Otto FrickeFDP - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zur Kultur komme ich gleich noch einmal. Kollege Audretsch, ich will zunächst aber darauf hinweisen: Noch steht die Milliarde nicht zur Verfügung, noch muss dieses Parlament beraten, noch müssen wir das im Haushaltsausschuss klären. Und dann müssen wir sehr genau schauen – das ist gerade bei der Kulturmilliarde so wichtig –, wie wir zielgenau an dieser Stelle helfen; denn das wird für den einzelnen Kulturschaffenden eine ganz große Aufgabe sein.
Ich sage das auch für alle, die jetzt hier zuhören und zuschauen: Ja, es gibt im Kulturbereich Bedenken, ob das im Winter wieder geht, ob man zu allen Veranstaltungen gehen kann oder nicht. Aber bitte überlegen Sie an dieser Stelle auch, dass ich jedes Mal, wenn ich es mir bequem mache und sage: „Ich verzichte auf Kultur“, auch einen Teil von Kultur zerstöre, weil nicht die Möglichkeit besteht, dass ein Kulturschaffender, eine Kulturschaffende ihre Kreativität an den Menschen, an die Bürgerinnen, an den Mitbürger bringen kann. Das wird dann eine wichtige Aufgabe in der Kulturpolitik im Herbst, im Winter sein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Haushalt. Meine Damen und Herren, die Schuldenbremse wird eingehalten. Das war etwas, über das viele gesagt haben: Das geht nicht. – Das ist aber kein Zeichen von einem angeblichen Fetisch oder irgendetwas – das sage ich auch in Richtung Linke –; das ist, Frau Mohamed Ali, eine Verfassung, die wir einhalten. Eine Verfassung als „Fetisch“ zu bezeichnen, finde ich schon sehr bemerkenswert; denn das zeigt Ihr Verständnis vom Grundgesetz doch sehr deutlich. – Das war das Erste.
(Beifall bei der FDP)
Das Zweite ist: Wir halten das auch deswegen ein, weil wir Europa und der Welt ein Zeichen geben, dass dieser Staat, auch über die Rettungspakete, versucht, zu helfen, wo er kann, wo er muss, aber gleichzeitig immer im Auge hat, dass er dauerhaft seine Leistungsfähigkeit erhalten will und an spätere Generationen denkt. Dieses Zeichen müssen wir auch geben.
Denn woran liegt denn die Unruhe, die wir alle verspüren, nicht nur bei uns, sondern auch in unserem Freundeskreis, bei Bekannten, bei der Familie, bei Menschen, die auf der Arbeit sind? Sie liegt doch daran, dass wir nicht klar wissen, wie diese Zukunft genau funktionieren wird. Das weiß hier übrigens keiner genau. Deswegen versuchen wir, mit diesem Haushalt und mit diesen Rettungspaketen dafür zu sorgen, dass wir reagieren können. Ich glaube, es ist ein sehr gutes drittes Entlastungspaket, mit dem wir in den Herbst, in die Verhandlungen und dann bis zum 10. November auch in ein Haushaltsgesetz 2023 gehen können. Herzlichen Dank dafür an die Verhandler.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Übrigens, kleine Anmerkung: Ich freue mich sehr, dass die Koalitionsparteien in das Papier deutlich hineingeschrieben haben, dass die Schuldenbremse auch in den Haushaltsberatungen gilt. Auch das ist ein Teil dessen, was wir uns in den nächsten Wochen und Monaten klar vor Augen halten müssen.
Dennoch komme ich auch heute wieder zu der leeren Bank. Es war heute ein Ministerpräsident da. Ich glaube, das lag weniger an der Debatte hier, sondern mehr daran, dass es ein Sommerfest in NRW gibt; aber das sei mal dahingestellt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Dann war er da, als der Oppositionsführer geredet hat, als der Bundeskanzler geredet hat und als die AfD geredet hat. Und als der Koalitionspartner, liebe Grüne aus NRW, geredet hat, ist er gegangen. Ich würde mir mal überlegen, was das dann eigentlich an dieser Stelle zeigt. Es zeigt aber auch etwas anderes: Die Länder haben immer noch nicht verstanden, was in einem föderalen Staat, in dem sie mehr Steuereinnahmen haben als der Bund, Frau Mohamed Ali – mehr Steuereinnahmen als der Bund! –, ihre Aufgabe ist.
Wenn Sie dann sagen: „Die haben ja so viele Belastungen und so viele Schulden“, dann sage ich Ihnen: 2021 hatte der Bund ein Finanzierungssaldo von minus 130 Milliarden Euro; dieses Jahr sind minus 117 Milliarden geplant. Die Länder waren im letzten Jahr beim Finanzierungssaldo – wissen Sie es? minus? nein, es war plus! – im Plus. Die Länder waren im letzten Jahr im Plus.
Wir machen Schulden, um zu helfen, und die Länder sagen: Damit haben wir ganz wenig zu tun. – Wenn der Bund ein Angebot für ein gutes ÖPNV-Ticket macht – wir wollen und wir müssen einen besseren ÖPNV haben –, dann sagen die Länder: Ist ja ein nettes Angebot, aber wir reden doch noch mal darüber;
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
da sind noch mehr Dinge, für die wir zuständig sind.
Und dann immer dieses „Ja, aber die Länder haben so viele Verwaltungsaufgaben und so“! Dann sage ich Ihnen ehrlich, wenn Sie sagen, dass Sie die Länder gegen den Bund verteidigen wollen: Es stimmt: Die Länder haben viele Verwaltungsausgaben, viele Personalausgaben. Aber die Sozialausgaben – das sollten Sie als Linke viel besser wissen – liegen beim Bund. – Wenn ich als Liberaler mit meiner Fraktion und mit dieser Koalition abwägen muss zwischen Verwaltungsausgaben und Sozialausgaben, dann weiß ich, auf welcher Seite diese Koalition steht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bei den Verwaltungsausgaben!)
Meine Damen und Herren, deswegen sage ich auch in Anlehnung an den alten Grundsatz „No taxation without representation“: Man kann das aus Sicht der Länder auch mal anders sagen. Nur der kann mitentscheiden, der auch entsprechend seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung mitbezahlt. Da setze ich auch auf den Bundeskanzler, der ja mal Ministerpräsident war und weiß, welche klebrigen Finger da kommen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Denn es wird bei den Verhandlungen, glaube ich, bei uns noch sehr schwierig werden, zu sagen, wie die Auswirkungen dessen, was die Ministerpräsidenten wollen, auf diesen Haushalt sein werden.
Zum Schluss. Ich will das versöhnlich versuchen zu sagen. Bei „Romeo und Julia“ heißt es im dritten Akt, dritte Szene: „Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden.“ Eines hat doch diese Debatte gezeigt – und das sollten wir als Demokraten den Bürgern damit deutlich machen –: Wir fühlen, was das für Probleme sind; wir sehen, was das für Probleme sind. Das, sage ich, gilt genauso auch für die CDU. Ich weiß nicht, ob es für die beiden extremen Parteien hier gilt. Wir fühlen, was die Mitbürger betrifft, und wir versuchen, die möglichst beste Lösung zu finden. Darüber streiten wir, und nicht darüber, wer schlecht oder böse ist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kerstin Radomski spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzler und Bundeskanzleramt |