Claudia RaffelhüschenFDP - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch beim zweiten Haushalt für den Einzelplan 23, den wir dieses Jahr beraten, bestimmt der Ukrainekrieg alle Überlegungen. Nachdem wir bereits im Frühsommer vom Allerschlimmsten ausgehen mussten, konnten zwar doch wieder einige Getreidelieferungen die Ukraine verlassen, aber auch die sind nur Tropfen auf den heißen Stein. Sie sollten uns nicht davon ablenken, dass dieser Krieg für den Westen buchstäblich ein Warnschuss ist.
Denn klar ist: Mit der bisherigen Strategie gegen Ernährungskrisen kommen wir nicht weiter. Wir brauchen weniger Abhängigkeit von Weizenimporten aus der Ukraine und aus Russland, und wir brauchen mehr Resilienz, insbesondere afrikanischer Staaten, und mehr Anbau von besser geeigneten Nahrungsmitteln in den Regionen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was wir außerdem brauchen, ist mehr privatwirtschaftliches Engagement, gerne mit Unterstützung durch die Bundesregierung. Es ist jedoch nicht Aufgabe des BMZ, jedes unternehmerische Risiko eines jeden deutschen Investments in einem Entwicklungsland abzufedern. Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es auch so enorme Chancen für beide Seiten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sollten mit Blick auf unseren Einzelplan so ehrlich sein, zu sehen: Weder mit 11 Millionen noch mit 12 Millionen oder sogar mit 100 Milliarden Euro wird Deutschland die Welt retten. Es ist leider so. Umgekehrt wird aber ein Schuh draus: Wir müssen mit den knapp 11,1 Milliarden Euro des Kabinettsentwurfs noch besser wirtschaften und die größtmögliche Wirkung entfalten. Und ich bin sicher, dass es hier noch erhebliches Potenzial gibt. Ein wichtiger Punkt wäre der Abbau von Bürokratie. Evaluation und Transparenz dürfen nicht zum Selbstzweck werden. Gerade für kleine und mittlere Akteure – das berichten private Träger immer wieder – nehmen die Dokumentationspflichten einen viel zu großen Teil ihrer Zeit ein, die dann in der praktischen Arbeit am Projekt fehlen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Daneben müssen wir aber auch die Frage, welche NGOs überhaupt wann und mit welchen konkreten Aufgaben eingesetzt werden, immer wieder neu stellen. Denn mit Blick auf die unglücklichen Ausgänge der westlichen Missionen in Afghanistan und in Mali sollten wir dieselben Fehler in der Ukraine tunlichst vermeiden. So kam ein Bericht des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen im Juni dieses Jahres zu sehr ernüchternden Ergebnissen: Die NGOs seien zu wenig lokal vernetzt und vor allem viel zu pauschal und unflexibel in ihrem Vorgehen in verschiedenen Krisenregionen der Welt. Hier sollten wir noch mal ganz genau hinschauen.
Es geht wohlgemerkt nicht darum, weniger Hilfe zu leisten, sondern darum, die Hilfe besser, koordinierter und effektiver zu machen, eben weil das Geld, das wir verteilen können, nicht unbedingt mehr werden wird. Auch Country Files, also länderspezifische Aufstellungen über Hilfsgelder, sind ein wichtiges Instrument, das die Bundesregierung unbedingt nutzen sollte.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Ukrainekrieg zeigt deutlich, dass westliche Regierungen nicht nur bei den militärischen Interventionen gefragt sind. Auch die zivile Krisenbewältigung und den Stabilisierungsprozess dürfen wir nicht komplett an die NGOs outsourcen, sondern wir müssen sie aktiv mitgestalten und kritisch überwachen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dazu gehört auch, dass wir unsere Rolle international selbstbewusst ausfüllen. Die Idee, dass Deutschland als zweitgrößte Gebernation mit gutem Beispiel vorangeht und andere Länder quasi automatisch folgen, klingt zwar gut, hat aber leider in den letzten Jahren nicht immer funktioniert.
Ein Blick auf die Entwicklung der ODA-Quoten zeigt: Die deutsche ODA ist seit 2018 gestiegen und lag 2022 bei 0,76 Prozent. Im selben Zeitraum lag Großbritannien stabil bei 0,33 Prozent und Frankreich bei maximal 0,53 Prozent, Tendenz wieder fallend. Die USA sind zwar größtes Geberland in absoluten Zahlen, kommen aber nur auf eine recht bescheidene ODA-Quote von – ich sage mal: lächerlichen – 0,18 Prozent. Mein Petitum ist daher, dass wir unser starkes Engagement aufrechterhalten, zugleich aber die anderen Geberländer an ihre Aufgaben erinnern.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zu tun gibt es eine Menge. Neben den akuten Krisen dürfen wir nicht die alten Herausforderungen vergessen, allen voran den Kampf gegen Aids, Polio, Tuberkulose und Malaria. Letztere ist in Afrika ein viel größeres Problem als Covid, und daher sollten wir dafür sorgen, dass uns beim Kampf gegen diese vier Krankheiten nicht das Geld und nicht die Puste ausgehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Cornelia Möhring hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538745 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |