Paul LehriederCDU/CSU - Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als Haushälter und Fachpolitiker für den Bereich Familie ist man in Anbetracht der Haushaltsberatungen, die ja diese Woche beginnen, gerade bei diesem Einzelplan immer in einem besonderen Zwiespalt: Unzählige Maßnahmen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen der Menschen – viele davon gut und wichtig – müssen dennoch kritisch bewertet und anschließend solide finanziert abgebildet werden.
Diesen Spagat muss sich jeder zutrauen, der gute Politik für Familien, Frauen, Jugendliche und Senioren machen will. Daran muss sich die Ampel messen lassen. Daran messen Sie die Menschen in unserem Land, aber da ist noch eindeutig Luft nach oben. Dies gilt insbesondere – ich nutze dabei bewusst die Terminologie der Ampel – im Hinblick auf die viel beschworene Zeitenwende.
Ich glaube auch, dass wir momentan in besonders herausfordernden Zeiten leben. Aber dann sind wir doch umso mehr aufgefordert, kritisch zu bewerten, zu hinterfragen, zu priorisieren und Schwerpunkte zu setzen – für unsere Familien, für unsere Frauen, für die Kinder, für die Jugendlichen und für unsere Senioren. Dafür setzt sich die CDU/CSU gerade auch in diesen schwierigen Zeiten ein.
Der hier zur Diskussion vorliegende Entwurf des Einzelplans 17 sieht für das kommende Jahr Ausgaben von 12,9 Milliarden Euro vor. Schauen wir weiter in die Finanzplanung bis zum Jahr 2026, dann sehen wir, dass dieser Haushalt um weitere 1,5 Milliarden Euro anwachsen wird. Berücksichtigt man dabei, dass das Ministerium von den zahlreichen Ankündigungen im Koalitionsvertrag bislang nur sehr wenige umgesetzt hat, dann gehen diese 1,5 Milliarden Euro auf eine sehr zurückhaltende Kalkulation zurück. Sie werden also noch deutlich mehr Geld ausgeben. Dabei ist die Grundsicherung noch gar nicht eingerechnet. Im Hinblick auf eine solide Finanzpolitik und das Einhalten der Schuldenbremse findet hier leider wirklich eine Zeitenwende statt.
Aber bleiben wir zunächst beim Haushalt für das kommende Jahr. Aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Leistungen stehen von diesen veranschlagten 2,9 Milliarden Euro bereits 90 Prozent nicht ohne Weiteres zur Disposition. Sie sind also der Entscheidungsbefugnis des Parlaments aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen längst entzogen. Den größten Posten stellt dabei mit 8,3 Milliarden Euro das Elterngeld dar, das vor allem aufgrund der positiven Entwicklung der Nettolöhne in der Regierungszeit der Union bedarfsgerecht angehoben werden muss. So weit, so gut.
Etwas schwieriger gestaltet es sich hingegen bei den zusätzlich bewilligten Mitteln der „Bundesstiftung Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“, die Sie im zurückliegenden parlamentarischen Verfahren bewilligt haben und die zur Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine im Jahr 2023 nun nicht mehr fortgeschrieben werden. Denken Sie ernsthaft, dass eine Rückkehr der geflüchteten Menschen in die Ukraine noch in diesem Jahr realistisch ist?
Den mit Abstand größten Bock – die Kollegen Breher und Edelhäußer haben darauf bereits hingewiesen – haben Sie allerdings mit der Nichtfortführung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ geschossen, zu dem Sie sich bis zu den Haushaltsberatungen noch vollmundig bekannt haben. Ich glaube, dass hier, nachdem auch die Kollegin Jensen von der FDP erklärt hat: „Wir schreiben jetzt die 50-prozentige Beteiligung ins KiTa-Qualitätsgesetz“, eine vernünftige Behandlung der Problematik angezeigt ist.
