Matthias HauerCDU/CSU - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stürzt auch Europa und unser Land in eine schwere Krise. Viele Menschen können die hohen Preise nicht mehr zahlen, vielen Mittelständlern droht der Ruin. In solchen schweren Zeiten hat Deutschland einen Bundeskanzler, dessen Glaubwürdigkeit einen Tiefpunkt erreicht hat. Das hängt auch mit seiner Rolle im Cum-ex-Steuerskandal zusammen. „ Um es klar zu sagen: Scholz hat den Bundestag belogen.“ Das ist ein Zitat der sehr geschätzten Kollegin Lisa Paus von den Grünen. Gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass die heutige Bundesministerin Olaf Scholz mehrfach und ausdrücklich der Lüge bezichtigt hat. 70 Prozent der Menschen in Deutschland nehmen Olaf Scholz seine Erinnerungslücken in der Cum-ex-Steueraffäre nicht ab. Sogar eine Mehrheit – 56 Prozent – der SPD-Anhänger glaubt ihm nicht. Nur 11 Prozent tun das, besagt eine repräsentative Umfrage. Die Menschen in Deutschland spüren so etwas sehr genau. Der Bundeskanzler sagt nicht das, was er weiß.
Lassen Sie mich kurz die Erinnerung auffrischen. Worum geht es bei Cum-ex? Kriminelle Banker und Investoren haben Aktiengeschäfte allein mit einem Ziel getätigt: sich einmal abgeführte Kapitalertragsteuer doppelt erstatten zu lassen. Der Staat wurde so zur Beute gemacht. Allein im Fall der Hamburger Privatbank Warburg sollten die Steuerzahler um einen dreistelligen Millionenbetrag betrogen werden. Dass diese wundersame Form der Geldvermehrung höchst kriminell ist, das drängt sich nicht nur jedem auf, sondern das hat auch der Bundesfinanzhof klar bestätigt. Ganz Deutschland kämpfte dafür, dass Kriminelle geraubte Steuermilliarden zurückzahlen müssen. Ganz Deutschland? Nein! Einzig die Freie und Hansestadt Hamburg war unbeugsam. Unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz war Hamburg das Paradies für die Verantwortlichen dieses Steuerraubs.
Von jedem Regierungschef muss erwartet werden, dass er dafür kämpft, geraubtes Steuergeld von Kriminellen zurückzuholen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Zuruf des Abg. Falko Mohrs [SPD])
Doch Olaf Scholz tat das Gegenteil: Er rief sie an. Er traf sich sogar persönlich mit ihnen. Nicht einmal, nicht zweimal, mindestens dreimal traf er sich mit den Warburg-Kriminellen in seiner Amtsstube, obwohl er wusste, dass Cum-ex höchst kriminell ist und dass gegen seine Gesprächspartner zum damaligen Zeitpunkt wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde. Und der Bundeskanzler behauptet, er erinnere sich an nichts. Das ist völlig unglaubwürdig. Natürlich erinnert man sich an eine Angelegenheit dieser Tragweite, bei der man sich mehrfach mit Kriminellen getroffen hat, die auch noch behauptet haben, die Existenz einer wichtigen Hamburger Bank mit 1 000 Arbeitsplätzen sei in Gefahr, für die auch viel Hamburger SPD-Prominenz um Herrn Scholz herum lobbyiert hatte.
Wenige Tage nach dem Gespräch mit Herrn Scholz legte die Stadt Hamburg ganz plötzlich eine 180-Grad-Wendung hin, wollte plötzlich auf die Steuermillionen zugunsten der Bank verzichten. Am Ende musste das Bundesfinanzministerium mit Weisungen die Notbremse ziehen. An nichts davon wollen Sie sich erinnern, Herr Scholz, obwohl Sie mittendrin waren? Herr Bundeskanzler, ich glaube Ihnen kein Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Auch in Ihrer heutigen Rede zeigen Sie Erinnerungslücken. Wer war denn in der letzten Regierung Vizekanzler? Mit einer Ausnahme von vier Jahren hat die SPD seit 1998 durchgehend regiert. Jetzt sei alles Schuld der Opposition, und die Ampel würde alle Probleme schon lösen, bevor andere die Probleme überhaupt nur erkennen. Woher nehmen Sie eigentlich diese maßlose Selbstüberschätzung? Sie reißen Gräben auf. Sie sollten Brücken bauen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Kollege Hauer – –
Die gesamte Opposition wollte Olaf Scholz vorgestern im Finanzausschuss zu Cum-ex befragen. Der Bundeskanzler ist nicht erschienen, die Ampel hat mit ihrer Mehrheit die Befragung verhindert. Aber es kommen neue Erkenntnisse ans Licht durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, durch investigative Journalistinnen und Journalisten, durch den Hamburger Untersuchungsausschuss: Private Whatsapp-Chats, in denen Hamburger Finanzbeamte über einen „teuflischen Plan“ sprechen, Hunderttausende Euro Bargeld im Bankschließfach des ehemaligen Chefhaushälters der SPD-Bundestagsfraktion.
