08.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 48 / Tagesordnungspunkt 29

Gerald UllrichFDP - Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland (IPCEI Health)

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn ausdrücklich begrüßen, dass auch die Unionsfraktion inzwischen gelernt hat, dass der Biotechnologiesektor ein wirklicher Innovationssektor ist. Das schien mir bisher noch nicht so.

Was Sie jedoch bisher noch nicht gelernt haben: Auch in der Opposition gilt eine sinnvolle Haushaltsführung. Wenn Sie 500 Millionen Euro umschichten wollen, dann muss in Ihrem Antrag auch stehen, wo Sie denn das Geld an anderer Stelle kürzen wollen. Das ist nicht geschehen. Unsere Haushaltspolitiker – das muss ich ganz ehrlich sagen – hätten uns solch einen Antrag nicht durchgehen lassen. So einfach ist das.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Sie hatten in den letzten Jahren genügend Zeit und auch die Gelder aus der Schuldenaufnahme – Sie haben ja reichlich Schulden gemacht –, um einen gezielten Fonds zu schaffen. Das ist nicht passiert.

(Beifall des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP])

Stattdessen haben Sie vor allem auf die existierenden Technologieunternehmen gesetzt. In der Tat, BioNTech ist eine Erfolgsgeschichte. Aber in Ihrem Antrag steht kein Wort zu CureVac; nicht mit einer Silbe erwähnen Sie dieses Unternehmen. Immerhin hat der CDU-Wirtschaftsminister Altmaier seinerzeit 300 Millionen Euro an Steuergeldern für Anteile am Unternehmen ausgegeben.

(Manfred Todtenhausen [FDP]: Was ist daraus geworden?)

Was ist aus diesen Geldern geworden? Wenn wir dazu noch die reinen Fördergelder nehmen, dann sind wir ziemlich schnell bei den 500 Millionen Euro, die Sie ja jetzt offensichtlich suchen.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Haben Sie mal geschaut, wie viel CureVac wert ist an der Börse?)

Wenn man bedenkt, dass Sie jetzt 500 Millionen Euro für die ganze Branche fordern, frage ich mich, ob das überhaupt sinnvoll ist oder ob das nicht nur ein Mitnahmeeffekt ist. Hätten Sie die 300 Millionen Euro, die Sie an CureVac gegeben haben, stattdessen in einen Förderfonds gesteckt, dann wären wir jetzt schon ein ganzes Stückchen weiter.

Insgesamt wollen Sie 2 Milliarden Euro durch die Teilnahme am IPCEI Health mobilisieren. Ich muss Ihnen sagen, dass diese Hebelwirkung von eins zu drei, von der Sie ausgehen, meiner Meinung nach zu hoch gegriffen ist.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Hier wird systematisch die Wahrheit verdreht!)

Bei IPCEI für Halbleiter haben wir einen solchen Hebel jedenfalls nicht erreicht.

Wir dürfen nicht glauben, dass wir mit einem IPCEI alleine den Anschluss finden. Sie haben das Problem ja teilweise richtig erkannt. Wir benötigen mehr Venturecapital und vor allem mehr privates Kapital. Wir sehen auch, dass wir besonders in allen Deep-Tech-Bereichen aufgrund der sehr langen Forschungs- und Investitionszeiten, die ja heute schon angesprochen wurden, Probleme haben.

Als Ampel sind wir schon dabei, hier Lösungen zu entwickeln. Die Start-up-Strategie der Bundesregierung soll ja gerade den Start-ups in der Wachstumsphase bessere Möglichkeiten für Venturecapital eröffnen. Wir sollten aber nicht für jeden Wirtschaftszweig jeweils einen eigenen Fonds auflegen. Das ist ineffizient und verhindert am Ende auch Innovationen. Der generelle Fonds für den Deep-Tech-Bereich wird natürlich auch den Biotech- und Pharmasektor abdecken.

Außerdem wollen wir das Gründen deutlich vereinfachen, damit sich die Gründer mehr auf ihre eigentlichen Tätigkeiten konzentrieren können und weniger auf Bürokratie und Formulare.

Ich muss einen kleinen Widerspruch in Ihrer Argumentation ansprechen. Sie wollen durch die Teilnahme am IPCEI die europäische Forschung und Entwicklung stärken. Gleichzeitig sollen außereuropäische Investoren leichter Zugriff auf europäische Start-ups erhalten. Das verstärkt letztlich aber wieder die Abwanderung; denn die grundlegende Problematik ist doch: Wenn das Venturecapital aus dem Ausland kommt, folgt der Börsengang in den meisten Fällen auch im Ausland. Das soll auf gar keinen Fall heißen, dass wir Angst haben vor ausländischem Kapital.

Sie von der Union sprechen in Ihrem Antrag auch viel von Rahmenbedingungen. Bundesfinanzminister Lindner hat hierzu vor wenigen Wochen die Eckpunkte für das Zukunftsfinanzierungspapier vorgelegt. Hiermit, meine Damen und Herren, werden wir privates Kapital unter anderem auch für den Bereich Biotech entfesseln, auch aus dem europäischen Raum. Börsengänge in Deutschland werden vereinfacht, und es wird die Möglichkeit für Mehrstimmrechtsaktien geschaffen.

Das sind Rahmenbedingungen, die wir hier vor Ort brauchen, genau wie die bessere Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten; das erachte ich als ein A und O zur Erforschung neuer Medikamente. Frankreich und Spanien haben hier bereits DSGVO-konforme Möglichkeiten geschaffen. Wir sollten hier nicht zögern und nachlegen. So etwas, werte Union, versteht man unter „Rahmenbedingungen für die Wirtschaft“,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

nicht das Schaffen von Fonds allein.

Danke.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ullrich. – Nun hat der Kollege Nobert Altenkamp, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538332
Wahlperiode 20
Sitzung 48
Tagesordnungspunkt Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland (IPCEI Health)
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