07.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 47 / Zusatzpunkt 22

Kristine LütkeFDP - Entkriminalisierung von Cannabis

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gut Ding will Weile haben – eine Binsenweisheit, die man so kurz vor der Sommerpause, wenn man noch einmal die Aufmerksamkeit haben möchte, sehr schnell vergessen kann. Das ist nachvollziehbar. Aber wie gesagt: Gut Ding will Weile haben!

Das gilt ganz oft im Leben, und das gilt vor allem dann, wenn es sich um eine etwas komplexere Angelegenheit handelt. Da ergibt es Sinn, sich intensiv mit den Möglichkeiten und Konsequenzen auseinanderzusetzen, genau abzuwägen und dann erst zu entscheiden. Das ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber. Es ist unsere Verpflichtung, vor allem auch als Gesundheitspolitiker, sorgfältig zu überlegen, welche Folgen für jede und jeden Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft entstehen könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb werden wir als Ampelkoalition das wichtige und richtige Vorhaben der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken für Erwachsene und der Entkriminalisierung nicht übers Knie brechen, wie Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, das gerade tun wollen. Wir wollen ein klug durchdachtes, gut koordiniertes Gesamtkonzept, das wir kontrolliert und konsequent umsetzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gesundheits-, Jugend- und Verbraucherschutz stehen an erster Stelle. An zweiter Stelle steht das Ziel, den Schwarzmarkt so weit wie möglich zurückzudrängen. Wir wollen Legalisierung und Entkriminalisierung zusammendenken und nicht getrennt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind uns innerhalb der Koalition, auch wenn Sie da anscheinend mehr wissen als wir selber und von inhaltlichen Differenzen schreiben, mit Ihnen in der Sache eigentlich einig: Die Prohibitionspolitik in Bezug auf Cannabis ist gescheitert.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir streben nach Jahrzehnten einen Paradigmenwechsel an. Nicht mehr und nicht weniger! Es scheint Ihnen nicht bewusst zu sein, was das bedeutet; denn sonst wäre Ihr Gesetzentwurf etwas ausgefeilter.

(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Das heißt gar nichts!)

In der Regierungsbefragung am 11. Mai wurde Bundesjustizminister Marco Buschmann die Frage gestellt, ob wir die „umgehende Entkriminalisierung des Cannabiskonsums umsetzen“ wollten – jetzt also in Form eines Gesetzentwurfes. Für uns ist klar: Legalisierung und Entkriminalisierung gehören zusammen, auch zeitlich; das lässt sich nicht komplett entkoppeln.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Doch!)

Warum? Das beantworten Sie sich und uns in Ihrem eigenen Gesetzentwurf. Während der, wie Sie es nennen, „Übergangslösung“ wären die Konsumentinnen und Konsumenten auf den Schwarzmarkt angewiesen.

(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Sind sie jetzt aber auch schon! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Umso länger Sie für die Legalisierung brauchen, umso länger sind die auf dem Schwarzmarkt!)

Das lässt sich nicht von der Hand weisen. Zum Schwarzmarkt schreiben Sie erstens, dass die Konsumentinnen und Konsumenten „organisierter Kriminalität“ ausgeliefert sind. Zweitens schreiben Sie, dass mit den Produkten vom Schwarzmarkt „erhebliche Gesundheitsrisiken“ einhergehen – ich zitiere –: „durch Streckmittel, fehlenden Jugendschutz und unkontrollierte Produktqualität“. Und wissen Sie was? Da stimme ich Ihnen ja sogar zu.

Aber jetzt wollen Sie die Konsumentinnen und Konsumenten während Ihrer Übergangslösung genau diesen Gefahren aussetzen.

(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Aber das passiert doch jetzt schon! Wo leben Sie?)

Da muss ich Ihnen als Gesundheitspolitikerin sagen: Das ist doch mehr als fahrlässig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit Ihrer Lösung würde nur der Schwarzmarkt befeuert werden und anwachsen. Das würde das Zurückdrängen noch komplizierter machen. Gesundheits-, Jugend- und Verbraucherschutz stellen Sie ganz weit hintenan. Das ist doch Wasser auf die Mühlen derjenigen, die noch immer an die Prohibitionspolitik glauben. Das ist fatal.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gefährdet diesen richtigen und wichtigen Paradigmenwechsel in der Cannabispolitik. Noch viel schlimmer: Sie gefährden wissentlich Konsumentinnen und Konsumenten.

Ich kann mich also nur wiederholen: Gut Ding will Weile haben! Ersparen Sie uns bitte solche undurchdachten Vorschläge. Das kostet Zeit – hier und im Ausschuss.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ganz sicher nicht!)

Wir erwarten den ersten Entwurf von Gesundheitsminister Lauterbach in der zweiten Jahreshälfte.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Dann werden wir im parlamentarischen Verfahren den Prozess der Legalisierung und Entkriminalisierung klug durchdacht, gut koordiniert, konsequent, kontrolliert und zeitnah zu Ende bringen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt erhält Stephan Pilsinger für die CDU/CSU das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538269
Wahlperiode 20
Sitzung 47
Tagesordnungspunkt Entkriminalisierung von Cannabis
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