07.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 47 / Tagesordnungspunkt 8

Ralf StegnerSPD - Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses (Afghanistan)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerne möchte ich knapp außerhalb der Primetime die Möglichkeit nutzen, um über unsere Verantwortung bei diesem Untersuchungsausschuss zu sprechen. Klar ist: Wir stehen hier gegenüber den Menschen in der Pflicht, die jahrelang für uns in Afghanistan engagiert waren. Das war nie ohne Risiko, und manche haben dabei bedauernswerterweise sogar ihr Leben verloren. Wir schulden es ihnen und ihren Angehörigen, aber auch den Ortskräften, dass wir unseren Einsatz und den chaotischen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan aufarbeiten.

Das Ziel dieses Untersuchungsausschusses ist klar formuliert. Wir müssen uns aber auch die Fragen stellen, warum es eigentlich wichtig ist, hier Aufklärungsarbeit zu leisten, und welche übergeordneten Motive uns leiten.

Zuallererst ist festzustellen: Es ist eine besondere Stärke unserer Demokratie, die kritische Aufarbeitung unserer Auslandseinsätze zu gewährleisten und eben nicht zur Tagesordnung überzugehen. Das kann man nach 20 Jahren, wenn das so endet, nicht machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Dabei ist es nicht unser Ziel, Schuldige zu suchen, sondern wir müssen alles dafür tun, dass die offensichtlich begangenen Fehler in der Zukunft nicht noch einmal gemacht werden.

Die Situation in der Welt zeigt uns, dass die Bundeswehr gebraucht wird. Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages ist es unsere zentrale Verantwortung, unsere Soldatinnen und Soldaten angemessen auszurüsten. Dazu zählt auch, konkrete Ziele für unsere Parlamentsarmee bei Landes- und Bündnisverteidigung, aber eben auch bei internationalen Einsätzen zu definieren. Zudem stehen wir auch in der Pflicht gegenüber unseren internationalen Partnern, die mit der Aufklärung ihrer Einsätze und des Abzugs ihrer Streitkräfte teilweise schon begonnen haben. Auch hier ist der Beitrag Deutschlands gefragt. Gut, dass es jetzt losgeht.

Lassen Sie uns in guter demokratischer Tradition die richtigen Fragen in diesem Untersuchungsausschuss stellen und aus früheren Untersuchungen lernen. Wichtige Untersuchungsausschüsse wie der NSU- und der NSA-Untersuchungsschuss haben uns gezeigt, dass sich vielleicht nicht alle Fragen lückenlos beantworten lassen, wir als Abgeordnete aber über sehr wirksame Instrumente zur Aufklärung verfügen. Eigentlich ist es das einzige Gremium in der Politik, das wirksame Instrumente zur Wahrheitsfindung besitzt. Diese sollten wir auch umfassend nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dort, wo es möglich und nötig ist, freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit dem Kollegen Müller und der Enquete-Kommission. Es ist, glaube ich, ein weiser Beschluss, dass es eine Enquete-Kommission und einen Untersuchungsausschuss gibt. Eine lange Periode von 20 Jahren könnte man mit einem Untersuchungsausschuss nicht aufarbeiten; da ist die Enquete-Kommission das richtige Mittel. Und insbesondere die Frage nach den zukünftigen Zielen der Bundeswehreinsätze – ist es zum Beispiel sinnvoll, so ein Land nach westlichem Vorbild demokratisieren zu wollen? – lässt sich nur mit den Erkenntnissen der beiden Gremien verlässlich beantworten.

(Jörn König [AfD]: Entsetzlich!)

– Ich weiß, dass Sie das so kommentieren, aber das zeigt: Sie haben nichts davon verstanden. Rechtsradikale verstehen von solchen Sachen sowieso nichts.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Linksradikale offenbar auch nicht!)

Die ganz aktuelle Frage – das will ich hinzufügen –, unter welchen Umständen wir Hilfsorganisationen in ein Land lassen, dessen Regierung uns nicht gefallen mag, müssen wir uns auch stellen.

Die Bevölkerung in Afghanistan ist seit Jahrzehnten von Kriegszerstörung, Hunger und Umweltkatastrophen geplagt. Wenn der Untersuchungsausschuss dazu beiträgt, dass dieses Schicksal wieder ein wenig mehr in den Blickpunkt rückt und dass humanitäre Hilfe erfolgt, wäre das ein guter Beleg dafür, was Ausschussarbeit leisten kann. Man muss auch evaluieren, ob humanitäre Hilfe nicht Vorrang vor strategischen Erwägungen haben sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Demokratie muss sich um die Aufarbeitung kümmern und die schrecklichen Bilder aus Kabul sowie die Entwicklung seit dem Doha-Abkommen 2020 einordnen. Wenn wir den Untersuchungsausschuss nicht als Kampfinstrument, sondern als Chance nutzen, tun wir etwas für unsere Soldatinnen und Soldaten, für die zivilen Hilfskräfte und für unsere Demokratie. Lassen Sie uns gemeinsam konstruktiv daran arbeiten.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es folgt der Abgeordnete Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538276
Wahlperiode 20
Sitzung 47
Tagesordnungspunkt Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses (Afghanistan)
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