Matthias MierschSPD - Wirtschaft und Klimaschutz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Spahn, Sie haben eben gewünscht, dass wir auf Sie hören, dass Sie Mitverantwortung übernehmen können. Sie haben viele Jahre hier Verantwortung getragen, und sicherlich war nicht alles schlecht in der Großen Koalition.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie übrigens auch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Aber zum Thema Energiepolitik. Wenn eine Ampel die letzten 16 Jahre regiert hätte, wären wir dort jetzt tatsächlich zukunftsfest aufgestellt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der CDU/CSU und der AfD)
Und dazu, dass Sie auch jetzt noch in die Verantwortung gehen wollen, sage ich Ihnen: Ich bin heilfroh, dass Sie es nicht sind.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Matthias, das macht es alles nicht besser, was du gerade gesagt hast! Das macht es nicht besser!)
Nun ist es mit der Energiepolitik bei Ihnen so: Sie haben einen anderen Fachbereich gehabt. Deswegen nehme ich Ihnen das nicht so ganz übel. Aber statt hier so dicke Sprüche zu klopfen und Vorschläge zu machen, die dieses Land bereits im Frühjahr in die Knie gezwungen hätten, wäre, finde ich, eine gewisse Selbstreflexion angesagt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Als Partei- und Fraktionsvorsitzender haben Sie, Herr Merz, gestern große Worte gefunden. Sie haben hier im März – deswegen kann man es sich gut merken: der März-Spruch –
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Unsinn!)
ein Gasembargo gefordert. Wenn Sie die Verantwortung gehabt hätten, hätte es keine Möglichkeit gegeben, die Speicher zu füllen,
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wir wissen, dass das falsch ist!)
und die Preise wären vorher schon explodiert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Unfug! Grober Unfug!)
Das ist die Wahrheit,
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Grober Unfug!)
und damit müssen Sie sich auseinandersetzen und dürfen nicht einen Bundeswirtschaftsminister kritisieren, der Tag und Nacht versucht,
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
auch Versäumnisse Ihrer Politik wettzumachen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach Gott, der Arme! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Da glauben Sie doch selber nicht dran! Das ist Unfug!)
Aber richtig ist: Wir leben in Zeiten, die diese Gesellschaft auch vor große Herausforderungen stellt. Und wir haben gestern wieder einmal erlebt, dass es Gruppen in diesem Haus gibt, die sagen: Es muss diesem Volk schlecht gehen, weil wir dann politisch Profit daraus ziehen wollen.
(Beatrix von Storch [AfD]: So ein Schwachsinn! – Weitere Zurufe von der AfD)
Ich bin Ihnen, Herr Merz, dankbar, dass Sie gestern noch einmal bekannt haben: Alle demokratischen Parteien müssen hier zusammenhalten.
(Beatrix von Storch [AfD]: Genau!)
Dieser Populismus darf nicht durchkommen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Aber wenn man diesen Populismus bekämpfen will, dann muss man sehr aufpassen bei der Argumentation, die man hier als Opposition vorbringt. Die Menschen haben zu Recht, finde ich, die Erwartung, dass wir hier um den besten Weg streiten; aber dabei muss es um belastbare Lösungen gehen. Ich will Ihnen das an dieser Stelle sagen: So wie Sie mit dem Thema Atom in den letzten Monaten umgegangen sind, ist es für mich reiner Populismus. Die Atomkraft als Lösung in dieser Phase zu sehen, ist eine Sackgasse.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die Lösung ist es!)
Warum haben wir denn das Problem? Weil augenblicklich 32 der 56 Atomkraftwerke in Frankreich nicht am Netz sind, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Beatrix von Storch [AfD]: Ach!)
Und warum haben wir ein Problem im Süden Deutschlands? Weil Ihre Regierung in Bayern alles unterlassen hat, was zum Thema Erneuerbare notwendig gewesen wäre.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Quatsch! Wir sind führend bei erneuerbaren Energien in Bayern!)
