Manuel HöferlinFDP - Vereinbarte Debatte - Ein Jahr nach der Flutkatastrophe
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr wurden die Menschen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, meinem Zuhause, von einer Flut stark getroffen. Es wurde mehrfach beschrieben: Ganze Straßenzüge, ganze Häuser sind zerstört worden. Menschen haben alles verloren. Wo in den Wohnzimmern vorher noch die Couch stand, war plötzlich nichts. Auch ich habe das Buch von Andy Neumann gelesen, in dem er beschreibt, wie das Wasser höher und höher stieg. Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man nicht dort war.
Den höchsten Preis haben die Menschen gezahlt, die dort ihr Leben gelassen haben, über 180. Und es werden immer noch Menschen vermisst. Nicht nur ihnen, auch den Angehörigen, den Menschen, die noch heute unter den Folgen leiden, sind wir es schuldig, zwei Fragen zu stellen: Die erste Frage lautet: Wie konnte das passieren? – Wir müssen aufarbeiten, was schiefgelaufen ist. Deswegen gibt es Untersuchungsausschüsse in den Ländern. Es ist wichtig, dass man daraus die richtigen Schlüsse zieht. Aber wichtig ist auch, die zweite Frage zu stellen: Was können wir heute auf den Weg bringen, damit so etwas nicht wieder passieren kann?
Wenn man rückblickend auf die Einsätze schaut, dann sieht man, wer dort alles geholfen hat, insbesondere eine Gruppe von Menschen, nämlich die vielen Ehrenamtlichen. Ich will allen Hilfsorganisationen, aber auch jedem Einzelnen – ich kenne so viele Menschen, die sich einfach dorthin auf den Weg gemacht haben mit irgendeinem Gerät, einem Unimog, einem großen Lkw, was auch immer – noch einmal danken.
(Mechthild Heil [CDU/CSU]: Das entlässt Sie doch nicht aus der Verantwortung, selbst etwas zu tun!)
An ihnen lag es nicht, dass es zu wenig Hilfe gab. Deswegen mein herzlicher Dank an all diese Menschen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein Problem war aber, dass die Struktur ringsum versagt hat. Viele dieser Menschen sind frustriert zurückgekommen, ohne geholfen zu haben, weil ihnen niemand sagen konnte, wo sie eingeteilt werden können. Das ist das Problem. Vorwiegend ist es ein strukturelles Versagen der Organisation von Katastrophenhilfe, das sich in diesem konkreten Fall manifestiert hat. Wir haben es schon in einem anderen Beitrag gehört – ich glaube, Herr Seif hat darauf hingewiesen –: Wenn sich an den Bereitstellungsplätzen 5 000 Menschen sammeln, dann kann man nicht mehr koordinieren, wer wann wohin geht. Man weiß gar nicht, welche Einsatzfähigkeiten an einem solchen Bereitstellungsplatz vorhanden sind. Das muss dringend strukturiert werden.
Ein zweites Problem hat der Kollege Eckert genannt. Eine Katastrophe ist, wenn in der Katastrophe die Helfer nicht die gleiche Sprache sprechen. Das beginnt bei den Funkidentifikationen der einzelnen Kräfte; es geht aber über die allgemeine Führungssprache hinaus. Das liegt daran, dass – damit komme ich zum letzten Punkt – diejenigen, die die kleinen Katastrophen vor Ort gut managen können, bei größeren Lagen einfach an die Grenzen ihrer Fähigkeiten stoßen. Andy Neumann hat das am Montag in der Anhörung mit „Katastrophe ist Kreisliga“ betitelt. Das ist provokativ, trifft es aber auf den Punkt. Wenn wir das nicht anders organisieren, wenn wir dort keine Organisationsstrukturen aufbauen und eine abgestufte Resilienz, damit man vorher weiß, wer wie helfen kann, dann wird es nicht hilfreich sein, wenn bundesweit Menschen zu einem Ereignis strömen, um zu helfen. Wir brauchen eine Stelle, zum Beispiel das BBK, die angerufen werden kann und der man mitteilen kann: „Ich brauche einen Hubschrauber mit Seilwinden“, weil man weiß, die gibt es in Bayern, aber nicht in Rheinland-Pfalz. Wenn man nicht weiß, wo man anrufen kann, damit jemand kommt, um zu helfen, wenn wir das nicht organisiert bekommen – das ist die Aufgabe –, dann sind wir bei der nächsten Katastrophe aufgeschmissen.
Es ist in erster Linie nicht eine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Struktur. Deswegen bin ich Frau Ministerin Faeser dankbar, dass sie diese Herausforderung angeht und mit den Ländern, den Kommunen, den Kreisen spricht, damit wir gemeinsam besser koordinieren und dort, wo es nötig ist, die finanziellen Mittel aufstocken und dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passieren kann.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es folgt der fraktionslose Abgeordnete Matthias Helferich.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538088 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte - Ein Jahr nach der Flutkatastrophe |