Natalie PawlikSPD - Aktuelle Stunde - Konsequenzen aus dem Paritätischen Armutsbericht 2022
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei der Linksfraktion für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde bedanken; denn dies gibt uns allen die Gelegenheit, über das wichtige Thema der Armutsbekämpfung und über die Maßnahmen der Bundesregierung zu sprechen.
Die Ergebnisse des Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sind erschreckend. 13,8 Millionen Menschen in Deutschland sind laut dem Bericht arm. Das ist ein erschütternder Rekord. In Armut zu leben, bedeutet, am Ende des Monats entscheiden zu müssen, ob der Kühlschrank oder der Tank leer bleibt. Es ist das Gefühl der Angst trotz mehrerer Jobs, den Briefkasten zu öffnen, weil darin die nächste Mahnung liegen könnte. Armut bedeutet, dass Kinder nicht zu Kindergeburtstagen gehen können, weil kein Geld für ein Geburtstagsgeschenk vorhanden ist. Armut macht krank, Armut schafft Leid, und Armut zerstört Potenziale. Das muss ein Ende haben, Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
In den letzten Jahren haben wir mehrere Krisen hintereinander erlebt. Sei es die Coronapandemie oder der schreckliche Angriffskrieg auf die Ukraine, all das führt zu höheren Lebensmittelpreisen und zu höheren Energiepreisen. Das wirkt sich natürlich auch auf unsere Gesellschaft aus. Daher haben wir in den letzten Jahren durch viele, teilweise aufeinanderfolgende Maßnahmenpakete die Menschen in diesen akuten Krisen besonders unterstützt:
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Mit 100 Milliarden!)
mit Hilfen in Milliardenhöhe für Familien, für Selbstständige, für Unternehmen, für Menschen im Leistungsbezug, für Azubis und Studierende. Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld und die Coronaeinzelhilfen haben uns durch die Coronapandemie gebracht und dafür gesorgt, dass gerade in diesen Zeiten der Arbeitsmarkt bis heute stabil geblieben ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Unsere erst kürzlich beschlossenen Entlastungspakete – ich nenne hier den Einmalbonus für Kinder, die 200-Euro-Einmalzahlungen für Menschen im Leistungsbezug, den Heizkostenzuschuss, die Rentenanpassung sowie die Erhöhung des Mindestlohns – fangen jetzt erst an zu wirken. Die strukturellen Probleme von Armut lösen wir aber nicht allein durch Einzelmaßnahmen; wir müssen das Problem bei der Wurzel packen.
Das Armutsrisiko in unserer Gesellschaft ist ungleich verteilt. Es gibt Gruppen, bei denen die Wahrscheinlichkeit, in Armut zu geraten, höher ist. Es gibt Unterschiede in den Bundesländern und den Regionen. Auch das bestätigt der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Besonders von Armut betroffen sind Kinder und Jugendliche sowie Rentnerinnen und Rentner. Die drittstärkste Gruppe – darauf hat meine Kollegin Wissler hingewiesen – umfasst die Erwerbsarmut, auf die ich mich besonders beziehen möchte. Das sind Menschen, die tagtäglich früh aufstehen, hart arbeiten und am Ende von ihrem Lohn doch nicht leben können. Das darf nicht sein, Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Marcus Faber [FDP])
Selbstständige sind unter den Erwerbstätigen in Armut mit 13,1 Prozent besonders hart betroffen, aber auch unter den abhängig Beschäftigten steigen die Armutszahlen.
Der Kampf gegen prekäre Beschäftigung, der Einsatz für gute Arbeit und faire Löhne, von denen die Menschen auch gut leben können, das ist und bleibt das nachhaltigste Mittel gegen Armut. Im Oktober steigt der Mindestlohn auf 12 Euro. Zum 1. Juli ist er auf 10,45 Euro erhöht worden. Gerade bei denen, die viel arbeiten, aber wenig Geld haben, ist das eine Lohnerhöhung von bis zu 20 Prozent.
Die Erhöhung des Mindestlohns ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Erwerbsarmut.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Wir werden zudem aber auch die Tarifbindung stärken und die Mitbestimmung voranbringen; denn Schutz vor Armut trotz Erwerbstätigkeit besteht durch eine hohe Tarifbindung. Mit der Konzertierten Aktion, zu der der Kanzler Anfang dieser Woche geladen hat, haken wir alle Akteurinnen und Akteure auf dem Arbeitsmarkt unter und suchen gemeinsam nach Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Ich bin Olaf Scholz sehr dankbar für diese Kraftanstrengungen.
(Beifall bei der SPD)
Um Armut nachhaltig zu bekämpfen, müssen wir das Problem an der Wurzel packen. Eine Gesellschaft ohne Armut ist keine Utopie, sondern ein sozialdemokratisches Projekt. In der Ampelkoalition handeln wir akut durch Einzelmaßnahmen. Wir gehen jedoch auch mit dem Mindestlohn, der Kindergrundsicherung, dem Bürgergeld und vielem mehr ganz konkret an die Ursachen von Armut heran. Genau auf diesen Zweiklang kommt es jetzt an.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Ottilie Klein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538418 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 48 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Konsequenzen aus dem Paritätischen Armutsbericht 2022 |