Christiane SchenderleinCDU/CSU - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle konnten in diesem Sommer die Kultur wieder genießen. Aber der Schein trügt. Die Kultur befindet sich in einer Dauerkrise. Viele Konzerte sind coronabedingt nachgeholt worden. Sie sind nicht ausverkauft. Auch namhafte Bands wie Revolverheld sagen ihre geplanten Tourneen wieder ab. Es fehlt schlicht und ergreifend an Planungssicherheit. Mit der Aktualisierung des Infektionsschutzgesetzes soll wieder die Möglichkeit bestehen, Personenobergrenzen für das Publikum festzulegen, und genau das schafft diese Unsicherheit.
Der Kulturbereich hat mit unglaublich viel Aufwand Hygiene- und Schutzkonzepte entwickelt. In vielen Fällen trägt sich nur die Vollauslastung. Das heißt: Auch im dritten Coronawinter wird diese Branche weiterhin auf Unterstützung angewiesen sein. Die Kultur leidet unter Long Covid, und niemand hört sie an. Professor Michow vom Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft klagt an – ich zitiere –:
Die Regierung ist derzeit überhaupt nicht bereit, darüber zu verhandeln. Alle Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft stellen derzeit fest, dass die Politik ganz offenbar mit Verbänden nicht mehr reden will.
Unsere Forderung nach Gesprächen mit der Branche wurde im Ausschuss wiederholt ignoriert. Zum wiederholten Male muss ich an dieser Stelle sagen, dass es noch immer keinen Ansprechpartner für die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Bundesregierung gibt.
Zusätzlich verstärkt wird diese aktuelle Situation durch die Energiekrise. Der Deutsche Kulturrat hat die Bundesregierung bereits im Juni aufgefordert, im Haushalt 2023 die Etats für Nebenkosten von Bundeskultureinrichtungen zu erhöhen. Die Forderung blieb ungehört. Stattdessen will man jetzt Restmittel vom Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen zweckentfremden – 1 Milliarde Euro, Geld, das eigentlich für den Ausfall von Kulturveranstaltungen vorgesehen ist. Es ist ganz klar: Sie wollen hier eigenes Versagen verschleiern. Dabei droht im Winter eine Schließungswelle, vor allem bei den kleineren Einrichtungen und Vereinen. Dabei sind Kulturangebote, vor allen Dingen im ländlichen Raum, so wichtig. Deshalb hatten wir in den letzten Haushaltsberatungen fraktionsübergreifend die Mittel für das Zukunftsprogramm Kino aufgestockt. Jetzt fehlt dieses Geld wieder, diese 10 Millionen Euro.
Eine Krise erfordert Krisenmanagement. Doch Sie, Frau Staatsministerin Roth, schweigen. Exemplarisch hierfür steht der Documenta-Skandal. Die Documenta bietet seit Mitte Juni eine Bühne für antisemitische und deutschlandfeindliche Hetze. Judenhass darf nicht mit deutschem Steuergeld finanziert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Erst gestern sprach der israelische Staatspräsident Isaac Herzog hier an dieser Stelle über die historische Verantwortung Deutschlands. Aber statt klar Stellung zu beziehen, schweigen Sie, Frau Roth, genauso wie der Bundeskanzler, wenn der Palästinenserpräsident im Kanzleramt behauptet, Israel habe seit 1947 “50 Holocausts“ an Palästinensern begangen.
(Zuruf von der AfD: Unglaublich!)
Sie dürfen diesen Documenta-Skandal nicht aussitzen. Ja, Sie als Geldgeberin tragen eine Mitverantwortung. Stellen Sie sich dieser Verantwortung! Die 3 Millionen Euro Bundes- und Steuermittel müssen zurückgefordert werden. Künftige Fördermittelzusagen dürfen nur dann erfolgen, wenn eine Distanzierung zur BDS-Bewegung erfolgt ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Judenfeindliche Tendenzen im Kulturbetrieb dürfen nicht länger geduldet werden.
Wir hätten uns auch ein kritisches Wort gewünscht von Ihnen, Frau Roth, als sich Klimaaktivisten an Kunstgemälde in Berlin, Dresden und Frankfurt geklebt haben. Bilder, die zu unserem kulturellen Welterbe gehören, wurden beschädigt. Das ist ein Irrsinn. Wer kommt für diesen Schaden auf?
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Das sind viele erklärte Vorhaben und Ankündigungen der Regierung, aber es gibt kein „Plenum Kultur“, keinen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Medienschaffenden, keinen Ansprechpartner für die Kreativwirtschaft. Wo liegen Ihre Prioritäten? Das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus scheint nicht zu Ihren Prioritäten zu zählen; denn sonst hätten Sie diesen Standort, den der Kulturausschuss schon lange abgelehnt hat, hier nicht vorgeschlagen. Das heißt, die Ampelregierung lässt ihren großen Ankündigungen bisher keine Taten folgen. Dabei wäre es fatal, wenn der bisherige Kurs, nicht an der Kultur zu sparen, aufgekündigt wird. Daher werden wir in den Haushaltsberatungen im Kulturausschuss genau hinsehen. Wir erwarten Antworten auf unsere Fragen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Verena Hubertz hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Anikó Glogowski-Merten [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538685 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzler und Bundeskanzleramt |