Reinhard BrandlCDU/CSU - Verteidigung
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerin! In Europa tobt ein Krieg. Ende Februar hat der Bundeskanzler von diesem Pult aus die Zeitenwende ausgerufen. Im Juni haben Sie mit unserer Unterstützung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zugebilligt bekommen. Seit dieser Zeit warten wir hier Tag für Tag auf eine große konzeptionelle Rede von Ihnen, Frau Ministerin, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll, wie sie das Geld ausgeben soll und wie sich Deutschland in dieser neuen Lage sicherheitspolitisch präsentiert.
Wir haben auch heute wieder nichts von Ihnen dazu gehört. Ihre Rede war ein Tiefpunkt. Sie hatte drei Teile: Der erste Teil bestand darin, auf die Große Koalition zu schimpfen, der Sie selber angehört haben. Der zweite Teil war die Verdrehung der Geschichte, Stichwort „Tornado“, Stichwort „Drohnen“. Ich meine, die Kollegen von der SPD mussten selber lachen, als sie die Geschichte hier gehört haben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch von der SPD)
Der dritte Teil war das Nachplappern dessen, was zuvor der Bundeskanzler in Prag zur Raketenabwehr gesagt hat.
Meine Damen und Herren, das reicht nicht. Mehr Geld alleine reicht auch nicht. Wir haben eine neue Lage, und wir brauchen dazu ein neues Konzept. Es ist gut, dass Sie in persönliche Ausrüstung investieren; da hat keiner etwas dagegen. Aber nur mit neuen Stiefeln und Rucksäcken werden wir unser Land und unsere Bündnispartner nicht verteidigen können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Aber auch!)
Ich könnte jetzt viel sagen, aber ich habe dummerweise nur sechs Minuten. Deswegen will ich mich auf sechs Punkte beschränken, die ich Ihnen für Ihre nächsten Reden mitgeben möchte.
Erstens. Setzen Sie endlich die Eckpunkte des Generalinspekteurs um: zur Steigerung der Einsatzbereitschaft, zur Reduzierung der Staatslastigkeit, zur Stärkung der Truppe, zur Ausweitung der Digitalisierung, zur Erhöhung der Effektivität. Das Konzept für die Bundeswehr der Zukunft liegt doch auf dem Tisch! Das einzige Problem für Sie ist, dass es die alte Ministerin unterschrieben hat. Deswegen ist es doch nicht falsch. Stattdessen versuchen Sie jetzt, das Gleiche neu zu erfinden, und verlieren Tag für Tag, Monat für Monat, in denen strukturell nichts passiert. Setzen Sie es endlich um, Frau Ministerin!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweitens. Reformieren Sie die Beschaffungsorganisation! Wir wollten das in der letzten Legislaturperiode, aber die SPD-Kollegen haben es verhindert. Jetzt hat ein Bundeskanzler der SPD angekündigt, von nun an 2 Prozent des BIP in Verteidigung zu investieren – von nun an! 2022 waren es 1,5 Prozent. Für 2023 planen Sie 1,6 Prozent. Ich prognostiziere Ihnen: Sie werden es kaum schaffen, dieses Geld auszugeben, und Sie werden auch 2024 die 2 Prozent nicht erreichen. Warum? Weil die Beschaffungsorganisation, so wie sie heute dasteht, bereits voll ausgelastet ist.
(Falko Droßmann [SPD]: Wer hat sie denn geschaffen? – Zuruf von der AfD: Bis dahin haben sie unsere Wirtschaft ruiniert!)
Es ist doch naiv, zu glauben, dass bei einem solchen System, wenn man oben 100 Milliarden Euro reinkippt, die Menschen plötzlich viel schneller und besser arbeiten. Sie sind überlastet, und sie werden das nicht umsetzen können. Deshalb brauchen wir Reformen, nicht irgendwann, sondern jetzt.
Dritter Punkt. Berufen Sie einen großen Rüstungsgipfel ein! Das Institut der deutschen Wirtschaft hat im August eine Studie veröffentlicht, in der dargestellt wurde, dass die Mitarbeiterzahl in der Verteidigungsindustrie seit 2015 zurückgegangen ist. Eine Trendwende ist im Moment nicht in Sicht. Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, wer das alles produzieren soll, was Sie dann ab 2024 bestellen? Oder wollen Sie alles in Amerika kaufen?
Dafür müssen jetzt in Deutschland Kapazitäten aufgebaut werden. Dafür braucht die Industrie jetzt Planungssicherheit. Ich bitte Sie: Reden Sie doch mal selbst mit den großen Geschäftsführern der Unternehmen! Ich habe Sie noch auf keinem Foto mit einem der Vertreter im Gespräch gesehen.
(Christine Lambrecht, Bundesministerin: Ich mache das auch nicht öffentlich!)
Fahren Sie zu den Standorten! Reden Sie auf den Betriebsversammlungen! Werben Sie bei jungen Menschen dafür, in diesen Bereich zu gehen! Wir brauchen die Mitarbeiter in der Verteidigungsindustrie, sonst werden wir die Bundeswehr nicht ausrüsten können. Ohne eine industrielle Zeitenwende wird Ihre Zeitenwende nicht gelingen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vierter Punkt. Legen Sie Strategien für die Bedrohungen in der Zukunft vor: Cyber, Weltraum, künstliche Intelligenz, Drohnen. Unsere Sicherheit wird in Zukunft von vielen Faktoren neu bedroht werden. Das kann man alles ganz furchtbar und schlimm finden, aber das wird einen Angreifer nicht davon abhalten, diese Technologien auch gegen uns oder unsere Verbündeten einzusetzen. Was ich mir von einer Verteidigungsministerin erwarte, ist, dass sie nach vorne schaut, dass sie eine Strategie entwickelt, wie wir uns gegen diese neuen Bedrohungen wappnen können. Davon habe ich heute bei Ihnen kein Wort gehört.
Fünftens. Fahren Sie nach Kiew! Sie haben heute gesagt, wie toll Sie die Ukraine unterstützen. Fahren Sie doch mal hin! Zeigen Sie dem Land, dass Sie es ernst meinen mit der Unterstützung! Sagen Sie dort, was alles geht, und nicht immer nur, was nicht geht! Nehmen Sie eine Taskforce aus Beschaffungsexperten mit, die dem Land hilft, in Deutschland Waffen für die Ukraine zu kaufen, anstatt neue Ausflüchte für verweigerte Exportgenehmigungen zu suchen! Das würde Ihnen und uns und unserem internationalen Ansehen in der Welt ganz schön weiterhelfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mein sechster und letzter Tipp. Man hört, Sie haben in Ihrem Umfeld sehr viele Soldaten – Parteisoldaten. Ich rate Ihnen: Sprechen Sie häufiger mit den richtigen Soldaten; die können Ihnen sagen, was die Bundeswehr wirklich braucht.
Herzlichen Dank und alles Gute.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Philip Krämer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538726 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |