07.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 47 / Tagesordnungspunkt 16

Jonas GeisslerCDU/CSU - Friedensprozess in Kolumbien

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat am 19. Mai ein Ausschussgespräch durchgeführt, zu dem wir ganz bewusst Menschen aus Mexiko und Kolumbien eingeladen haben, die über ihre persönlichen Schicksale gesprochen haben. In diesem Fall waren alle Betroffenen Opfer, deren Angehörige verschwunden sind. Es waren Familienangehörige verschwundener Väter, verschwundener Söhne und verschwundener Töchter. Wir haben über staatliche Willkür gesprochen, über den Terror, die Drogenbarone und die Korruption. Hängen geblieben sind die Bilder, wenn du dich mit den Opfern, wenn dieses Gespräch vorbei ist, persönlich austauschst.

Mir hat mit Tränen in den Augen eine ältere Dame erzählt, dass sie sowohl ihre vier Kinder verloren hat und nicht weiß, wo sie sind, als auch ihren Mann. Das Ganze passierte nicht auf einmal, sondern im Abstand von vielen Jahren. Der Frau bleibt nichts mehr. Deswegen ist sie aufgestanden und erzählt ihre Geschichte überall in der ganzen Welt, um auf das Unrecht, was jeden Tag passiert, hinzuweisen.

Wir haben uns dort mit Einzelfällen beschäftigt. Aber diese Einzelfälle sind einfach nur Zeugen von riesigen Verbrechen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ungefähr 90 000 Menschen in Kolumbien sind verschwunden. Dass Kolumbien, wenn man darüber liest, immer Negativschlagzeilen produziert, ist angesichts von solchen Zahlen überhaupt keine Frage. Nach den Präsidentenwahlen, die man bewerten kann, wie man will, hat die Deutsche Welle zum Wahlsieg Gustavo Petros kommentiert, dass es angesichts der vielen Morde alleine schon ein Sieg für Kolumbien ist, dass der neu gewählte Präsident den Wahlkampf und seine Wahl überhaupt lebend überstanden hat.

Die Gewalt in Kolumbien ist alltäglich. Die Gewalt tritt zutage, wenn es Brandrodungen gibt, bei Infrastrukturprojekten, bei illegalem Bergbau, im Drogengeschäft. Die Gewalt tritt zutage, wenn es um indigene Völker geht, um Afrokolumbianer. Die Gewalt betrifft Menschenrechts- und Umweltaktivisten, Frauen, Homosexuelle und Transgenderpersonen. Das betrifft sie jeden Tag; denn Kolumbien ist das Land der Gewalt. Das Schlimme ist, dass die Opfer dieser Gewalt, denen bei der Aufklärung dessen, was ihnen passiert ist, oft nicht geholfen wird, oft auch noch stigmatisiert werden. Man spricht den Opfern ihre Rolle als Opfer ab, und das ist das eigentlich Widerwärtige in der Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Als Bundesrepublik Deutschland handeln wir seit Jahren. Wir begleiten den Friedensprozess bi- und multilateral. Wir setzen im Entwicklungsbereich wichtige Akzente. Wir leisten humanitäre Hilfe und fördern im Kulturbereich. Wir sind im Friedensvertrag zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung ausdrücklich mit anderen Begleitstaaten gebeten worden, auch bei der Vergangenheitsaufarbeitung und der Opferunterstützung Hilfestellung zu leisten, zum Beispiel durch das bereits angesprochene Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut, bei den Institutionen der Übergangsjustiz und bei der Wahrheitskommission. Am Ende funktioniert Zusammenarbeit nur dann, wenn man auch Handel betreibt, wenn man bei der Polizei, zum Beispiel bei der Forensik, Hilfestellung leistet und eben auch im militärischen Bereich Kooperationen eingeht.

Dass der Friedensprozess lange nicht abgeschlossen ist, zeigen die Geschichten, die man sieht, wenn man auf Kolumbien blickt. Wir stehen immer noch am Anfang. Wir haben immer noch Probleme mit kriminellen Banden, mit ehemaligen FARC-Kämpfern, die sich nicht an den Friedensprozess halten, mit der Nationalen Befreiungsarmee. Wir haben Probleme aufgrund der Coronamaßnahmen in Kolumbien und weil deswegen vielerorts Hunger ausgebrochen ist. Wir sehen Proteste, denen mit exzessiver Gewalt entgegengetreten wird – vielleicht gar nicht auf nationaler Ebene, sondern oft im Kleinen. Die Geschichte Kolumbiens wird uns noch lange beschäftigen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank für die zeitliche Punktlandung. – Jetzt kommt Heike Engelhardt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538208
Wahlperiode 20
Sitzung 47
Tagesordnungspunkt Friedensprozess in Kolumbien
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