Luftverkehrswirtschaft, einen möglichst stabilen Betrieb sicherzustellen. Sie sind gefragt, das Kernversprechen Ihrer Branche, nämlich das von einer pünktlichen und zuverlässigen Beförderung, auch im Sommer 2022 einzulösen.
Außerdem ist klar, dass ein Streit darüber, wer nun Verantwortung trägt, nicht zielführend ist. Das löst weder das Kernproblem, noch wird den gestrandeten Passagieren geholfen. Es ist angesichts dessen äußerst bedauerlich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, die immerhin von 2009 bis 2021 das Verkehrsministerium führten, nun nichts anzubieten haben außer faktenfreien Schuldzuweisungen an die neue Bundesregierung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir arbeiten lieber an der Sache. Einerseits wollen wir kurzfristig die Einschränkungen für die Passagiere minimieren; andererseits wollen wir, dass der Luftverkehr mittelfristig zu einem stabilen Betrieb zurückkehrt. Das drängendste Problem ist der Personalmangel, insbesondere bei den Bodenverkehrsdiensten. Die Bundesregierung hat beim Luftfahrtgipfel Handlungswillen und Handlungsfähigkeit gezeigt.
Die Gewinnung von 2 000 zusätzlichen Arbeitnehmenden für die Bodenverkehrsdienste ist ein wichtiges Signal. Durch beschleunigte Zuverlässigkeitsprüfungen wird zeitnahe Entlastung sichergestellt. An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an unsere Ministerinnen und Minister Faeser, Heil und Wissing für diesen proaktiven Einsatz. Denn – darauf hat der Kollege Lange gerade hingewiesen – der damalige Verkehrsminister Scheuer von der Union hat zum Krisengipfel im Jahr 2018 zwar eingeladen, aber erst nach dem Ende des chaotischen Flugsommers, im Oktober.
Natürlich sind die Arbeitskräfte aus dem Ausland kein Allheilmittel. Ich erwarte, dass die Unternehmen durch Entzerrung der Abfertigungen und Flugpläne ihre Kapazitäten ausschöpfen. Unvermeidliche Stornierungen müssen mit minimalen Unannehmlichkeiten für die Passagiere verbunden sein und natürlich auch so früh wie möglich mitgeteilt werden.
Der Rückblick auf die Probleme des Jahres 2018 beweist, dass die Ursachen der Flugausfälle tiefgreifender sind und grundsätzlicher Antworten bedürfen. Die in den vielen Berufsfeldern der Luftfahrt schwierigen Arbeitsbedingungen, teilweise gepaart mit schlechter Bezahlung, sorgen seit Langem für wenig Nachwuchs. Die Unternehmen haben parallel ihre Personaldecke im Zuge weiterer Kürzungen bereits vor der Pandemie auf ein gefährlich niedriges Niveau gesenkt.
Durch die berufliche Unsicherheit und massive Kurzarbeit in den Jahren der Pandemie, häufig eben auch ohne Aufstockung, haben viele Arbeitnehmende die Branche verlassen. Sie werden nur zurückkehren, wenn sich Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessern. Für uns gilt daher: Nur mit mehr Personal gibt es eine Rückkehr zum resilienten Flugbetrieb.
Wir setzen uns zusätzlich für eine bessere Organisation des Luftverkehrs ein. Die im Koalitionsvertrag festgehaltene Umsetzung von Single European Sky werden wir vorantreiben. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden und müssen wir nutzen, um das Flughafenpersonal bei seiner Arbeit zu entlasten, etwa bei der Durchführung der Luftsicherheitskontrollen.
Das Thema Luftsicherheitskontrollen ist ein Dauerbrenner. Die Kontrollen funktionieren je nach Organisation am jeweiligen Flughafen unterschiedlich gut. Ich stimme dem Kollegen Lange zu: Ein Blick nach München lohnt sich. Dort wird die hoheitliche Aufgabe nicht von einem privaten Dienstleister, sondern von einer landeseigenen Gesellschaft durchgeführt, und das sehr gut.
Die SPD hat die großen Potenziale einer Reorganisation der Luftsicherheitskontrollen etwa nach diesem Münchener Modell bereits in der letzten Wahlperiode herausgestellt. Eine grundsätzliche Verbesserung der Situation von Personal und Passagieren ist möglich. Doch Innen- und Verkehrsministerium blockierten sämtliche Bemühungen dieser Neuausrichtung. Dass zwei CSU-geführte Häuser nicht über ein erfolgreiches bayerisches Konzept reden wollten, ist bemerkenswert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Uns ist sehr wohl bewusst, dass mit der Debatte der Reorganisation ein langer politischer Prozess erst beginnt, aber die SPD-Fraktion geht auch hier gerne voran und ist handlungswillig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Redebeiträge verdeutlichen, wie komplex die Thematik der Flugausfälle ist. Ich führe intensive Gespräche mit Unternehmen, Gewerkschaften und Behörden. Uns alle eint eine Überzeugung: Es wird nicht die eine Lösung geben. Die Luftfahrtbranche ist gefordert, ihre Personalsituation zu verbessern. Die Bundesregierung kümmert sich um die Rahmenbedingungen. So wird der Weg aus der aktuellen Krise gelingen, aber – und das gehört auch zur Wahrheit dazu – leider nicht sofort; denn die Probleme sind so groß, dass sie sich nicht zum Ende des Sommerflugplans in Luft auflösen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zu ihrer ersten Rede erteile ich das Wort der Kollegin Misbah Khan, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538069 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Chaos an den Flughäfen - Arbeitskräftegewinnung |