07.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 05

Alexander Graf LambsdorffFDP - Auswärtiges Amt

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Mittwochnachmittag in der Haushaltswoche ist sozusagen die internationale Stunde dieses Parlaments. Die Haushalte des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Bundesverteidigungsministeriums werden debattiert, und das gibt uns die Gelegenheit, einmal innezuhalten und zu schauen: Wo stehen wir eigentlich als Deutschland in der Welt?

Wir haben einen Koalitionsvertrag geschlossen. Das ist noch nicht mal ein Jahr her; man macht sich das gar nicht klar. Mir kommt es bei all dem, was so passiert, schon viel länger vor. Doch da sind ein paar Punkte drin, die für uns, aus Sicht meiner Fraktion, ganz besonders wichtig sind und an denen wir jetzt gemeinsam arbeiten. Ich will drei Punkte hier mal exemplarisch nennen:

Das ist einmal die Erarbeitung einer nationalen Sicherheitsstrategie. Da sehe ich das Auswärtige Amt mit Outreach-Projekten enorm engagiert. Die Grundlinien – Sicherheit unserer Freiheit, Sicherung des Friedens bei uns und Sicherheit unserer Lebensgrundlagen – sind ein wirklich guter Startpunkt für eine starke nationale Sicherheitsstrategie, die im nächsten Jahr bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden soll.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite ist – das wollten wir als FDP gerne, und das machen wir jetzt auch gemeinsam – die Überprüfung unserer Bundeswehrmandate. Das Irakmandat wird gerade überprüft, und bei MINUSMA sind wir im täglichen Austausch zwischen den Ressorts und den Fraktionen sowie mit den internationalen Partnern. Ich will hier eines sagen: Dieses Mandat ist nach Auffassung meiner Fraktion enorm wichtig. Es ist eine wirklich enorm wichtige Tätigkeit, die wir auf unserem Nachbarkontinent für die Stabilität des Sahel leisten. Ich würde mir daher sehr wünschen, dass wir bei der Evaluierung zum Ergebnis kommen, dass wir unser Sahelengagement eher ausweiten, als es zu reduzieren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt ist die Überprüfung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit. Aber das wird beim Einzelplan 23 zum BMZ dann im Einzelnen zu besprechen sein.

Am 24. Februar 2022 ist das, was wir uns vorgenommen hatten und was wir ruhig bearbeiten und abarbeiten wollten, natürlich vollkommen über den Haufen geworfen worden. Die Ministerin hat hier alles zur Situation und zur Politik der Bundesrepublik im Hinblick auf die Ukraine gesagt.

Die sogenannte Zeitenwende-Rede des Bundeskanzlers war enorm wichtig. Ich möchte hier einmal unterstreichen, wie stolz es mich macht, dass wir in dieser kritischen Stunde als demokratische Fraktionen in diesem Parlament zusammenstehen konnten und dass die Opposition hier genau das getan hat, was Jürgen Hardt gesagt hat, nämlich konstruktiv daran mitzuarbeiten, dass wir eine solide gemeinsame deutsche Außenpolitik in so einer schweren Krise entwerfen können. Dafür ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, einige, – das muss man der Fairness halber sagen –, haben die Zeitenwende allerdings schon vorher kommen sehen. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat bereits im Jahr 2020 einen Bericht mit dem Titel „Zeitenwende Ɩ Wendezeiten“ veröffentlicht, weil die Welt vorher schon ungemütlicher, härter, ja, gefährlicher wurde.

Freedom House schreibt uns ins Stammbuch, dass seit 15, 16, 17 Jahren die Zahl der freien Länder zurückgeht, die Zahl der Autokratien ansteigt. Die Frage ist: Ist das eine Gesetzmäßigkeit? Ist es vorbei mit der Ausbreitung von Demokratie und Rechtsstaat? Ich glaube, das können wir nicht so hinnehmen. Wir müssen auf Werte setzen, wir müssen aufs Völkerrecht setzen, wir müssen auf Multilateralismus setzen. In dem Zusammenhang komme ich übrigens wieder auf MINUSMA. Das ist ein starker Beitrag, den Deutschland auch in den Vereinten Nationen leistet.

In der Europäischen Union haben wir in mehreren Mitgliedstaaten schwere Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit. Ich erwähne Ungarn, ich erwähne Polen, aber auch Länder wie Slowenien, Malta und Bulgarien machen uns Sorgen, wenn wir auf die Medienlandschaft, auf die Rechtsstaatlichkeit und auf die akademische Freiheit schauen. Ist es vorbei mit der „Ever Closer Union“? Auch das sollten und können wir nicht hinnehmen. Wir müssen mit einem starken Rechtsstaatsmechanismus, mit der Einführung von Mehrheitsentscheidungen und mit europapolitischem Engagement dagegenhalten.

Zur Globalisierung. Die Wirtschaft war schon vor dem Ukrainekrieg durch die ideologisch borniert überharte Zero-Covid-Politik Chinas und die daraus folgenden Disruptionen in den Lieferketten schwer gestört. Hinzu kam auch noch Protektionismus. Leider haben wir protektionistische Tendenzen gerade auch in Amerika wieder gesehen – mit dem Beschluss, E‑Autos nur noch dann zu fördern, wenn sie komplett in Amerika hergestellt wurden. Nein, meine Damen und Herren, wir dürfen uns dem Protektionismus nicht ergeben. Wir müssen hier CETA ratifizieren, wir sollten möglichst schnell über Mercosur reden, und wir müssen weitere Handelsabkommen schließen; denn die Globalisierung ist die Grundlage des Wohlstands unseres Landes.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: CETA verabschieden!)

– Das habe ich gerade gesagt; CETA muss ratifiziert werden.

Unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unser Wohlstand hängen von vielem ab, was wir hier in Deutschland selber tun. Aber sie hängen auch von der Welt um uns herum und davon ab, wie wir sie gestalten. Arbeiten wir gemeinsam daran, die Welt so zu gestalten, dass bei uns Frieden, Sicherheit und Wohlstand gewährleistet bleiben!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538703
Wahlperiode 20
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
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