Johann WadephulCDU/CSU - Gesetzentwurf NATO-Beitritt Finnland und Schweden
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist selten, dass wir hier in so großer Einmütigkeit ein solches Gesetz beschließen, dass wir, Exzellenzen, zustimmen, dass die Republik Finnland und das Königreich Schweden der NATO beitreten. Dass wir dies tun, liegt in der sehr ernsten sicherheitspolitischen Lage begründet: an Russlands Aggression und Gewalt, an der Bedrohung, die Russland unverblümt für Europa darstellt. Aber dass wir dies tun, ist zugleich ein Grund der Freude; denn mit Finnland und Schweden heißen wir zwei ohnehin schon eng befreundete Staaten in unserer Gemeinschaft willkommen. Es ist auch ein wichtiges Signal an Russland, dass wir es nicht dulden, dass zwei Ostseepartner bedrängt, bedroht und erpresst werden. Wir treten für den Schutz unserer Partner ein und nehmen sie deswegen als Bündnispartner in unser Schutzbündnis auf.
Wie groß dieser Wunsch nach Schutz ist, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher. Finnland war seit 1945 neutral. Es ist in schwierigsten Zeiten des Kalten Krieges im durchaus bedrohenden Schatten der Sowjetunion stolz und wehrhaft seinen Weg gegangen, und es hat nach dem Ende des Kalten Krieges keine Veranlassung gesehen, diesen Weg zu verlassen. Doch Putins unverhohlene militärischen und politischen Drohungen gegenüber seinen westlichen Nachbarstaaten, sein Missbrauch der Geschichte, um geografisch weitausgreifende imperiale Ansprüche eines neurussischen Reiches zu formulieren, vor allem aber seine eklatante Missachtung staatlicher Souveränität, indem er anderen Staaten – der Ukraine, aber auch Finnland – das Recht abspricht, selbst über eine Bündnismitgliedschaft zu entscheiden, das hat in Finnland seit Jahren immer mehr Missbehagen ausgelöst und eine stetig wachsende Zuwendung zur NATO. Der russische Angriff auf die Ukraine gab schließlich den Ausschlag. In Schweden haben die gleichen Sorgen eine Phase der 200-jährigen Neutralität beendet. Letztmalig war Schweden 1814 in einem Bündnis.
Nichts macht es so deutlich wie diese für Schweden und Finnland so unglaubliche Zäsur ihrer Außen- und Sicherheitspolitik: Mit dem NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens ist Putins neoimperiale Politik, die letztendlich auf eine russische Dominanz über Ost- und Mittelosteuropa und weite Teile des Ostseeraums hinauslief, krachend gescheitert. Aber der Beitritt Finnlands und Schwedens weist über die Region und über den Sachverhalt hinaus; denn er ist, was er ist: ein Beitritt, keine Erweiterung. Es ist der souveräne Wunsch Finnlands und Schwedens, Teil der NATO zu werden, getragen von einer absolut überwältigenden Mehrheit der Parteien und der Menschen beider Staaten.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das zeigt, wie attraktiv die NATO ist: quicklebendig nach über 70 Jahren, nicht hirntot, existenziell für die Sicherheit des Westens, nicht obsolet. Deswegen ist es ein folgerichtiges und wichtiges Zeichen, dass die Bundesregierung frühzeitig die jeweiligen Ministerpräsidentinnen nach Deutschland eingeladen hat – dafür möchte ich dem Bundeskanzler danken – und die Weichen dafür gestellt hat, dass Deutschland zu den ersten Anwälten des Beitrittes dieser beiden Staaten gehört. An dieser Stelle auch von der CDU/CSU-Fraktion ein Dank dafür, dass die Bundesregierung an dieser Stelle Impulsgeber gewesen ist!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich verbinde das mit der Genugtuung darüber, dass die Zweifel, die manche insbesondere in den Reihen der Sozialdemokraten und der Grünen an der Bedeutung und Wichtigkeit der NATO hegten, jetzt zerstreut sind und dass wir jetzt alle hundertprozentige Anhänger dieses wichtigen Verteidigungsbündnisses des Westens sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und ich verbinde das mit der Bitte und Erwartung, dass die Bundesregierung auch im weiteren Beitrittsprozess Anwalt Finnlands und Schwedens ist. Bedingungen der Türkei, die den Rechtsstaatsmaßstab dieser beiden Staaten relativierten oder sie gar dazu aufforderten, die Menschenrechtskonvention des Europarates zu verletzen, wären nicht akzeptabel. An dieser Stelle muss Deutschland klar an der Seite dieser beiden Staaten stehen. Wie diese mit Asylanten und Flüchtlingen umgehen, ist deren souveräne Entscheidung und darf auf keinen Fall eine Bedingung für die Aufnahme in die NATO sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese beiden Staaten werden die NATO stärken. Sie sind ein echter Gewinn für das Bündnis. Sie bringen Streitkräfte in die Phalanx des Bündnisses ein, die erfahren, modern und schlagkräftig sind. Sie geben der Verteidigung und Abschreckung an der Ostflanke des Bündnisses mehr Tiefe, Stärke und Glaubwürdigkeit. Davon profitiert auch Deutschland.
Und der Beitritt sendet ein Zeichen an Präsident Putin. Er hat das erreicht, was er immer verhindern wollte: Er hat den Westen, er hat die NATO geeint. Er hat die NATO so stark gemacht, so attraktiv, wie sie es seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr war. Er ist damit als neuer Zar gescheitert. Der Ostseeraum, an dessen Rand in Deutschland ich selber lebe, steht geschlossen gegen diese Ambitionen Putins. Er ist zu einem Raum von Staaten geworden, die die demokratischen Werte teilen, die sich zusammengeschlossen haben, um diese Werte und ihre Gesellschaften zu schützen.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deswegen: Es ist ein Grund zur Freude, zum Feiern. Willkommen Finnland! Willkommen Schweden! Wir bekräftigen hier und heute: Wir stehen an eurer Seite, und wir sind stolz, dass ihr auch zukünftig an unserer Seite stehen werdet.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächstes hat das Wort für die Bundesregierung die Bundesministerin Christine Lambrecht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Retrieved from | http://dbtg.tv/fvid/7538302 |
Electoral Period | 20 |
Session | 48 |
Agenda Item | Gesetzentwurf NATO-Beitritt Finnland und Schweden |