Thomas ErndlCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit über einem halben Jahr führt Russland einen mörderischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Das prägt unsere Außenpolitik. Dieser russische Angriff ist ein Angriff auf die europäische Friedensordnung. Es ist ein Angriff auch auf unsere Freiheit, auch auf unsere Sicherheit.
Der Krieg und die Auswirkungen auf unser Land, auf Europa, auf die Menschen hier, aber genauso das Leid in der Ukraine beschäftigen uns alle hier in diesem Hause jeden Tag und eben auch die zentrale Frage: Tut Deutschland, tun wir genug, um diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden? Und die Antwort ist: Nein. Meine Damen und Herren, das wird auch durch das Blendwerk des Bundeskanzlers von heute Morgen nicht anders; denn Flugabwehr zum Beispiel ist natürlich eine gute Sache, aber die wird im nächsten Jahr geliefert. Wir müssen jetzt mehr tun, und wir können jetzt mehr tun. Es wird verzögert, vertröstet, dem ukrainischen Regierungschef einfach eine Abfuhr erteilt. Marder und Leopard, lieferbar von der Industrie, retten jetzt – heute, morgen! – Leben und werden einfach verweigert.
(Zuruf des Abg. Jürgen Coße [SPD])
Diese Kritik, meine Damen und Herren, trage ich hier nicht vor, weil es meiner Rolle als Oppositionspolitiker entspricht. Dass wir mehr tun könnten, das ist das Bild, das unsere osteuropäischen Nachbarn zeichnen, das unsere englischen Freunde zeichnen, das durch viele Statistiken belegt ist, und, meine Damen und Herren, das ist eine Position, die auch viele Kolleginnen und Kollegen in den Ampelparteien teilen. Deshalb tut es weh, wenn in einer so wichtigen Frage Anspruch und Wirklichkeit, Reden und Handeln – in diesem Fall des Kanzlers – so weit auseinanderstehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Frau Bundesministerin, Ihnen tut diese Blockade aus dem Kanzleramt sicherlich auch weh, weil Sie diesen Krieg richtigerweise in das große Bild einordnen: Demokratie und Freiheit gegen Autokratie und Diktatur, eine Ordnung, die auf Regeln basiert, gegen das Recht des Stärkeren und Größeren. Demokratische Systeme sind in Bedrängnis. Wir sind in Bedrängnis. Autokraten weltweit suchen den Schulterschluss. Russland und China bauen ihren Einfluss in vielen Regionen der Welt aus und nutzen dafür jede Möglichkeit.
Aber was stellen wir dem entgegen? Tatkraft, Verlässlichkeit – da haben wir noch eine Aufgabe, Frau Bundesministerin, in Afghanistan im Zusammenhang mit den Ortskräften –, bessere Kommunikation und ein noch intensiveres Hineinwirken in die Zivilgesellschaften, ein noch intensiveres Werben für unsere Werte und Überzeugungen. Ich bin froh, Frau Ministerin, dass Sie bei Ihren Reisen der Bedeutung zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit immer wieder Rechnung tragen und dem Engagement im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik entsprechend sehr viel Raum einräumen.
Deshalb muss die Frage erlaubt sein, warum in diesem Haushaltsentwurf gerade die AKBP und viele weitere Bereiche empfindliche Kürzungen hinnehmen müssen. Wieder einmal liegen Anspruch und Wirklichkeit meilenweit auseinander; denn der Kahlschlag im Bereich der AKBP ist wirklich völlig unverständlich. Wollen Sie in dieser Zeit wirklich Tausende Stipendien beim Akademischen Austauschdienst streichen, wo Verbindungen zu unserem Land entstehen, die Jahrzehnte halten? Wollen Sie wirklich Goethe-Institute schließen, die Anlaufstelle sind für alle, die sich für unser Land und für unsere Sprache interessieren, aber auch für diejenigen, die in totalitären Staaten Raum für freie Gedanken brauchen? Wollen Sie alles verwerfen, was wir in den letzten Jahren beim Deutschen Archäologischen Institut aufgebaut haben zum Kulturerhalt in Krisenregionen? Das sind nur drei Beispiele. Ein weiteres sind die Auslandsschulen. Das Netzwerk ist groß und verdient es, eine solide und verlässliche Finanzierung zu haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Michelle Müntefering [SPD] und Jamila Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sollte es wirklich Tradition werden, dass immer, wenn das Außenministerium von den Grünen geführt wird, ein Kahlschlag bei der internationalen Kultur- und Bildungsarbeit erfolgt? Ich glaube, das ist nicht in unserem Interesse. Deshalb bitte ich die Haushälter der Ampel, hier wirklich massiv nachzubessern,
(Otto Fricke [FDP]: Stellt ihr mal Anträge!)
weil sonst wieder Worte und Taten bei dieser Regierung weit auseinanderliegen würden, wie zuletzt auch bei der Europa-Rede des Kanzlers in Prag sichtbar wurde. Der Kanzler forderte ein souveräneres Europa. Dazu würde es aber eine Bundesregierung benötigen, die bereit ist, eine außenpolitische Führungsrolle in Europa anzunehmen. Wir brauchen kein Europa der schönen Worte, sondern ein Europa der konkreten Tat. Und da muss diese Bundesregierung auch in diesem Haushalt deutlich mehr liefern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Michelle Müntefering für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538711 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |