07.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 05

Michelle MünteferingSPD - Auswärtiges Amt

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Welt ordnet sich neu. Das ist – wir haben es gehört – ohne Zweifel auch für uns in Deutschland eine riesengroße Herausforderung.

Im Ruhrgebiet waren es in diesem Sommer immer wieder zwei Themen, die viele umtrieben und noch umtreiben: zum einen der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine, zum anderen die Sorge wegen der rasant steigenden Energiekosten, allerdings – auch das ist wahr – nicht immer in dieser Reihenfolge. Menschen, die sich sonst nie an die Politik wenden, schreiben uns Briefe, Rentnerinnen und Rentner formulieren ihre Angst, die Wohnung zu verlieren, schreiben akribisch jede Ausgabe auf, fragen sich, wie sie die Kosten in Zukunft noch stemmen sollen. Viele Unternehmen fragen sich, wie sie ihre Waren, wenn die Energie immer teurer wird, zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren sollen.

Bevor ich zum Haushalt des Auswärtigen Amtes komme, möchte ich deswegen zunächst einmal all denjenigen Danke sagen, die helfen, durch diese schwere Zeit zu kommen, ob als Abgeordnete in den Wahlkreisen, ob als Abgeordnete in der Koalition, die die dringend benötigten Beschlüsse fassen, und ganz besonders natürlich unserem Bundeskanzler Olaf Scholz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ja, der Krieg kostet uns Geld – die Menschen in der Ukraine kostet er das Leben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Außenpolitikerin war ich in der Sommerpause nicht auf Dienstreise im Ausland, sondern diesmal vor allem in der Nachbarschaft unterwegs, unter anderem zu Besuch bei Evonik, einem der international führenden Unternehmen in der Spezialchemie. Ich will den Bogen vom Ruhrgebiet in die Welt schlagen: Mitten in meinem Wahlkreis werden die Beschichtungen für die Windräder hergestellt. Oft wird vergessen: Für die Transformation der Wirtschaft brauchen wir auch eine starke Chemie. Klimawandel, Energiekrise: Alles, was in der Welt passiert, hat eben auch mit uns in Deutschland zu tun.

Deswegen hat der Vorstandsvorsitzende von Evonik, Christian Kullmann, mit weiteren Vorsitzenden von Unternehmen einen Appell an die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock geschickt, in dem gefordert wird, dass insbesondere die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik mit mehr Geld ausgestattet wird und die geplanten Kürzungen zurückgenommen werden. Denn Deutschland ist massiv auf Fachkräfte angewiesen, auf gute Ausbildung hier bei uns und auf internationale Kräfte. Wir sind zusammen stark. Deswegen brauchen wir die Goethe-Institute, die Deutschkurse dort anbieten, wo die Menschen, die sich für Deutschland interessieren, leben, die Auslandsschulen, die junge Menschen früh an unser Land binden, den DAAD, die Humboldt-Stiftung, die Forschung unterstützen – weltweit und auf Spitzenniveau –, für Fortschritt, Arbeitsplätze und Verständigung arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland muss sich angesichts des Wandels in der Welt um neue Partnerschaften bemühen. Wir brauchen neben Europa auch Afrika, Asien und Lateinamerika, um den großen Herausforderungen zu begegnen. Es ist längst nicht gesagt, dass sich ein Großteil der Weltgemeinschaft unseren Vorstellungen und Überzeugungen anschließt. Es ist an uns, für die Demokratie als Staats- und Lebensform zu werben. Dafür brauchen wir auch die Unterstützung der Zivilgesellschaften. Die zunehmende Ungewissheit als Grundgefühl ist weder ein lokales noch ein regionales Phänomen. Besonders die jungen Generationen auf diesem Planeten erleben die rasanten Veränderungen auf der ganzen Welt mit voller Wucht, und zwar aus zwei Perspektiven: Die einen wollen ihren Wohlstand nicht verlieren; die anderen wollen überhaupt welchen haben. Das ist im übertragenen Sinne die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen. Umso mehr brauchen wir gemeinsame Lösungen. Die Macht verteilt sich neu.

In so einer Situation dürfen wir doch nicht zusehen, wie China immer mehr Konfuzius-Institute eröffnet, und als Antwort darauf auch noch deutsche Strukturen zerschlagen, Kultur-, Jugend-, Wissenschaftsaustausch zurückfahren, bei Sprachkursen und Unterstützung für die Zivilgesellschaft kürzen. Das wäre fatal.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das alles ist auch eine Frage der Langfristigkeit; denn hier gilt besonders: Diese Strukturen wirken über Jahrzehnte. Kultur kann man nicht einfach auf- und abbauen, Kultur ist kein Camping, kein Zelt. Die Mittlerorganisationen und ihre Mitarbeiter wirken vielmehr über Jahre hinweg.

Deswegen will ich all denen danken, die für eine werteorientierte Außenpolitik eintreten; denn davon darf man nicht nur reden, man muss sie vor allen Dingen vermitteln und machen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jamila Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Annalena Baerbock, das muss Ihr Haus unter grüner Führung noch unter Beweis stellen. Uns haben Sie dabei an Ihrer Seite. Wenn ich Ihre Worte richtig verstanden habe, müsste das dann aber auch am Ende die Konsequenz sein.

Ich kann nur sagen: Lassen Sie uns den Entwurf an dieser Stelle verändern. Die Fachleute im Bundestag sind sich einig; wir haben das hier auch gerade gehört.

Und bitte kümmern Sie sich gleichzeitig um die Ausstattung der Visastellen; sonst können wir über gute Fachkräfte lange reden, doch ankommen werden sie hier nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt: Deutschland wird im globalen Wettbewerb nur mit klarer Ausrichtung an den Zukunftsthemen bestehen können. Davon hängt zu einem beträchtlichen Teil die Zukunftsfähigkeit unseres Lebens- und Wohlstandsmodells ab. Wer hier mutwillig spart, der begibt sich auf eine außenpolitische Geisterfahrt entgegen aller Vernunft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat nun Otto Fricke das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Frank Schwabe [SPD] und Jamila Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538712
Wahlperiode 20
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
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