07.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 47 / Tagesordnungspunkt 16

Heike EngelhardtSPD - Friedensprozess in Kolumbien

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürger/-innen! Ein ganz besonderes Willkommen der Frau Botschafterin Yadir Salazar und auch dem designierten Außenminister Señor Alvaro Leyva. Bienvenido!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Zum ersten Mal in der Geschichte Kolumbiens wird ein linker Politiker, Gustavo Petro, die Regierung der viertgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas anführen, zum ersten Mal in der Geschichte Kolumbiens wird das Land mit Francia Márquez eine afrokolumbianische Vizepräsidentin haben. Beide sind vom Pacto Histórico. Beide versprechen einen „Cambio por la vida“, einen Wechsel für das Leben. Es ist ein historischer Moment.

Die Bürger/-innen von Kolumbien wollen eine Veränderung sehen. Im August wird die neue kolumbianische Regierung ihr Amt antreten. Sie wird sich großer sozialer Unzufriedenheit gegenübersehen, und sie muss sich direkt einigen Herausforderungen stellen. Zu diesen Herausforderungen – und es ist unmöglich, heute alle zu benennen – gehört es, die Inflation zu bekämpfen, eine Landreform umzusetzen und die indigene und ländliche Bevölkerung zu schützen. Auch geht es um die Gleichstellung von Frauen, um besseren Umweltschutz und insbesondere darum, die Wiederbelebung des Friedensvertrages zu sichern.

Das Friedensabkommen galt lange als Hoffnungsträger für strukturellen und nachhaltigen Frieden in Kolumbien. Deswegen müssen wir hier ansetzen und mit konkreten Zielen unsere Unterstützung anbieten. In den vergangenen vier Jahren unter der rechten Regierung von Präsident Iván Duque wurde der Friedensvertrag kaum umgesetzt. Der Frieden in Kolumbien ist zerbrechlich, und es bedarf großer nationaler und internationaler Anstrengungen, um den Friedensvertrag wiederzubeleben und Ergebnisse zu sichern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es besteht die Sorge, dass ohne Fortschritte der nächsten Regierung, ohne Aussöhnung und Integration, ohne echte Landreform und Schutz der demobilisierten Kämpfer/-innen die Gewalt weiter zu eskalieren droht. Eine der größten Aufgaben für die neue Regierung auf nationaler Ebene ist es deshalb, das Vertrauen zu den Bürgerinnen und Bürgern und von den Bürgerinnen und Bürgern in die Regierung wiederherzustellen.

Mit unserem Antrag setzen wir uns ein für eine Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements, besonders bezüglich Frauen und an den Rand gedrängten Gruppen sowie der jüngeren Generation. Es ist wichtig, dass soziale und lokale Führungspersönlichkeiten beschützt werden, damit diese auch in den ländlichen Regionen Strukturen aufbauen können. Alleine in diesem Jahr sind bisher mehr als 60 sogenannte „líderes sociales“ ermordet worden.

Außerdem wollen wir mehr Schutz für alle politischen Akteurinnen und Akteure, Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten, Journalistinnen und Journalisten und indigene und afrokolumbianische Gemeinden. Denn sie alle – so habe ich es auch unlängst bei meinem Besuch in Bogotá in Gesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern dieser Gruppen erfahren – sind in extremer Gefahr, und sie hoffen auf Gustavo Petro.

Der Abschlussbericht der kolumbianischen Wahrheitskommission über den bewaffneten Konflikt wurde vergangene Woche veröffentlicht. Seit Anfang des Friedensprozesses führte die Kommission knapp 15 000 Interviews sowohl mit Opfern als auch Täterinnen und Tätern. Francisco de Roux Rengifo, der Vorsitzende der Wahrheitskommission, sagte am Tag der Veröffentlichung: Dies ist eine Botschaft der Wahrheit, einer unbequemen Wahrheit.

Zwar ist der Bericht der Kommission juristisch nicht bindend, er ist aber doch dahin gehend bedeutend, wie die neue Regierung den Bericht behandeln und wie sie ihn in ihre Politik aufnehmen wird. Der Bundestag wird die neue Phase des Versöhnungsprozesses begleiten und unterstützen. Hier ist auch die Rolle der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden enorm wichtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir sprechen in dem Antrag auch andere Herausforderungen an: gewaltsames Verschwindenlassen, Angriffe auf Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten, eine unsichere nationale Sicherheitslage, die ungerechte Verteilung von Land und vieles mehr. Hier muss es Reformen geben und damit mehr Gerechtigkeit für alle kolumbianischen Bürger/-innen.

Mit diesem Antrag zeigen wir: Wir stehen für Gespräche und unterstützen alle kolumbianischen Bemühungen, die menschenrechtliche Lage im Land zu verbessern und somit den Friedensprozess zu fördern und zu stärken. Kolumbien hat unter der neuen Regierung viele Chancen auf mehr Frieden. Setzen wir nun ein Zeichen der Unterstützung! Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538209
Wahlperiode 20
Sitzung 47
Tagesordnungspunkt Friedensprozess in Kolumbien
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