08.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 51 / Einzelplan 15

Stephan PilsingerCDU/CSU - Gesundheit

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom früheren US-Präsidenten Woodrow Wilson stammt das Zitat: „Wer keine Vision hat, vermag weder, große Hoffnungen zu erfüllen, noch, große Vorhaben zu verwirklichen.“ Wenn man sich Ihren Haushaltsentwurf und den hier zentralen Gesetzentwurf zur Stabilisierung der GKV-Finanzen anschaut, sehr geehrter Herr Minister Lauterbach, ist weder erkennbar, dass Sie so etwas wie eine Vision von einer zukunftsfesten Gesundheitspolitik haben, noch, dass Sie große Vorhaben auch nur skizzieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieses Gesetz ist Flickwerk und stellt einen fast schon verzweifelten Versuch dar, das 17‑Milliarden-Loch im GKV-Finanzsystem für 2023 vorübergehend schließen zu können. Wir haben hier ein Sammelsurium von unkoordinierten Maßnahmen vor uns, die in keiner Weise strukturelle, nachhaltig wirkende Lösungen zur dauerhaften Stabilisierung der GKV-Finanzen darstellen. Sie schmelzen zum Beispiel die ohnehin schon dünnen Finanzreserven der Krankenkassen auf ein Niveau ab, das den Kassen in jeglicher unvorhersehbaren Situation finanziell die Luft abschneiden wird und Planungssicherheit unmöglich macht. Das ist unverantwortlich und wird zu Kasseninsolvenzen führen.

Herr Kollege, die Frau Kollegin Klein-Schmeink will Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die gerne zulassen?

Ach, das dauert heute eh schon so lange hier, und die Grünen lassen ja auch keine Fragen zu.

Dann also nicht.

Es ist absurd, die Neupatientenregelung, die Sie in der letzten Legislaturperiode selbst forciert haben, wieder zu streichen – mit der absehbaren Konsequenz, dass viele Neupatienten keinen Termin bekommen werden.

Auch dass Sie den Herstellerrabatt für patentgeschützte Arzneimittel im Jahr 2023 um 5 Prozentpunkte von 7 auf 12 Prozent erhöhen wollen, ist kontraproduktiv. Das bis 2022 geltende Preismoratorium für Arzneimittel wird um weitere vier Jahre verlängert. Mit diesen und weiteren geplanten arzneimittelpolitischen Einschnitten gefährden Sie jegliche Innovation auf unserem Arzneimittelmarkt und damit den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland, auch im internationalen Wettbewerb.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie den Apothekenabschlag von 1,77 Euro auf 2 Euro je Arzneimittelpackung erhöhen, belastet das unsere Apotheken in der Krise finanziell spürbar und gefährdet die Versorgung mit Arzneimitteln, gerade im ländlichen Raum.

Und: Dass Sie die Honorierung der Vertragszahnärzte durch eine Budgetierung kürzen und so innovative, hochwirksame Behandlungen wie etwa die Parodontitisbehandlung faktisch einschränken, wenn nicht verhindern, führt zu einer zahnlosen Politik im wahrsten Sinne des Wortes. – Die Giftliste undurchdachter Schnellschüsse ließe sich fortsetzen.

Herr Bundesminister, wenn Sie durch Ihre Maßnahmen wenigstens eine nachhaltige, systematische Lösung erreichen würden, wären diese Punkte noch irgendwie diskutabel, aber das ist bei Ihrer nur kurzsichtigen Flickschusterei keinesfalls der Fall. Nach aktuellen Prognosen des renommierten Instituts IGES würde sich das Defizit bis 2040 auf 217 Milliarden Euro ausdehnen, wenn das Problem nicht strukturell angepackt wird.

Herr Bundesminister, wir wollen Sie als neue Serviceopposition im Bundestag nicht immer nur kritisieren. Deshalb machen wir Ihnen gerne zwei konkrete Vorschläge für dauerhaft wirkende Maßnahmen:

Erstens: Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent. Warum zahle ich als Verbraucher 7 Prozent auf Grundnahrungsmittel, auf lebensrettende oder lebenserhaltende Medikamente aber 19 Prozent?

Zweitens: die auch in Ihrem Koalitionsvertrag beabsichtigte und längst überfällige Erhöhung der Bundeszuschüsse für die Bezieher von Arbeitslosengeld II endlich umsetzen. Es kann doch nicht sein, dass nur die gesetzlich Versicherten für die ALG‑II-Empfänger aufkommen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Allein diese beiden Maßnahmen würden der GKV nach Berechnungen des GKV-Spitzenverbandes jährlich 16 Milliarden Euro sparen; sie würden also um fast den Betrag des für 2023 prognostizierten Defizits entlasten.

Zu einer langfristig wirkenden Lösung gehört es auch, die versicherungsfremden Leistungen genauer in den Blick zu nehmen, diese Leistungen überhaupt erst mal klar zu definieren, sie regelmäßig auf deren Sinnhaftigkeit und Bezahlbarkeit hin zu überprüfen und, wo ordnungspolitisch angebracht, über den regulären Staatshaushalt laufen zu lassen – nicht über den Gesundheitsfonds. So empfiehlt es auch der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom 1. Februar 2021.

Herr Minister Lauterbach, durch Ihre Flickschusterei schaden Sie nicht nur der medizinischen Versorgung in Deutschland, sondern Sie halten auch den absehbaren Beitragstsunami nicht auf. Bereits in den Jahren 2024 und 2025 werden die Zusatzbeiträge wahrscheinlich um jeweils 1 Prozent steigen, wenn Sie so weiterwursteln. Das sind dann für drei Jahre Beitragssteigerungen von 2 bis 2,5 Prozent. Das belastet die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dieser so schwierigen und sehr komplizierten wirtschaftlichen Lage noch zusätzlich.

Haben Sie endlich Visionen, Herr Lauterbach, packen Sie die großen notwendigen Reformen an, und geben Sie den Menschen in diesem Land Hoffnung auf eine gute und bezahlbare medizinische Versorgung auch über 2023 hinaus!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Johannes Wagner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538808
Wahlperiode 20
Sitzung 51
Tagesordnungspunkt Gesundheit
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