Ich glaube, alle, die wir hier sitzen, sind der Auffassung, dass frühkindliche Sprachförderung wichtig ist und auch fortgeführt werden soll. Wir streiten uns nur darüber, wessen Aufgabe das ist. Wir haben vor etwa zwölf Jahren das Bundesprogramm auf den Weg gebracht, um als Initiative deutlich zu machen, was hier möglich ist. Jetzt sagt natürlich die Koalition: Wir wollen diese Aufgabe wieder stärker oder komplett den Ländern zuweisen. – Die Länder werden darauf natürlich unterschiedlich reagieren.
(Nina Warken [CDU/CSU]: So ist es!)
Fakt ist: Wir haben ein Gute-KiTa-Gesetz, in dem keine Quoten stehen, die für die Qualitätssicherung in der Kita tatsächlich aufgebracht werden müssen. Fakt ist: Es gibt Ministerpräsidenten – ich denke da besonders an eine Ministerpräsidentin im Nordosten unseres Landes –, die den größten Teil des Geldes aus dem Gute-KiTa-Gesetz in die Beitragsfreiheit gegeben haben. Werden diese Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in den Ländern tatsächlich zum 1. Januar 2023 die Beitragsfreiheit zurückfahren und sagen: „Jawohl, dafür machen wir jetzt Sprach-Kitas“? Sind Sie so utopisch, so illusorisch, zu glauben, dass sie das machen werden?
Ich bin der Auffassung – Herr Malottki, da sind wir ziemlich nah beieinander –, dass wir eine langgezogene Kurve brauchen. Wir müssen die Länder ins Boot holen. Wenn heute das KiTa-Qualitätsgesetz beschlossen wird – das kann erst nach dem Haushalt beschlossen werden –, dann dauert es geschätzt noch etwa ein Jahr, bis die Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern geschlossen sind. Die Gelder können erst ausgezahlt werden, wenn alle Verwaltungsvereinbarungen in trockenen Tüchern sind.
Das heißt, wir können nicht damit rechnen, dass am 1. Januar 2023 Gelder für das KiTa-Qualitätsgesetz, für die frühe Sprachförderung in den Ländern zur Verfügung stehen. Egal wer der Bürgermeister ist, egal wie die Kitaleitung ist: Wir lassen die momentan laufenden Verträge am 31. Dezember 2022 auslaufen und wissen nicht, wie es am 1. Januar 2023 weitergeht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: So ist es! Genau so ist es!)
Da geht mein Appell an Sie: Lassen Sie uns darüber noch mal reden. Sönke Rix hat ja als alter Fahrensmann den Weg eben schon aufgezeigt. Lassen Sie uns noch mal darüber reden, wie wir da eine Brücke bilden können, bis wir die Länder ins Boot geholt haben.
Ich sehe hier irgendwo in der Mitte des Saales den Frank Bsirske. Lieber Frank Bsirske, die Kinder, die wir heute nicht fördern, werden durch Sprachdefizite im Kitabereich, im Grundschulbereich, später im Bereich der weiterführenden Schule, in der Ausbildung in 15 Jahren Schwierigkeiten haben. Wir diskutieren mit Krokodilstränen über die Problematik Fachkräftesicherung, und gleichzeitig erlauben wir es uns, Potenziale, die wir bei den Kindern haben, ein Stück weit brachliegen zu lassen.
Herr Kollege Lehrieder.
Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, geht noch mal in euch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir sind gern zu konstruktiven Gesprächen bereit, sodass wir eine langgezogene Kurve bekommen –
Ja.
– ja, sofort, Frau Präsidentin –, um hier die Länder mit ins Boot zu holen. Aber bei einer rechtwinkligen Kurve, also von jetzt auf gleich, kommt man schnell ins Schleudern.
Nicht dass Sie die Kurve nicht kriegen und ich dann den nächsten Rednern was abziehen muss.
Bitte lassen Sie uns die Kurve etwas langgezogener machen.
Ich bedanke mich für die 20 Sekunden, die ich habe überziehen dürfen, Frau Präsidentin.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie können die Uhr lesen. – Jasmina Hostert spricht zu uns für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538577 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 49 |
Tagesordnungspunkt | Familie, Senioren, Frauen und Jugend |