07.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 23

Wolfgang StefingerCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Entwicklungsministeriums ist kurzsichtig und nicht ehrgeizig, mit einem Wort: ambitionslos. Frau Ministerin, es wurde wieder deutlich – dieser Haushalt zementiert es auch –: Ihnen fehlt es an einer Vision. Nach einem Jahr im Amt ist immer noch nicht klar, wo Sie hinwollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der FDP und von den Grünen: Hätten wir als Union in den vergangenen Jahren so einen Haushaltsentwurf hier eingebracht, wir wären zu Recht – zu Recht! – von Ihnen in der Debatte zerrissen worden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Dafür sind wir viel zu nett!)

Wenn ich mir die Debatten der letzten Wahlperiode anschaue und insbesondere die Forderungen von Grünen und FDP – mehr multilaterale Zusammenarbeit, Stärkung der Wirtschaftskooperationen, Stärkung der Vereinten Nationen –, dann muss ich feststellen: Die Beiträge sinken in diesem Haushalt. Sie sinken teils um 50 Prozent, zur Impfallianz GAVI sogar um 74 Prozent, zum Kinderhilfswerk UNICEF um 57 Prozent,

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

zur Global Partnership for Education um 21 Prozent. Ich frage mich: Wo ist denn Ihr Aufschrei? Sie haben hier in den letzten Jahren unsere Aufwüchse als zu gering kritisiert, und nun kürzen Sie massiv bei Gesundheit, massiv bei Kindern, massiv bei Bildung. Ich kann nur eines sagen: Nicht an den Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie messen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin, was ist aus Ihrer feministischen Entwicklungspolitik geworden? Es war eine Schlagzeile. Gut, kürzlich haben Sie UN Women sehr gelobt für den Einsatz zur Gleichstellung der Geschlechter als Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Das ist richtig. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Aber der Beitrag zu UN Women sinkt um 25 Prozent. Ich kann nur allen Organisationen dringend raten: Vorsicht! Wenn diese Ministerin Sie lobt, dann ist Vorsicht geboten,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

dann heißt es: Ohren anlegen, warm anziehen und den Sparstrumpf rausholen. – Das ist die Realität.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweites Beispiel. Welternährung. Wir haben die größte Hungersnot seit Jahrzehnten durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Erst kürzlich habe ich Sie dafür gelobt, dass Sie 880 Millionen Euro Sondermittel für den Kampf gegen den Hunger bereitgestellt haben. Das ist einmalig. Das muss man auch positiv erwähnen. Sie haben sich in dem Jahr sogar selber dafür gelobt,

(Volkmar Klein [CDU/CSU]: Gefährlich!)

dass das World Food Programme jetzt langfristig planen und wirtschaften könnte. Ich frage Sie: Gilt diese langfristige Planungsmöglichkeit ab dem Neujahrstag 2023 nicht mehr? Sie sagten vorhin: Hunger ist grausam. – Ja, das ist so. Aber im nächsten Haushalt kürzen Sie den Kernbeitrag zum Welternährungsprogramm um mehr als 60 Prozent. Sie kürzen bei der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ um 150 Millionen Euro. Wo ist hier die langfristige Planung? Wie steht es denn um die Zuverlässigkeit Deutschlands als internationaler Partner?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich kann Ihnen die Antwort geben: Schlecht steht es darum.

Spannend übrigens, Frau Ministerin, finde ich die parteiübergreifende Petition von ehemaligen Vorsitzenden des Entwicklungsausschusses mit der Überschrift und dem eindringlichen Appell: „Lasst sie nicht verhungern!“ Hier fordern Professor Holtz von der SPD, früherer Entwicklungsausschussvorsitzender, Thilo Hoppe von den Grünen, Dagmar Wöhrl und Peter Ramsauer von der Unionsfraktion und der derzeitige amtierende Vorsitzende, mein geschätzter FDP-Kollege Hoffmann, dass die Bundesregierung die Mittel angesichts der Welternährungskrise nicht kürzen soll. Ich glaube, es ist ein einmaliger Vorgang, dass sich Mitglieder von Parteien, die diese Bundesregierung tragen, mit einer Petition an den Deutschen Bundestag wenden, weil diese Regierung nicht handelt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Rede eine Zustandsbeschreibung gemacht. Ja, Sie haben recht: Es gibt einen Haufen Krisen auf der Welt. Hier müssen wir auch etwas tun. Wir haben eine neue Weltlage. Das ist richtig. Aber Durchwursteln geht hier nicht. Wo sind Ihre Antworten für die Krisenbewältigung und die Stabilisierung von Staaten? Es gibt immer mehr Krisen auf der Welt. Sie kürzen den Titel. Was ist Ihr Plan für neue Jobs in Entwicklungsländern? Wie wollen Sie denn den Tourismus wieder aufbauen, der nach Corona eingebrochen ist? Millionen Menschen haben ihren Job verloren, ihre Lebensgrundlage verloren. Was ist mit den Wirtschaftskooperationen? Was ist mit den begonnenen erfolgreichen Bildungs- und Forschungskooperationen? Was ist mit den Energiepartnerschaften mit den afrikanischen Ländern? Andere Staaten sind hier aktiver. Wie wollen Sie denn die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern stärken? Und haben Sie mit Ihrer SPD-Kollegin Lambrecht eigentlich auch einmal über den vernetzten Ansatz gesprochen? Entwicklung braucht Sicherheit, und ohne Entwicklung gibt es keine dauerhafte Sicherheit.

Frau Ministerin, nach einem Jahr im Amt hätten Sie mit diesem Haushalt wirkliche Akzente setzen können. Schade. Sie haben es nicht getan.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um was Sie sich aber kümmern, ist die weitere Aufblähung des Hauses, noch mal 21 neue Stellen im Haushalt. Ich frage mich: Für was? Der Titel für Öffentlichkeitsarbeit ist schon angesprochen worden. Aber womöglich sagen Sie sich: Marketing ist alles. Wenn ich politisch schon nichts mache, dann möchte ich wenigstens gut dabei aussehen.

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja sogar unter Ihrem Niveau!)

Das reicht aber nicht angesichts der weltweiten Lage.

Frau Ministerin, Sie reißen vieles ein, was wir in den vergangenen acht Jahren in der Großen Koalition aufgebaut haben.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Ausgerechnet!)

Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie mit dabei waren. Von 16 Jahren Regierung waren Sie 12 Jahre mit an Bord. Wir haben sehr viel aufgebaut, sehr viel erreicht. Sie reißen hier vieles ein. Das ist sehr, sehr schade. Sie werden der Rolle Deutschlands in der Welt in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Kollegin Deborah Düring hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538748
Wahlperiode 20
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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