06.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 49 / Einzelplan 16

Franziska KerstenSPD - Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen aus der Sommerpause zurück. Neben Ukrainekrieg und Energiekrise haben wir noch ganz andere Probleme vor uns. Sie haben alle die Bilder von der Oder gesehen, wie dort Helfer Hunderte Tonnen Fisch und anderer Flusslebewesen einsammeln mussten. Es ist eine echte Umweltkatastrophe, und sie ist menschengemacht.

Durch den von uns beschleunigten Klimawandel und den verantwortungslosen Umgang mit Ressourcen haben wir es so weit kommen lassen. Wir haben nicht nur unwiderrufliche Probleme für das Ökosystem geschaffen, sondern es kommen auch soziale und ökonomische Probleme dazu. Ich wäre Herrn Gesenhues sehr dankbar, wenn wir noch mal darüber reden würden, wie wir tatsächlich die Wiederherstellung des Biotops Oder und auch die Fischereibetriebe unterstützen können.

Für mich zeigt das Fischsterben an der Oder vier Dinge:

Erstens. Das Thema Biodiversität bekommt immer noch nicht genügend Aufmerksamkeit. Dabei ist es auf jeden Fall untrennbar mit der Aufhaltung des Klimawandels und mit einer gesunden Umwelt verbunden. Was wir brauchen, ist eine Naturschutzbeschleunigung. Deshalb stehen fast 49 Millionen Euro für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt im Haushaltsentwurf.

Zweitens. Wir müssen in unsere Umweltbehörden investieren. Auch wenn das Fischsterben an der Oder zum großen Teil ein Versagen vonseiten polnischer Behörden darstellt, heißt das nicht, dass wir vor ähnlichen Katastrophen gefeit sind. Das Fischsterben an der Oder ist vielleicht ein Extremfall; aber in Zukunft wird so was häufiger vorkommen können.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Woher wissen Sie das? Sie wissen doch noch gar nicht, was die Ursache ist!)

– Wir wissen die Ursache noch nicht, aber – –

(Lachen des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

– Wenn Sie dazwischenquatschen – ich lasse mich ja nicht gerne ablenken –: Es ist tatsächlich so, dass die Ursachenbegründung noch nicht da ist; sie kommt Ende September. Aber durch ein verringertes Wasserangebot und ein Wachstum von Algen, die toxische Stoffe ausgestoßen haben, ist schon jetzt einzusehen, dass die Ursache absolut menschengemacht sein muss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Aha, das ist ja interessant!)

Es ist aber nicht nur wichtig, Personalstellen vor Ort zu haben, sondern wir brauchen auch bessere Warn- und Meldeketten. Das schaffen wir durch die Stärkung der Behörden und Strukturen vor Ort. Wir brauchen auch auf Bundesebene mehr Leute; denn wir haben wirklich viel vor. Wir wollen den Naturschutz stärken, und dazu brauchen wir Leute, die sich dafür einsetzen und dementsprechend bezahlt werden.

Drittens. Wir müssen zur Erreichung der Ziele im Umweltschutz jetzt wirklich Vollgas geben. Allein für die im Koalitionsvertrag verankerten neuen Themen wie das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, die Meeresoffensive, die Moorschutzstrategie, die Renaturierung von Ökosystemen, die Planungsbeschleunigung für den Ausbau der Erneuerbaren brauchen wir mehr Personal und finanzielle Unterstützung.

Machen wir uns nichts vor: Wir hinken jetzt schon bei einigen Umsetzungszielen der europäischen Umweltschutzgesetzgebung hinterher und müssen nachsteuern, wie bei der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie 2030, der Wasserrahmenrichtlinie, der Nachschärfung des Schutzgebietmanagements und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Auch wird eine vermehrte Überprüfung und Evaluierung unseres Biodiversitätsverlustes auf uns zukommen. Am Ende muss auch mehr Geld in die Naturschutzforschung und in eine verbesserte Datenlage investiert werden.

Vor der Sommerpause haben wir hier im Bundestag den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien verhandelt, inklusive einer Bundesnaturschutzgesetznovelle; sie wurde ja heute von der Opposition gelobt, immerhin. Als Ausgleich für mehr Windräder haben wir das Artenhilfsprogramm aufgesetzt, das die möglichen Verluste bei kollisionsgefährdeten Arten durch Schutzmaßnahmen ausgleichen soll. Es ist absolut wichtig, dass das auch funktioniert.

Nächstes Jahr wird der Bund 14 Millionen Euro zum Ausbau des Programms beisteuern. Die vorgesehenen Bundesmittel in Höhe von 82 Millionen Euro bis 2026 sind angesichts dieser bundesweiten Herausforderungen an Land und auf See nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es müssen in den nächsten Jahren mehr Gelder frei gemacht werden, als jetzt vorgesehen.

Der vierte und letzte Punkt für mich ist, dass Umweltprobleme grenzüberschreitende Probleme sind. Wir müssen in letzter Konsequenz über die nationale Ebene der Gesetzgebung hinausgehen, internationale Artenhilfsprogramme fördern und auf EU-Ebene in Krisenfällen zusammenarbeiten. Denn genau wie sich der Klimawandel nur schwer aufhalten lässt, wird der Artenschwund nicht von allein aufhören. Wir müssen dagegenhalten.

Für die Oder gibt es wahrscheinlich Hoffnung, auch wenn dieses Wochenende schon wieder tote Fische gefunden wurden. Experten haben über ein Dutzend verschiedener überlebender Fischarten gesichtet. Sorgen wir mit unserer Politik dafür, dass solch ein Fischsterben nicht noch einmal passiert!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächster Redner in dieser Debatte ist Uwe Feiler für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538645
Wahlperiode 20
Sitzung 49
Tagesordnungspunkt Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
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