Ann-Veruschka JurischFDP - Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses (Afghanistan)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr spät in der Nacht, aber wir sind uns hoffentlich einig, dass die Uhrzeit dieser Debatte die dringende Notwendigkeit dieses Ausschusses nicht in Abrede stellt. Wir haben in der ersten Lesung und im Vorfeld ausgiebig darüber gesprochen. Jetzt muss es aber wirklich endlich losgehen. Wir wollen nicht weiter über den Ausschuss sprechen, sondern im Ausschuss miteinander reden.
2002 habe ich nach meiner juristischen Promotion meine berufliche Laufbahn als Referentin in der Asien-Abteilung im BMZ begonnen. Auf meinem Flur in Bonn saßen damals auch die Mitarbeitenden, die ganz frisch die entwicklungspolitischen Aktivitäten mit Afghanistan aufbauen sollten. Über meine eigene Aufgabe als Länderreferentin im Südostasien-Referat und an einer Botschaft kenne ich die Rolle und die Arbeit von Ortskräften aus eigener Erfahrung.
Heute, 20 Jahre später, werden wir einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen, der sich mit den Vorgängen rund um den Abzug der Alliierten aus Afghanistan im Sommer 2021 befassen wird. Ich werde als eine von zwei Vertretern der FDP-Fraktion im Untersuchungsausschuss mitwirken. Hierbei möchte ich vor allem auf die Situation der Ortskräfte schauen: Welche Umstände haben dazu geführt, dass nicht alle Menschen aus diesem Personenkreis rechtzeitig das Land verlassen konnten? Wie sah die Situation der Ortskräfte während der Evakuierung aus?
Wir haben in vielen Ländern zivile Ortskräfte – an den Botschaften, in den Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit – und natürlich auch militärische Ortskräfte. Vor allem in Mali, aber auch im Grenzgebiet zu Syrien oder im Kosovo und an anderen Orten arbeiten Ortskräfte an der Seite von deutschen Soldatinnen und Soldaten sowie Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern.
Wir haben bei all diesen Ortskräften einen Ruf zu verlieren. Oder anders gesagt: Es muss uns gelingen, diesen Menschen die Sicherheit zu vermitteln, dass wir im Rahmen dieses Untersuchungsausschusses alle mutmaßlichen Fehler aufarbeiten. Wir dürfen nichts ungeschehen lassen, um dafür zu sorgen, dass es in einem ähnlichen Fall besser laufen wird. Die jetzt laufenden großen Bemühungen, die verbliebenen gefährdeten Ortskräfte und Schutzbedürftigen unter schwierigsten praktischen Umständen aus Afghanistan zu holen, sind die traurige Folge der Geschehnisse im letzten Sommer.
Natürlich geht es bei einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss darum, politische Verantwortlichkeiten festzustellen. Den Menschen, die unter den Ergebnissen der Evakuierungsmission gelitten haben oder heute noch leiden, schulden wir dringend Aufklärung.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als Juristin werde ich mit der gebotenen Sachlichkeit und Nüchternheit an die Sachverhalte gehen. Neben der Feststellung von Verantwortung geht es für mich aber auch um Folgendes: Es muss uns auf der Grundlage der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses gelingen, Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Politik und Verwaltung müssen lernende Systeme sein.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Wir können und sollten wichtige Schlüsse für die Zukunft und für unsere Zukunftsfähigkeit ziehen: Wie bauen wir uns in Deutschland ein besseres Frühwarnsystem für Krisen aller Art auf? Wie kommen wir insgesamt zu mehr Strategiefähigkeit und strategischem Weitblick? Einige Stichworte dazu: Energiesicherheit, Verteidigungsfähigkeit, Pandemievorsorge. Wie bauen wir bürokratische Hürden ab, um im Not- und im Normalfall noch handlungsfähiger zu werden? Diese wichtigen Lernchancen müssen wir zum Wohle aller ergreifen.
Ich werde meine Arbeit im Untersuchungsausschuss mit großem Ernst und mit Demut erfüllen. Es geht um die Schicksale vieler Menschen, und es geht um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Es folgt Sara Nanni für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538278 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses (Afghanistan) |