Wenn Sie suggerieren, durch die Zuschaltung und Laufzeitverlängerung von drei Atomkraftwerken würde sich am Strompreis etwas ändern, dann machen Sie den Menschen etwas vor. Atomkraft ist nicht preismindernd.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Natürlich! Sie wollen doch das Strommarktdesign ändern! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Warum klatscht die FDP nicht? – Zurufe von der AfD)
Es gibt im Augenblick nur einen Weg, die Preisspirale in den Griff zu bekommen – der Bundeswirtschaftsminister hat zu Recht darauf hingewiesen –: Es muss ins System eingegriffen werden. Deswegen ist es richtig, was am Samstag beschlossen worden ist.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Was ist denn am Samstag beschlossen worden? Er hat doch heute was ganz anderes erzählt! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Durchhalteparolen! Unglaublich!)
Wenn Sie sagen: „Ja, wir machen das mit dem Stresstest, und dann muss es noch eine Laufzeitverlängerung geben“, dann will ich Ihnen schon sagen: Es ist elf Jahre her – elf Jahre! –, dass die Bundeskanzlerin Merkel an dieser Stelle hier gesagt hat:
In Fukushima haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass selbst in einem Hochtechnologieland wie Japan
(Beatrix von Storch [AfD]: Nach einem Tsunami! – Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
die Risiken der Kernenergie nicht sicher beherrscht werden können.
Daraus ist eine Riesendiskussion entstanden,
(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
und wir alle haben in diesem Hause den Ausstiegsbeschluss einvernehmlich gefasst, weil wir wussten, dass Atomkraft keine Lösung ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich unterstelle Ihnen: Sie haben das aus machttaktischen Gründen gemacht. Sie sind nie davon überzeugt gewesen. Deswegen präsentieren Sie jetzt wieder eine Scheinlösung, weil Sie parallel dazu die letzten Jahre alles getan haben, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Deshalb ist der Anteil von 10 auf 45 Prozent gestiegen!)
Wenn Sie suggerieren, dass man durch die Laufzeitverlängerung Versorgungssicherheit sicherstellen könnte,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann lieber Öl?)
dann sage ich Ihnen: Sie setzen wieder aufs falsche Pferd. Was wir jetzt brauchen, ist in der Tat die Reservekraft, die wir jetzt durch Kohle zur Verfügung stellen, auch das Ausschöpfen der Potenziale von Biogas etc., aber vor allem den maximalen Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Monaten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir werden uns das in zwei Jahren mal anschauen!)
Und – das sage ich für die SPD-Fraktion –: Auch im Bereich Wärme muss das, was die Regierung zum Thema Strompreis vorgedacht hat, Realität werden.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Da hat sie doch nichts vorgedacht!)
Auch für den Bereich Wärme brauchen wir systemische Eingriffe in den Markt. Wir können nicht gegensubventionieren, wenn die Preise explodieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir sind sicher, dass die eingesetzte Kommission – denn nichts ist trivial – in den nächsten Wochen diesem Parlament belastbare Vorschläge macht, damit wir auch das Thema Wärme in den Griff bekommen und für Verbraucherinnen und Verbraucher und für Unternehmen Sicherheit in diesem elementaren Bereich gewährleisten können.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber wir wissen auch, dass alles besser ist, wenn wir es europäisch machen.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Oh Gott!)
Deswegen: Lieber Robert Habeck, alles Gute für morgen! Die Europäische Union – das will ich hier betonen – steht vor einer großen Belastungsprobe. Es muss geliefert werden. Wenn nicht geliefert wird, müssen wir hier nationalstaatlich in diesen Elementen vorgehen.
(Enrico Komning [AfD]: Das ist ja was ganz Neues!)
Das steht für uns als sozialdemokratische Fraktion fest. Energie ist Daseinsvorsorge. Wir brauchen einen starken Staat, der den Menschen jetzt Sicherheit gibt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Leif-Erik Holm.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538769 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 51 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Klimaschutz |