Jens SpahnCDU/CSU - Wirtschaft und Klimaschutz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede Kilowattstunde zählt. Das ist Ihr Mantra in dieser Krise, Herr Minister. Damit begründen Sie Duschtipps und Einsparverordnungen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht besser bei Ihnen, Herr Spahn!)
Wenn in dieser Krise aber jede Kilowattstunde zählt, dann müssen wir schon fragen, ob dieses Mantra, dieses Motto auch für Ihre Regierung und Ihr Handeln gilt; denn wenn jede Kilowattstunde zählt, dann zählt auch jede Form der Energieerzeugung, die hier in Deutschland möglich ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie tun nicht, was geht. Sie nutzen das Potenzial von Biomasse und Biogas nicht.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das werden wir im September in den Bundestag einbringen!)
Sie haben unseren Antrag im Juli abgelehnt; im Sommer haben Sie gesagt, jetzt wollen Sie es doch tun. Einen konkreten Regelungsvorschlag haben wir bis jetzt nicht.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nächste Sitzungswoche!)
Wir nutzen die Möglichkeiten bei erneuerbarem klimaneutralem Biogas seit Monaten nicht, und das ist Ihr Versäumnis.
(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, Herr Spahn!)
Kohle. Wir haben hier im März gesagt: Kohlekraftwerke aus der Reserve hochfahren, um die Verstromung mit Gas herunterzufahren!
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Da haben Sie noch gelacht. Im Juli haben Sie dann die Gesetze geändert, um es tun zu wollen – muss man ja sagen. Mittlerweile, zweieinhalb Monate später, sind zwei – in Worten: zwei – Kohlekraftwerke neu am Netz; wegen Ihrer bürokratischen Vorgaben, weil Sie zu spät gehandelt haben, nur zwei. Wenn jede Kilowattstunde zählt, dann hätten diese Kohlekraftwerke schon längst früher am Netz sein müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und dann Kernkraft. Sechs Monate Debatte mit Verschleppen, Falschaussagen, Streit. Sie hätten am Montagabend einen Befreiungsschlag machen können für Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Stattdessen haben Sie das Chaos perfektioniert. Sie handeln gegen die Empfehlung des Stresstests, der ausdrücklich rät, die drei Kernkraftwerke im Streckbetrieb zu lassen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ihn gar nicht gelesen! Aber das kennen wir, Jens Spahn! Hauptsache oberflächlich!)
Sie haben uns immer gesagt, das ginge nicht – Personal; man müsse Gesetze ändern; Sicherheitsanforderungen. Jetzt machen Sie genau das: Sie ändern das Gesetz, Sie halten das Personal, Sie stellen die Sicherheit sicher. Nur produzieren Sie keinen Strom! Das ist das Problem an Ihrer Lösung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf welcher Seite haben Sie das denn gelesen, Herr Spahn? Wo steht das im Stresstest? – Gegenruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Lesen Sie doch den Stresstest mal! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe den gelesen, im Gegensatz zu Ihnen!)
Familien, Handwerker, Pflegeheime haben seit Monaten jeden Tag Stresstests; die können nämlich ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen. Strompreise und damit Stromrechnungen sind deswegen hoch, weil das Angebot in Europa zu niedrig ist. Und das heißt: Jedes Kraftwerk muss ans Netz!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber, Herr Minister, das Kernkraftwerk in Lingen, das ist nun wirklich die Spitze des Irrsinns. Sie wollen – das ist der Vorschlag – Ölkraftwerke auf Schiffen
(Heiterkeit des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])
zu teuren Preisen anmieten, um in Norddeutschland die Netzstabilität zu gewährleisten, anstatt das klimaneutrale Kernkraftwerk laufen zu lassen.
(Zuruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Frage, wer hier den Geist von fossilen Energien hat, können wir gerne mal diskutieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Nur weil Ihre Wahlkämpfer in Niedersachsen „Bye Bye, AKWs“ auf die Plakate geklebt haben, lassen Sie als grüner Klimaminister lieber Ölkraftwerke auf Schiffen laufen
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
anstatt eines sicheren Kernkraftwerks. Ich finde, das ist Harakiri in der Lage, in der wir aktuell sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Gaspreise. Das ist die Leerstelle Ihres Entlastungspaketes. Beim drängendsten Thema von 20 Millionen Deutschen und vielen Unternehmen nichts, keine Lösung. Stattdessen die Gasumlage. Wie sagte jemand so treffend: Deutschland ist, wenn die Regierung plant, per Umlage auch Konzerne mit Milliardengewinnen zu subventionieren, dafür dann die Mehrwertsteuer senkt, um von der Umlage betroffene Verbraucher zu entlasten, um dann über eine Übergewinnsteuer die Unternehmen, die profitieren, wieder zu belasten. – Stoppen Sie diese Chaosumlage! Stoppen Sie diesen Irrsinn! Stimmen Sie nachher unserem Antrag zu, das aufzuheben, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Stoppen Sie diesen Minister!)
Geben Sie vor allem den Menschen für diesen Winter Sicherheit bei Gas und bei Strom. Die Strompreisbremse: Keiner weiß, wann und in welcher Höhe sie kommt. Beim Gas gibt es gar kein Angebot. Für jeden Haushalt verlässlich einen Grundbedarf – 75 Prozent des Vorjahresverbrauches – zu definieren und Sicherheit zu geben für diesen Winter – das bräuchten wir dringend.
Denn, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland steht ein schwerer Winter ins Haus. Deutschland und die Deutschen werden jeden Tag ärmer wegen hoher Gas- und Strompreise. Wir sollten alles tun, um soziale Not zu lindern
(Timon Gremmels [SPD]: Wo ist die Selbstkritik? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und Familien, Handwerkern sowie der Wirtschaft in dieser schwierigen Zeit zu helfen.
(Zurufe von der SPD)
– Jetzt warten Sie doch mal! – Wir haben Ihnen, Herr Minister, mehrfach angeboten, in dieser schweren Zeit mit in die Verantwortung zu gehen, Kompromisse zu suchen.
(Zuruf von der AfD: Besser nicht!)
Das haben Sie abgelehnt. Sie sind Ihren Weg gegangen, und das, finde ich, haben Sie gerade noch mal sehr, sehr deutlich gemacht. Das ist Ihr gutes Recht. Sie haben die Mehrheit. Aber damit ist eins auch klar: In diesem Winter sind Höchstpreise bei Strom und Gas, in diesem Winter ist die Unsicherheit von Millionen Menschen in diesem Land, ist jeder Strom- und Gasausfall, ist jede Insolvenz und jede Betriebsaufgabe dann auch Ihre Verantwortung. Reden Sie sich nicht mit 16 Jahren raus! Es geht hier um Ihr Krisenmanagement seit 6 Monaten; darum geht es.
(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 : 6! Das ist jetzt die neue Formel!)
Deutschland und die Deutschen bräuchten in dieser Lage nichts mehr als Zuversicht und Zusammenhalt. Sie müssen sich die Frage stellen, ob die Entscheidungen, die Sie treffen, und die Art, wie Sie Politik machen, wirklich geeignet sind, Zuversicht und Zusammenhalt im Land zu stärken. Mein Eindruck ist das nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 : 6! – Gegenruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Die Opposition stört euch! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind schon 16 Jahre Regierung gegen 6 Monate?)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Matthias Miersch.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538768 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 51 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Klimaschutz |