06.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 49 / Einzelplan 20

Dennis RohdeSPD - Allgemeine Finanzdebatte

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Middelberg, mit Verlaub: Der Ton Ihrer Rede hat in Teilen an eine andere Fraktion in diesem Hause erinnert. Ich hoffe, dass das nicht Standard hier wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der AfD)

Und noch etwas: Der Beginn Ihrer Rede, wo Sie über Zinsbelastungen und Schulden gesprochen haben, wäre gut gewesen, wenn Sie eine komplett neue Fraktion im Deutschen Bundestag gewesen wären, die noch nie Regierungsverantwortung hatte.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Dieser Staat hat 1,5 Billionen Euro Schulden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die meiste Zeit regiert. Wenn Sie mit dem Finger auf andere zeigen, zeigen mindestens vier Finger auf Sie zurück.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gab in den letzten Tagen eine gute Nachricht: Die Füllstände unserer Gasspeicher haben die wichtige Marke von 85 Prozent erreicht. Das ist nur möglich gewesen, weil die Regierung in den letzten Monaten besonnen reagiert hat und nicht dem Aktionismus einiger verfallen ist, die im März schon alle Gasleitungen nach Osten dichtmachen wollten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Uns würden Gigawattstunden an Gas fehlen, und das wäre fatal für dieses Land gewesen. Ich bin dieser Bundesregierung dankbar, dass sie das Problem, vor dem wir stehen, nicht noch multipliziert hat, sondern so besonnen reagiert hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Michael Schrodi [SPD]: Andere hätten das nicht gemacht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir alle, jede Bürgerin, jeder Bürger, hätte sich ein bisschen Ruhe nach der Pandemie gewünscht. Wir alle hätten uns gewünscht, dass nach den zwei sehr intensiven Krisenjahren jetzt ruhigere Zeiten kommen. Aber einmal mehr wurden wir mit einer neuen Realität konfrontiert. Ich glaube, wir sollten an diesem Punkt den Blick zurückwerfen und schauen, wie wir die letzten Krisen bewältigt haben.

2008/2009 ist dieses Land in eine große Finanz- und Wirtschaftskrise geraten. Es ist nicht aus dieser Krise herausgekommen, indem der Staat gefragt hat: „Wer kann das Problem lösen? Ist jemand bereit, es anzugehen?“, sondern indem der Staat selbst das Heft des Handelns in die Hand genommen hat:

(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

weil wir das Kurzarbeitergeld ausgewiesen haben, weil wir die Spareinlagen sichergestellt haben. Damals hat uns ein starker Staat aus dieser Krise geholfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als 2020 die Coronapandemie über uns hereinbrach, hat der Staat wieder nicht gefragt: „Wer kann uns denn helfen? Wer handelt denn, damit Arbeitsplätze und Wirtschaft erhalten bleiben?“, sondern es war wieder ein starker Staat, der gehandelt hat, der Rettungspakete in noch nie dagewesener Größenordnung geschnürt hat, der Kurzarbeitergeld mobilisiert hat.

(Peter Boehringer [AfD]: All diese Milliarden aus dem Fenster geworfen für nichts und wieder nichts!)

Wieder war es ein starker Staat, der uns durch diese Krise gebracht hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Peter Boehringer [AfD]: Das war verheerend!)

Und das, was uns durch die letzten Krisen gebracht hat, das muss auch Blaupause für diese Krise sein. Ich sage auch für die Fraktion der SPD: Wir brauchen jetzt wieder einen starken Staat, der die Bürgerinnen und Bürger nicht alleinlässt. Nur gemeinsam kommen wir stark durch diese Krise!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christoph Meyer [FDP])

Wir brauchen jetzt einen Staat, der, wie auch in den letzten beiden Krisen, bereit ist, Jobs und Arbeitsplätze zu sichern, aber auch einen, der bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern angesichts der explodierenden Energiepreise zur Seite zu stehen. Und genau das tun wir in den letzten Monaten, genau das tun wir seit Kriegsbeginn. Und genau das hat die Koalition am Wochenende mit dem nächsten Entlastungspaket vorgelegt.

Wir haben erneut Direktzahlungen vereinbart: an die Rentnerinnen und Rentner, an die Studierenden,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da musste man euch aber zum Jagen tragen!)

um zumindest einen Teil der Mehrkosten aufzufangen. Wir nehmen Familien in den Blick durch ein höheres Kindergeld und einen höheren Kinderzuschlag – ein wichtiges Signal an alle Familien in diesem Land!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nichts davon kommt bei Hartz-IV-Beziehern an! Nicht ein Cent!)

