Jürgen HardtCDU/CSU - Gesetzentwurf NATO-Beitritt Finnland und Schweden
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass die Exzellenzen heute hier auf der Besuchertribüne Platz genommen haben. Ich gratuliere Michael Roth und Thomas Erndl, die im Auswärtigen Ausschuss dafür gesorgt haben, dass wir unsere Beratungen in Anwesenheit der Botschafterin und der Gesandten vollziehen konnten. Sie hätten für Fragen zur Verfügung gestanden; aber wir hatten keine Fragen, weil dem Wunsch der Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO positiv zu entsprechen, für die breite Mehrheit hier im Haus so offensichtlich und so eindeutig ist, dass Sie sicher sein können, heute in Ihre Hauptstädte zu kabeln: Bundestag – heute Vormittag –, Bundesrat – heute Mittag – stimmen zu. – Deutschland ist eines der ersten Länder, die den Beitritt ratifizieren; und darauf können wir stolz sein.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Was muss passiert sein, dass die Völker eines Landes wie Schweden, das 1814, glaube ich, das letzte Mal Krieg geführt hat und seit über 200 Jahren neutral ist, und eines Landes wie Finnland, das trotz der bitteren Erfahrungen im 20. Jahrhundert über fast acht Jahrzehnte seine Neutralität gewahrt hat, jetzt zur Entscheidung kommen, der NATO beitreten zu wollen? Es ist die Zeitenwende, die Putin durch seinen brutalen, völkerrechtswidrigen Angriff gegen die Ukraine ausgelöst hat, der die Welt und unsere Sicht auf den Frieden in Europa leider auf dramatische Weise verändert hat. Deswegen ist das ein guter und ein wichtiger Schritt für uns alle. Wir als EU, in der wir sowieso eine Beistandsverpflichtung innerhalb des EU-Vertrages haben, können im Übrigen nur dankbar sein, dass die NATO jetzt auch ihre Schwingen über Schweden und Finnland ausbreitet, was den militärischen Schutz angeht.
Von Hobbyhistorikern unterschiedlichster Qualität ist hier die Geschichte bemüht worden. Es ist vor allem das Narrativ Putins verbreitet worden, die NATO sei in irgendeiner Weise eine Bedrohung für Russland. Wenn es so wäre, dass die NATO eine Bedrohung für Russland darstellen würde, würde Putin wohl kaum einen großen Teil seiner Streitkräfte in diesen brutalen Abnutzungskrieg gegen die Ukraine stecken, menschenmordend und materialzerstörend. Dann würden seine Generale ihm sagen: Du kannst dich doch nicht an anderen Teilen deines Landes so entblößen; die NATO steht mit ihren Waffen an der Grenze. – Er weiß ganz genau, dass die NATO keine Bedrohung für Russland darstellt. Genau deshalb kann er sich erlauben, kann er sich leisten, einen großen Teil dieser Streitkräfte in dieser vergleichsweise strategisch unwichtigen Region der Ukraine einzusetzen. Insofern ist das für mich eine klare Widerlegung der These, die hier vorgetragen wird, die NATO sei eine Bedrohung für Russland. Wir sind keine Bedrohung für Russland.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist doch naiv! Was eine Bedrohung ist, entscheiden doch nicht wir!)
Finnland und Schweden nehmen das Recht auf freie Bündniswahl in Anspruch, das in der Charta von Paris 1990 festgeschrieben ist, im Übrigen auch in der NATO-Russland-Grundakte, die Präsident Jelzin für Russland mitunterzeichnet hat. Russland selbst nimmt das Recht auf freie Bündniswahl immer wieder für sich in Anspruch, siehe Eurasische Wirtschaftsunion, militärischer Beistandspakt mit anderen Staaten Zentralasiens und der Umgebung. Das haben wir immer akzeptiert und toleriert, weil wir sagen: Das Recht auf freie Bündniswahl steht auch Russland zu, aber es steht eben genauso auch Schweden, Finnland, der Ukraine, Georgien und Moldau zu. Auch das müssen wir an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch ich blicke mit einer gewissen Sorge auf die harten Diskussionen mit der Türkei. Ich stelle fest, dass Schweden und Finnland in keiner Weise gegen eigene Verfassungs- oder Rechtsgrundsätze oder gegen Rechtsgrundsätze der EU oder des Europarates verstoßen werden, wenn sie jetzt ihre Rechtsordnung anpassen an das, was in anderen Staaten Europas – zum Beispiel bei uns – mit Blick auf Terrorismus geboten ist. Ich setze darauf, dass die Türkei das Signal, dass andere Staaten schnell ratifizieren, auch sieht und erkennt und dass auch die türkische Regierung schnell diesen entsprechenden Ratifizierungsschritt unternimmt. In diesem Sinne soll das heute auch eine Ermutigung an die Türkei sein.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Michael Roth.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538308 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 48 |
Tagesordnungspunkt | Gesetzentwurf NATO-Beitritt Finnland und Schweden |