08.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 48 / Tagesordnungspunkt 29

Thomas JarzombekCDU/CSU - Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland (IPCEI Health)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Apotheke der Welt, so hat man Deutschland genannt. Vor 120 Jahren wurde der Grundstein gelegt für eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, eine medizinische, aber auch eine industrielle.

Wo stehen wir heute? Anfang des Monats wurde von EY eine neue Studie veröffentlicht. Zum ersten Mal ist kein deutsches Unternehmen mehr unter den 100 wertvollsten Unternehmen der Welt. Und unsere Leitindustrie, die Automobilwirtschaft, wird gerade schwer herausgefordert. Auch viele andere Industrien, die unseren Wohlstand heute tragen, basieren auf Innovationen von vor über 100 Jahren.

Meine Damen und Herren, wir müssen daran arbeiten, den Wohlstand auch für die nächsten Jahrzehnte zu sichern. Man kann es auch so sagen wie der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers: Wir können nicht davon leben, dass wir uns alle gegenseitig die Haare schneiden. – So wichtig der Dienstleistungssektor ist, wir müssen auch ein Standort bleiben, der Technologie, Spitzentechnologie beherrscht.

Gerade wenn wir auf die Biotechnologie gucken, haben wir wirklich etwas vorzuweisen. BioNTech, gegründet von Ugur Sahin und Özlem Türeci, eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, hat im letzten Jahr 0,5 Punkte zum Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts beigetragen. 1 Milliarde Euro Gewerbesteuer für den Standort Mainz. Wenn dort jetzt in Schulen investiert wird und Klimaschutzprogramme aufgelegt werden, dann ist die Ursache dafür Biotechnologie und der Erfolg von BioNTech. Aber vor allem hat das Unternehmen diesen so wichtigen Impfstoff gegen Corona gebracht. Wir haben mit CureVac einen zweiten deutschen Start-up mit einer Marktkapitalisierung von fast 3 Milliarden Dollar. Wir haben zwei Unternehmen endlich wieder in die internationale Spitzenliga von Technologie gebracht. Es ist ein Beitrag zur technischen Souveränität Deutschlands.

Die Möglichkeiten gehen noch viel weiter. Bei mRNA hat man an Krebsbekämpfung gedacht und auch an die Bekämpfung von Autoimmunkrankheiten. Wir haben im Haushaltsverfahren beantragt, zur Bekämpfung der Autoimmunkrankheiten einen Wettbewerb für neue Therapieansätze durchzuführen. Die Regierung hat das leider abgelehnt. Ich glaube, dass viele Menschen in diesem Land, die erkrankt sind, die Sorge vor Krebs haben, die Multiple Sklerose und anderes haben, viele Hoffnungen in diese medizinischen Entwicklungen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber, meine Damen und Herren von der Bundesregierung: Haben Sie die auch? Das ist die Frage, um die es heute geht.

Im Antrag steht ein kryptischer Name: IPCEI. Worum handelt es sich hier? Es ist ein Projekt von großem gemeinsamem europäischen Interesse. Was heißt das konkret? Bei bestimmten Technologien – Batteriezellfertigung, Halbleiter – werden private Investitionen mit staatlichen Mitteln gefördert. Konkret geht es hier um 500 Millionen Euro als Beitrag Deutschlands zu diesem gemeinsamen Projekt. Wir waren die Initiatoren. Das Verrückte ist: Am 3. März haben 16 Staaten dieses Projekt gezeichnet, Frankreich sogar mit 1,5 Milliarden Euro. Deutschland hat offensichtlich keine halbe Milliarde Euro mehr für Medizin und Biotechnologie. Ich finde das bitter.

Ich hatte eigentlich gehofft, dass sich diese Debatte heute dadurch erledigt, dass die Regierung doch so klug ist, diese Investitionen zu tätigen; denn Geld ist da im Haushalt. Zeitgleich werden 6,8 Milliarden Euro an ein einzelnes Unternehmen, an Intel gegeben für globale Produkte aus globaler Entwicklung. Das Verhältnis erschließt sich mir, ehrlich gesagt, nicht. Dass wir für die vielen neuen Unternehmen in der Biotechnologie nicht einmal eine halbe Milliarde Euro übrig haben!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch die Wirtschaftsministerkonferenz – auch die grünen und sozialdemokratischen Wirtschaftsminister – hat vor wenigen Tagen beschlossen, dass es wichtig ist, diesen Beitrag zu leisten. Frau Bundesministerin – Herr Bundesminister ist nicht da –, nehmen Sie sich das bitte zu Herzen. Es ist wirklich wichtig. Aber es passt leider auch ins Bild: Das so wichtige Innovationsprogramm für den Mittelstand mit fast 1 Milliarde Euro liegt seit Oktober brach. Der Antragsstopp besteht immer noch und wir wissen nicht, ob es dieses Jahr überhaupt Mittel gibt. Die industrielle Gemeinschaftsforschung ist nicht da, wo sie sein müsste. Der DeepTech Future Fonds hat noch keine einzige Investition gezeichnet. Der Wachstumsfonds ist nicht geschlossen mit 1 Milliarde Euro. Der Sovereign Tech Fund wurde runtergedampft. Bei GAIA-X gibt es kaum Mittel. Alle wichtigen technischen und Forschungsprojekte im Wirtschaftsministerium liegen brach. Wäre Minister Habeck hier, ich hätte ihm zugerufen: Herr Minister, Forschung ist auch Thema des Wirtschaftsministers, und Sie müssen hier handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen aber auch ein größeres Interesse im Forschungsbereich. Die vielen Transfervorhaben aus unserer exzellenten Spitzentechnologie finden nicht statt. Sie haben sich, Frau Ministerin Stark-Watzinger, auf das Thema einer Transferagentur gestürzt. Die ist bis heute nicht da. Auch im neuen Haushalt gibt es wieder Sperren, und es werden Konzepte eingefordert. Dabei liegen doch die Vorschläge ganz klar auf dem Tisch.

Wir haben auch erfolgreiche Programme aus der Vergangenheit. Ich will mal eines nennen: GO-Bio. Ich habe gerade noch mit einem der Investoren in Biotech gesprochen, der gesagt hat: Wir hätten diese Investition nie gemacht ohne GO-Bio. Es ist ein wichtiges Programm zur Verifikation.

Wir haben schon in der letzten Debatte über das gesprochen, was in München mit Unternehmertum passiert. Das ist ein Best-Practice-Modell, um aus Technologie erfolgreiche Unternehmen zu bauen.

Das Angebot liegt auf dem Tisch. Frau Ministerin, nehmen Sie es doch endlich an und skalieren Sie das.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn am Ende bedeutet Politik eben, Prioritäten zu setzen. Ich sehe in der Forschungspolitik: Sie haben eine Priorität gesetzt. In Ihrem ersten Amtsjahr haben Sie uns mit zwei BAföG-Novellen beglückt. Das scheint Ihr Schwerpunkt zu sein. Ich finde wichtig, Frau Ministerin: Setzen Sie endlich den Schwerpunkt auf Forschung, Technologie und Transfer. Oder um es mit den Worten eines Ihrer Fraktionskollegen zu sagen: Ran an den Speck, Frau Ministerin!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächste Rednerin: aus der SPD-Fraktion Lena Werner.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538322
Wahlperiode 20
Sitzung 48
Tagesordnungspunkt Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland (IPCEI Health)
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