Kollege Hauer, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Limburg aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Selbstverständlich. Da hätte ich mich gar nicht so beeilen müssen.
Herr Kollege, das war die wahre Intention meiner Frage. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich begrüße es ja ausdrücklich, dass Sie das wichtige Thema Cum-ex hier noch mal an so prominenter Stelle aufrufen, weil es natürlich das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen in diesem Land zutiefst verletzt und beleidigt. Aber das betrifft nicht die Vorgänge in Hamburg allein, sondern das betrifft den Cum-ex-Skandal in seiner Gänze. Und ich darf Ihr Gedächtnis dahin gehend auffrischen, dass es nicht richtig ist, wie Sie behauptet haben, dass hier sämtliche Politikerinnen und Politiker jeder Couleur außer Olaf Scholz sich bemüht hätten, Cum-ex zu unterbinden und die Gelder zurückzuholen. Es war Ihr Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – ich beziehe mich hier nur auf die Aussagen des ehemaligen Bundesfinanzministers und Bundestagspräsidenten –, der seit Anfang 2010 persönlich Kenntnis von den Cum-ex-Konstrukten hatte. Und was hat er gemacht Anfang 2010, Mitte 2010, Ende 2010? Er hat nichts gemacht, um die Cum-ex-Geschäfte zu unterbinden! Erst zu 2012 ist die Gesetzesänderung in Kraft getreten. Und anschließend haben Wolfgang Schäuble und die Union wieder jahrelang nichts gemacht. Das, Herr Hauer, ist die Wahrheit.
Also wenn Sie Cum-ex zu Recht anprangern, wenn Sie Cum-ex aufarbeiten wollen, dann beleuchten Sie doch bitte auch Ihre eigene Rolle und die Rolle der Union in diesem Skandal.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, dazu noch etwas ausführlicher zu sprechen. – Es ist erst mal schön, dass wir uns einig sind, dass es hier um einen Steuerraub geht, der auch aufgearbeitet werden muss. Und wenn es um konkrete Details geht, auch um die Warburg-Bank, auch um Hamburg, dann nehme ich Sie beim Wort, dass Sie und Ihre Fraktion an der Aufarbeitung mitwirken und nicht Sand ins Getriebe streuen. Das ist das eine.
Ansonsten möchte ich darauf hinweisen, dass am Anfang, als bekannt wurde, dass es dieses Thema, dass es dieses Problem gibt, natürlich ein ganz anderer Kenntnisstand als heute gegeben war.
(Zurufe der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
– Wir reden ja jetzt über einen Zeitpunkt, der liegt Jahre vor der Zeit, als die Themen, auf die ich Herrn Scholz gerade angesprochen habe, aufgekommen sind.
Sie verschweigen, dass Finanzminister Schäuble diesem System einen Riegel vorgeschoben hat. Und Sie verschweigen, dass es Peter Altmaier als kommissarischer Bundesfinanzminister war, der überhaupt dafür gesorgt hat, dass Hamburg nicht damit durchgekommen ist, diese Millionen den Steuergaunern zu erlassen. Vielmehr hat er durch Weisungen dafür gesorgt, dass Herr Scholz das Geld überhaupt eintreiben musste.
(Zurufe von der SPD)
Es hätte zur Wahrheit dazugehört und Ihnen gut zu Gesicht gestanden, wenn Sie das auch erwähnt hätten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt kommen neue Erkenntnisse ans Licht. Ich erwähnte die Whatsapp-Chats. Ich erwähnte das Bargeld im Bankschließfach von Herrn Kahrs; ich hätte ihn heute in dieser Generaldebatte gerne gehört. Da hätten wir mit ihm sicherlich einiges zu besprechen gehabt – vielleicht auch Herr Scholz; denn er hat ja fleißig für die Warburg-Bank in Hamburg Werbung gemacht.
Es gibt staatsanwaltschaftliche Durchsuchungen. Es gibt Unstimmigkeiten in den E‑Mail-Postfächern von Herrn Scholz und seiner langjährigen Büroleiterin.
(Zurufe von der SPD)
Es gibt gezielte Löschungen von Scholz-Daten.
Herr Bundeskanzler, Sie sind beim Cum-ex-Skandal Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Machen Sie endlich reinen Tisch zu Ihrer Rolle in diesem Steuerraub – hier vor dem Parlament und vor allem auch vor der deutschen Öffentlichkeit.
(Falko Mohrs [SPD]: Wie wäre es mal mit Beweisen und nicht mit Anschuldigungen?)
Und denken Sie bitte auch an die Worte Ihrer Familienministerin.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538696 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzler und Bundeskanzleramt |