Klaus WienerCDU/CSU - Inflation in Deutschland
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Es gibt drei Arten von Lügen: einfache Lügen, verdammte Lügen und Statistiken. – Dieser durchaus bemerkenswerte Satz wird einem englischen Politiker zugeschrieben, und das ist nicht der, der heute zurückgetreten ist. An diesen Satz habe ich mich aber erinnert gefühlt, als ich Ihren Antrag gelesen habe. Warum? Weil Sie suggerieren, dass hier etwas mit der Inflationsmessung nicht stimmt; das klang gerade schon an. Dem möchte auch ich hier ausdrücklich widersprechen.
Das Statistische Bundesamt betreibt einen sehr großen Aufwand, um ein verlässliches Bild über die Inflationsentwicklung zu geben. Es werden 60 000 Haushalte befragt, es werden 300 000 Güter mit den Preisen erfasst, zum Teil sogar in Echtzeit. Auf Basis dieser wirklich großen Datenmenge wird dann die Inflationsrate berechnet. Aber die entscheidende Frage ist doch: Mit welchem Ziel? Und die Antwort ist: Damit wir wirksame Wirtschaftspolitik auf gesamtwirtschaftlicher Ebene machen können, damit wir die Inflation so messen, wie sie ist. Denn sie sagt etwas über den Auslastungsgrad der Wirtschaft aus, und damit ist sie wichtiger Signalgeber zum Beispiel für die Finanzpolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ist die Inflation zu niedrig, darf man – und das betone ich hier auch – vorübergehend gern ein bisschen mehr Geld ausgeben. Ist sie aber zu hoch, dann darf man nicht immer neue Ausgabenprogramme auflegen; denn damit verschlimmert man das eigentliche Inflationsproblem, so wie es die Ampel gerade macht, also zum Teil selbst verschuldet.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein gewisses Unbehagen hatte ich ja, als ich den Koalitionsvertrag gelesen habe: viele Wünsche, null Gegenfinanzierung. Aber dass es in Sachen Neuverschuldung und damit auch zusätzlich induzierter Inflation so schlimm kommen würde, damit habe ich nicht gerechnet.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Reinhard Houben [FDP]: Da klatscht ja selbst die CDU nicht!)
Aber auch für die Geldpolitik ist Inflation ein wichtiger Gradmesser. Das erleben wir gerade dieser Tage, wo die EZB zumindest ansatzweise über eine Normalisierung ihrer Geldpolitik nachdenkt. Aber genauso, wie sich die europäische Geldpolitik nicht am Preisniveau einzelner Länder ausrichten kann, darf sie Geldpolitik auch nicht mit Blick auf einzelne gesellschaftliche Gruppen machen, so wie Sie das im Antrag formulieren. Sie hat nur ein Ziel, und das lautet Preisniveaustabilität. Das muss sie im Durchschnitt für alle Länder und für alle Menschen im Euroraum erfüllen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Etwas anderes ist es natürlich, wenn es darum geht, besonders betroffene Gruppen zu entlasten. Das kann man, das sollte man aus sozialen Erwägungen heraus machen, allerdings nur, indem man Belastungsspitzen wegnimmt und nicht die Gießkanne einsetzt, so wie die Ampel es gerade tut: Tankrabatt, Energiepauschale, 9‑Euro-Ticket, all das weist in die falsche Richtung. Hier wird Geld einfach ziellos verschwendet.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Genau aus den genannten Gründen sind Inflationsmesszahlen, die einzelne Gruppen in den Fokus nehmen, auch nur gefühlt gut.
Im zweiten Antrag geht es um die Stagflationsfalle, wobei das im Grunde bereits eine Verharmlosung dessen ist, was uns wirtschaftlich droht, wenn die Ampel so weitermacht. Der Begriff setzt sich aus zwei Begriffen zusammen, zum einen aus Stagnation, also wirtschaftlicher Stillstand, und zum anderen aus Inflation. Hohe Inflationsraten haben wir bereits. Wirtschaftlich kann es aber durchaus noch schlimmer kommen:
(Beatrix von Storch [AfD]: Das sagt unser Antrag, genau das!)
Denn in einer Rezession stagniert die Wirtschaftsleistung nicht, sondern sie fällt, und das ist möglicherweise schon sehr bald der Fall.
Deshalb muss die Ampel jetzt handeln. Weil das regulatorische Pendel so weit ausgeschlagen hat, brauchen wir ein Belastungsmoratorium.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gerade die Vorgaben von der europäischen Ebene haben in den letzten Jahren überhandgenommen. Aber sie werden von weiten Teilen der Ampel mit Begeisterung aufgenommen. An der Taxonomie passt Ihnen doch nur eines nicht: dass Gas und Kernkraft als nachhaltig eingestuft wurden,
(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, auch andere Dinge darin sind das Problem! )
so wie gestern noch einmal vom Europäischen Parlament bestätigt.
Ebenso brauchen wir dringend schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Auch hier springt die Ampel zu kurz, wenn sie fast ausschließlich auf den Ausbau der Windkraft rekurriert. Was zu tun ist, haben wir hier vor einigen Wochen mit einem dezidierten Antrag dargestellt. Klar, der wurde abgelehnt; aber es stand viel Gutes drin. Vielleicht schauen Sie heimlich noch einmal hinein. Ich denke, das wäre sinnvoll.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Unser Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz hat hier gestern an dieser Stelle zu Recht darauf hingewiesen, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gerade unter den jetzt geänderten Rahmenbedingungen dringend gestärkt werden muss. Wir müssen unsere Unternehmen steuerlich entlasten – das fordern wir seit Jahren; aber das war ja mit der SPD nie zu machen, so wie vieles andere auch nicht –, und wir müssen den Unternehmen Luft zum Atmen geben und nicht immer neue Vorgaben erfinden.
Was wir tun müssen? Die Liste ist lang. Das sind auch keine Rezepte aus der wirtschaftspolitischen Mottenkiste, wie ich gestern hier von Herrn Audretsch von den Grünen hören musste. Wenn Sie wirklich glauben, dass das Rezepte aus der wirtschaftspolitischen Mottenkiste sind, dann müssen Sie aufpassen, dass aus der sogenannten Fortschrittskoalition keine wirtschaftliche Abstiegskoalition wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
2005 war Deutschland der kranke Mann Europas. Sie erinnern sich vielleicht: 2005, das war, als die rot-grüne Regierung abgewählt wurde. 2019 waren wir die stärkste Volkswirtschaft Europas, die Wachstumslokomotive auf dem Kontinent. Ich bin wirklich gespannt, wo wir in dreieinhalb Jahren stehen werden. Ich ahne da nichts Gutes. Was jetzt passiert – und da wiederhole ich auch gerne unseren Fraktionsvorsitzenden –, ist allein Ihre Verantwortung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als Nächstes folgt Dieter Janecek für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538099 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Inflation in Deutschland |