07.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 14

Kerstin ViereggeCDU/CSU - Verteidigung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, ich sage vorab: Vielleicht finden wir einmal die Zeit, um die letzten acht Jahre gemeinsam zu rekapitulieren.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das wollen Sie nicht hören!)

Ich habe ganz andere Erinnerungen daran als die, die uns gerade von Ihnen vorgetragen wurden.

(Zuruf von der SPD: Ich erinnere mich noch sehr gut, Frau Vieregge!)

– Dann machen wir einmal eine größere Runde.

Es ist über sechs Monate her, dass der Bundeskanzler die Zeitenwende ausrief. Was haben wir seit dem 27. Februar nicht alles an Ankündigungen gehört? Eine Übererfüllung der 2‑Prozent-Quote, ein zusätzliches im Grundgesetz verankertes Sondervermögen mit 100 Milliarden Euro zur Finanzierung überjähriger Beschaffungsvorhaben, Schluss mit Zögern, Schluss mit Zaudern, alles mit dem Ziel, wie es der Bundesfinanzminister ausdrückte, die Bundeswehr zur wirksamsten Armee Europas zu machen. Dieses Ziel unterstützen wir als Union ausdrücklich und fordern auch heute wieder, dass die Bundesregierung die hierfür notwendigen Haushaltsmittel aufbringt, um dieses Ziel schnellstmöglich zu erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Stattdessen debattieren wir heute über einen Haushaltsentwurf für den Einzelplan 14, welcher im Vergleich zum Vorjahr 300 Millionen Euro weniger umfasst. Angesichts dieser großen Ankündigungen seitens der Regierung ist dieser Schritt nicht nachvollziehbar und in Anbetracht der Inflationsentwicklung schlicht unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die fehlende Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung der eigens ausgerufenen Zeitenwende fällt nicht nur uns als Opposition auf, sondern auch unseren Partnern in Europa; wie auch nicht. Mit Blick auf die sicherheitspolitischen Bedrohungslagen richten sich die geschärften Augen unserer Verbündeten verständlicherweise auf die Entwicklung in der selbsternannten Führungsnation Deutschland.

Immer wieder verspricht die Regierung ein stärkeres Engagement und die Übernahme von mehr Verantwortung für die Sicherheit unserer Partner. Aber die Erwartungen unserer Verbündeten an uns, insbesondere die der baltischen Staaten, werden, Zeitenwende-Rhetorik zum Trotz, nicht erfüllt.

(Andreas Schwarz [SPD]: Sehen die aber dort anders!)

– Nein.

(Andreas Schwarz [SPD]: Doch! Müssen mal hinfahren!)

Die Dissonanz zwischen den Ankündigungen der Bundesregierung und ihren Handlungen ist unsäglich und führt dazu, dass unsere Verlässlichkeit als Verbündeter von zahlreichen Staaten offen und in aller Deutlichkeit infrage gestellt wird. Einem vergeigten Ringtausch, einer kaum zu rationalisierenden Haltung bei Waffenlieferungen an die Ukraine und einer fehlenden Dynamik bei Entscheidungen über die Zukunft der Bundeswehrstruktur sowie über weitere notwendige Beschaffungen sei Dank.

Und dennoch erwartet der Bundeskanzler, dass unsere europäischen Nachbarn sich an von Deutschland geführten Projekten beteiligen, wie zum Beispiel an der europäischen Luftabwehr. Es ist doch so, dass die durch die NATO beabsichtigten Planungen alles übertreffen, was von unserer Bundeswehr in den letzten 20 Jahren geleistet werden musste. Wir schalten um von Wechselstrom auf Gleichstrom, zu einer dauerhaften Belastung unserer Streitkräfte ohne Phasenwechsel. Um dieser Dauerbelastung standzuhalten, bedarf es einer massiven Kraftanstrengung, nicht nur von unseren Soldatinnen und Soldaten, sondern auch von dieser Regierung, um unsere Damen und Herren in Uniform hierzu zu befähigen. Erstere sehe ich tagtäglich, auf Letztere wartet man vergeblich.

Der Ukrainekrieg zeigt einmal mehr die Bedeutung von Landstreitkräften. Dies spiegelt sich auch in den NATO-Verteidigungsplanungen wider. Hier hat Deutschland mehr als nur eine Division eingemeldet. Es ist zwar richtig, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die Einsatzbereitschaft der 10. Panzerdivision bis 2025 herzustellen. Aber dies stellt lediglich einen Teilschritt bei der Erfüllung unserer NATO-Zusagen dar. Für die Erfüllung ebendieses Teilschrittes beabsichtigt die Bundesregierung, die ebenso wichtige zweite mechanisierte Division materiell zu kannibalisieren und personell verwaisen zu lassen. So wird in diesen Verbänden die Erhaltung des Ausbildungs- und Übungsstandards nicht möglich sein. Dies ist Kurzsichtigkeit par excellence, begründet darin, dass sich die Bundesregierung weigert, die zeitgleiche Modernisierung der „Folgedivision“ finanziell zu ermöglichen.

(Andreas Schwarz [SPD]: Das stimmt doch alles nicht!)

Trotz des Krieges in der Ukraine dürfen wir keinesfalls die anderen Konfliktherde auf dieser Welt vernachlässigen. Insbesondere zum deutschen Engagement im Rahmen des MINUSMA-Mandates bleibt die Bundesregierung dem Parlament viele Antworten schuldig. Seit Monaten reagiert die Bundesregierung erratisch auf die Entwicklungen in der Sahelregion und kann sich scheinbar nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Hier muss die Bundesregierung dringend Stellung beziehen. Unabhängig davon gibt es in Afrika auch andere geostrategisch enorm wichtige Regionen, in denen sich Deutschland – zumindest in der Form von Verbindungsoffizieren – verstärkt zeigen sollte. Hierzu gehört zwingend das Horn von Afrika. Generell gilt es festzuhalten, dass sich in den vergangenen sechs Monaten zu wenig bewegt und zu wenig materialisiert hat – trotz Zeitenwende.

Geehrte Frau Ministerin, Ihre Rede zum Haushaltsgesetz 2022 beendeten Sie mit den Worten – ich zitiere –:

Ich bin zur Beschleunigung bereit, ich bin bereit, zu handeln.

Es freut mich außerordentlich, dass Sie hierzu bereit wären. Aber dann müssen Sie das auch tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn die Regierung diesen Kurs und das Tempo bei der Umsetzung der Zeitenwende, welches ich in den letzten sechs Monaten tagtäglich erlebt habe, so beibehält, dann werden die Ziele eben nicht erreicht werden können.

Der vorliegende Entwurf für den Einzelplan 14 überzeugt uns als CDU/CSU-Fraktion nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich erteile Dr. Sebastian Schäfer, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538720
Wahlperiode 20
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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