08.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 51 / Einzelplan 08

Christian HaaseCDU/CSU - Finanzen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle haben in den letzten Wochen sicherlich den Bericht des Bundesrechnungshofes zur Lage der Bundesfinanzen für die Haushaltsberatungen 2023 gelesen. Selten hat es so eine fundamentale, aber auch berechtigte Kritik vom Bundesrechnungshof am Bundeshaushalt gegeben: fehlende Transparenz, nur scheinbare Einsparungen, zum Beispiel beim Personal, und bedenkliche Schieflagen zulasten des Bundes. Abschließend – und das ist die Essenz, die wir für unsere Beratungen auf jeden Fall mitnehmen wollten – der flammende Appell des Bundesrechnungshofes, sich jetzt nicht noch in neue Schulden zu flüchten. Das hat der Bundesrechnungshof schon in einem weiteren Bericht zur Tragfähigkeit der Staatsfinanzen gemacht; deshalb, glaube ich, ist das sehr wichtig. Der Bundesrechnungshof kommt dann abschließend zu dem Ergebnis, dass man jetzt klare, wenn auch schmerzhafte Entscheidungen braucht, um wieder auf ein verantwortbares Niveau im Bundeshaushalt zu kommen. Besser hätte ich es selbst nicht sagen können.

Sie, Herr Bundesfinanzminister Lindner, können mir an dieser Stelle fast leidtun. Sie müssen immer wieder gute Miene zum bösen Spiel der Ampel machen: geplatzte Flüssiggasdeals, die erste Energiepauschale, bei der man Rentner und Studenten vergisst, der Weiterbetrieb der KKWs wird verzögert und eine völlig missratene Gasumlage. Ein Chaos jagt in dieser Regierung das nächste, und die Lösung ist oftmals die Gießkanne, mit der dann Geld über das ganze Land ausgegossen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt gibt es ein neues Entlastungspaket. Darin werden hier und da alte Fehler korrigiert; ich habe darauf hingewiesen. Man nimmt Gott sei Dank einige unserer Vorschläge aus Murnau auf, auch wenn Sie sie eben kritisiert haben. Einen Teil davon haben Sie offensichtlich am nächsten Tag aufgenommen und abgeschrieben. Leider bleibt die Finanzierung für mich etwas unklar. 36 Milliarden Euro, hören wir heute; 10 Milliarden Euro sind noch vollkommen ungedeckt im Bundeshaushalt, und natürlich fehlt auch der Teil, den dann die Länder übernehmen wollen.

Sie haben kritisiert, dass wir in der Vergangenheit zur Finanzierung von Entlastungspaketen die Rücklage einsetzen wollten. Das haben wir tatsächlich im Rahmen der Beratungen für den Bundeshaushalt 2022 vorgeschlagen, um – schon zu diesem Zeitpunkt – die kalte Progression zurückzuführen, um den Menschen das Geld wiederzugeben, welches seinerzeit aufgrund der hohen Inflation aus ihren Taschen geflossen ist. Wenn Sie das jetzt kritisieren, dann müssten Sie Ihren eigenen Haushalt anders aufstellen oder hätten Ihrem eigenen Entlastungspaket nicht zustimmen dürfen. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Entlastungspaket. Die Angebotsseite bei der Energie – wir wissen das alle – fehlt vollkommen. Leider ist das vollkommen ausgeblendet worden. Die Sozialversicherung geht weiter in eine Unterfinanzierung. Wir alle wissen, dass sie auf sehr wackligen Beinen steht; hier steht weniger Geld zur Verfügung. Die „Abschöpfung von Zufallsgewinnen“ ist eine tolle neue Kreation für das Wort „Steuererhöhung“. Das müssen Sie sich eingestehen in der Ampel. Am Ende wird das die erste Steuererhöhung sein, die Sie gemeinsam beschließen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Dann müsste sie ja im Haushalt sein! – Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das Konzept noch nicht verstanden!)

Dieses ziellose Stolpern zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit der Ampelregierung, und das können wir uns in diesen Zeiten, in denen es so schlecht läuft, eigentlich nicht leisten.