Wir weiten das Wohngeld massiv aus. Wir machen das kurzfristig, aber es ist auch langfristig angelegt, um abzuwenden, dass Menschen, die jetzt finanziell schon sehr knapp dran sind, in eine existenzbedrohende Situation kommen. Auch das ist ein wichtiges Signal eines starken, eines handelnden Staates, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich finde die Debatte um die CO2-Abgabe, die einige Wissenschaftler gerade führen, auch sehr spannend. Wir haben gesagt: Die CO2-Abgabe ist dafür da, eine Lenkungswirkung zu entfalten. – Aber in Zeiten immens hoher Energiepreise ist es richtig, zu sagen: Die Erhöhung setzen wir aus; die verschieben wir erst mal, weil die Preise schon so hoch sind. – Wenn dann Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einem fatalen Signal sprechen und die Lenkungswirkung als abhandengekommen ansehen, dann frage ich mich, in welcher Wirklichkeit die leben. Jetzt geht es darum, Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Bund, auch wenn es verfassungsrechtlich nicht unsere Aufgabe ist, sind bereit, einen Nachfolger für das 9‑Euro-Ticket mitzufinanzieren. Aber an der Stelle liegt die Betonung auf „mitfinanzieren“. Wir sind bereit, 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe, dass die Länder da mitmachen und wir gemeinsam ein erfolgreiches Nachfolgeticket auf den Weg bringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben uns gemeinsam mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auf eine Einmalzahlung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verständigt, die komplett steuer- und abgabefrei ist. Auch das ist ein wichtiges Signal.

Und ja, das alles wird Geld kosten. Das alles wird den Bundeshaushalt belasten. Das alles wird die Länderhaushalte belasten. Das alles wird den Klima- und Transformationsfonds belasten. Da kommt eine große Finanzierungsaufgabe auf uns zu. Aber ich finde, es gilt genau dasselbe, was 2008 und 2009 gegolten hat; es gilt genau dasselbe, was 2020 und 2021 gegolten hat: Wenn wir jetzt nichts tun würden, dann würde es für den Staat am Ende wesentlich teurer werden. Und dann würde es auch für die Bürgerinnen und Bürger wesentlich teurer werden. Wir müssen jetzt handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir schieben die Finanzierung eben nicht in die Zukunft. Wir erleben das ja gerade auf dem Strommarkt. Dort ist aufgrund der Marktmechanismen, dadurch, dass der Strompreis deutlich nach oben geht, gerade die Situation entstanden, dass Unternehmen, die zum Beispiel Billigstrom aus Erneuerbaren einkaufen können, nun Milliardenumsätze bzw. ‑gewinne machen.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das Angebot stimmt nicht! Das ist das Problem!)

Wir sagen jetzt eben nicht: Wir kompensieren das, indem der Bund einspringt und neue Schulden macht, die dann vielleicht ab 2028 von den nachfolgenden Generationen bezahlt werden müssen. – Vielmehr ist uns klar: Wer Zufallsgewinne in einer Krise macht, der muss sie auch zur Verfügung stellen, damit der Strompreis nicht durch die Decke geht. Auch das ist soziale Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Otto Fricke [FDP] – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

Noch etwas gehört zur Wahrheit – das ist gerade zu Recht angesprochen worden –: Die Inflation treibt natürlich auch die Umsatzsteuereinnahmen des Bundes in die Höhe. Ich glaube, die Menschen haben ein sehr feines Gefühl dafür, ob wir dazu, was wir von anderen fordern, nämlich bereit zu sein, ihre Übergewinne wieder zurückzugeben, auch selbst bereit sind. Deshalb ist es richtig, dass der Bund sagt: Das, was wir an Mehrwertsteuermehreinnahmen haben, das, was wir quasi als Zufallsgewinne, als Übergewinne haben, das geben wir an die Bürgerinnen und Bürger zurück.

Angesichts dessen, was ich jetzt von dem einen oder anderen Ministerpräsidenten höre, zum Beispiel von Herrn Wüst aus NRW, muss ich sagen: Ich finde, dasselbe gilt auch für die Landeshaushalte. Die Länder bekommen nämlich 52 Prozent dieser Einnahmen. Auch sie haben an dieser Stelle eine Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Bundeshaushalt 2023 ist im Volumen um rund 50 Milliarden Euro geringer als der für dieses Jahr. Wenn andere regiert und das getan hätten, was sie beim letzten Haushalt gefordert haben, nämlich die Rücklage komplett aufzulösen, dann hätten wir jetzt die Situation, dass es nicht 50 Milliarden Euro wären, sondern 90 Milliarden Euro. Nur weil wir über Jahre dafür gesorgt haben, dass wir die Rücklage dann einsetzen können, wenn wir die Schuldenbremse wieder einhalten, schaffen wir es, eine soziale Abbruchkante in diesem Land zu verhindern. Die vorausschauende Politik der letzten Jahre zahlt sich heute aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir stehen vor Haushaltsverhandlungen, die erneut mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Wir wissen nicht, wie sich die Zinsen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln werden. Wir wissen nicht gesichert, wie sich die Inflation, wie sich das Wirtschaftswachstum unseres Landes entwickeln werden. Wir wissen nicht, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln und was sich demzufolge in den Sozialversicherungssystemen abspielen wird. Wir werden eventuell auf weitere Dinge reagieren müssen, zum Beispiel auch im internationalen Kontext.

Deshalb sage ich für unsere Fraktion: Wir sind bereit, in den Haushaltsverhandlungen der nächsten Monate auch auf die sich verändernden Ausgangslagen zu reagieren. Am Ende muss die Botschaft sein: Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger nicht allein. Nur gemeinsam sind wir in dieser Krise stark. Das muss in den nächsten Wochen über allem stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Primäre Aufgabe ist es, dieses Land gut durch die Krise zu bekommen. Das ist Schwerpunkt der nächsten Wochen und Monate. Dafür setzen wir uns ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich erteile das Wort Peter Boehringer, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538543
Wahlperiode 20
Sitzung 49
Tagesordnungspunkt Allgemeine Finanzdebatte
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