Deshalb haben wir als Opposition und werden wir als Opposition Vorschläge machen, um Ihnen zu zeigen, wie es besser gehen würde. Wir verstehen uns tatsächlich – diese Wortkreation kommt ja aus der FDP – als Serviceopposition. Wir machen hier nicht auf Radau, auch wenn es uns manche unterstellen wollen,

(Timon Gremmels [SPD]: Wer wollte denn den Hammelsprung?)

sondern wir werden hier vernünftige Vorschläge machen.

Die Situation im Haushalt ist nicht vollkommen neu, aber vor der Coronazeit hatten wir noch Haushaltsüberschüsse, wir haben keine Schulden gemacht, und natürlich war es dann auch möglich, bei der einen oder anderen Sache etwas großzügiger zu sein. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Der Haushalt ist auf Kante genäht, und wir müssen an allen Stellen abwägen, was notwendig ist.

Allein schon deshalb ist es richtig, dass die Schuldenbremse überhaupt nicht zur Diskussion steht. Ich frage mich, wie etwas, was im Grundgesetz steht und was wir jederzeit einhalten müssen, andauernd wieder diskutiert wird.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Man kann das Grundgesetz auch ändern!)

Der Bundesfinanzminister hat mehrfach in der Vergangenheit darauf hingewiesen. Herr Toncar hat es bei der Einbringung des Haushalts auch noch einmal allen erklärt. Natürlich ist es auch ökonomisch sinnvoll, jetzt die Schuldenbremse einzuhalten. Neue Schulden heißt Anheizen der Inflation. Wir wollen doch, dass unsere Kinder und Enkel noch eigene Entscheidungen treffen können. Deshalb ist es falsch, die Schuldenbremse anzugehen.

Während Herr Toncar da sehr klar war, muss ich bei Ihnen, Herr Lindner, jetzt einmal nachfragen. Sie haben gestern gesagt, als Ultima Ratio könnten Sie doch noch einmal über die Schuldenbremse nachdenken – als Ultima Ratio, das haben Sie ausdrücklich gesagt. Ich denke mir: Das ist ja keine politische Entscheidung. Darauf haben Sie auch immer hingewiesen.

Was sind denn die Voraussetzungen für das Aussetzen der Schuldenbremse? Es bedarf einer außergewöhnlichen Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist Krieg!)

„Außergewöhnliche Notsituation“ ist sicherlich ein Begriff, über den man reden kann. Zur „Kontrolle des Staates“: Das, was Herr Habeck sich in dieser Woche geleistet hat bei seinen Ausführungen zu Wirtschaft und Energie, ist ein Kontrollverlust. Ja, das sehe ich auch so. Das ist aber kein exogener Schock, das ist ein Kontrollverlust unserer Regierung. Das ist schlimm genug, aber kein Grund, jetzt die Schuldenbremse aufzuheben, nur weil Herr Habeck einen Fehler nach dem anderen macht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Früher habt ihr besser argumentiert!)

Der letzte Punkt, den ich ansprechen will, ist das Thema Zinsen. Die Zinskosten betragen nächstes Jahr erstmals wieder 30 Milliarden Euro. Das ist das Erbe von Olaf Scholz, und zwar in zweierlei Hinsicht. Er hat zum einen zu viele inflationsindexierte Papiere ausgegeben und zum anderen, anstatt langfristige Anleihen mit niedrigen Zinscoupons auszugeben, die alten hochverzinslichen Anleihen aufgestockt und das Agio immer wieder verbraucht.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Schäuble auch gemacht! Das war in jeder CDU-geführten Regierung so!)

Jetzt haben wir ein Disagio und müssen 30 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen. Das ist das Erbe von Olaf Scholz. Er hat die Zinswende verpennt.

Trotzdem freue ich mich auf gute Beratungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Dr. Thorsten Rudolph.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538855
Wahlperiode 20
Sitzung 51
Tagesordnungspunkt Finanzen
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