09.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 52 / Einzelplan 06

Alexander ThromCDU/CSU - Inneres und Heimat

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man über den Haushalt des Innenministeriums etwas Positives sagen will, dann das, dass er aus finanzpolitischer Sicht ein Sparhaushalt ist. Aber genau das ist das Problem. Aus innenpolitischer Sicht ist er eine Katastrophe.

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, wir hätten eine Zeitenwende. Ja, wir haben eine Zeitenwende, nur ist davon in Ihrem Haushalt nichts zu merken. Sie kürzen den Etat des Innern von fast 15 Milliarden Euro um 2,3 Milliarden Euro auf 12,7 Milliarden Euro.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

Das ist innenpolitisch ein Offenbarungseid.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie fallen damit auf den Stand von 2017 zurück und nicht auf den Stand von 2020, als die Gelder für die Konjunkturpakete eingestellt wurden. 2017 – das war weit vor dem Krieg in der Ukraine, weit vor Corona, weit vor den Fluten. Ihr Vergleich mit der Finanzplanung, Frau Ministerin, wirkt schlicht hilflos.

Ich bin mir sicher, Sie haben beim Finanzminister für mehr geworben, aber verloren. Ihre Amtsvorgänger haben jeweils steigende Ansätze für ihre Haushalte einwerben können. Offensichtlich ist bei der Ampel die Innenpolitik, die innere Sicherheit nicht so hoch angesehen. Nein, Frau Ministerin, Sie sind das letzte Jahr durch das Land gereist, haben viele Ankündigungen gemacht, aber von Umsetzung keine Spur. Sie können mit diesen Zahlen nicht das halten, was Sie versprochen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben natürlich eine Zeitenwende seit dem 24. Februar, sodass wir die Sicherheitsbehörden auch entsprechend aufstellen müssen und auch aufrüsten.

Wer hat das gesagt? Das waren Sie, Frau Faeser. Am 8. August sagten Sie in einem Interview in der „Welt“, dass wir die Sicherheitsbehörden auch aufrüsten müssten. Aufrüsten heißt für Sie: ein Minus im Sicherheitsbereich von über 1,4 Milliarden Euro.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

Allein bei der Bundespolizei 400 Millionen Euro weniger! Und das in Zeiten einer Migrationskrise, von Flutgefahren und anderem. So kündigen Sie ja an, dass wir einen schwierigen Winter vor uns haben. Frau Ministerin, das passt nicht zusammen.

Dann gibt es weitere Ankündigungen von Ihnen, auch in der „Bild“-Zeitung. So wollen Sie – das haben Sie heute auch gesagt – Hass und Hetze und insbesondere Kinderpornografie und Kindesmissbrauch bekämpfen. Hier ist überhaupt noch nichts umgesetzt. Auch beim BKA sparen Sie, zwar nur 25 Millionen Euro, aber Sie kürzen dort. Diese Kürzungen passen mit Ihren Versprechungen nicht zusammen. Sie sind schlicht eine Ankündigungsministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sprechen dann auch von einem Neustart im Bevölkerungsschutz, so jedenfalls die Erfindung Ihrer PR-Abteilung. Sie haben dabei bloß übersehen, dass der Neustart bereits 2019 begonnen hat. Ihr Neustart ist ein Fehlstart;

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist die größte Luftnummer!)

denn Sie kürzen die Mittel für das THW um 40 Prozent und für das BBK um 30 Prozent. Das passt nicht zusammen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ja, genau!)

Sie waren in diesem Frühjahr auf der Innenministerkonferenz. Die Innenminister haben dort 10 Milliarden Euro in zehn Jahren für Bevölkerungs- und Zivilschutz gefordert, und Sie haben dem zugestimmt.

(Zuruf der Bundesministerin Nancy Faeser)

Jedenfalls haben die Innenminister Sie so verstanden, dass diese Forderung von Ihnen unterstützt wird. Nun gehen Sie aber mehr zurück als nach vorne. Das ist nicht in Ordnung und nicht verantwortbar, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur ein kleines Beispiel. Sie haben irgendwann in diesem Sommer davon gesprochen, dass Ehrenamtliche früher in Rente gehen können sollten. Aber bei den Mitteln für die Helfergewinnung, also wo es darum geht, Ehrenamtliche zu gewinnen, beispielsweise beim THW, machen Sie eine Vollbremsung praktisch auf null: von 7,6 Millionen Euro auf 0,6 Millionen Euro im nächsten Jahr.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Vollbremsung!)

Damit kann die Helfergewinnung nicht mehr in dem Maße stattfinden, wie sie für das THW und für einen resilienten Bevölkerungsschutz notwendig ist. Frau Ministerin, Ihnen war die Schlagzeile wichtiger, als tatsächlich Ehrenamtliche zu fördern und zu gewinnen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Schlimm!)

In der Migrationspolitik sieht es ähnlich aus. Sie sprechen immer so schön von einem Paradigmenwechsel, den Sie vornehmen wollen. Dazu sollen die Integrationskurse für alle von Anfang an geöffnet werden. Der Haushalt sagt da aber etwas anderes: Da werden die Mittel für Integrationskurse um 10 Prozent gekürzt und die für Migrationsberatung für Erwachsene gar um 23 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, insbesondere von den Grünen, das hätte sich ein Unionsinnenminister einmal trauen sollen in einer Situation, in der wir in Deutschland mehr Zuwanderung mit Fluchthintergrund haben als jemals zuvor!

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann, Frau Ministerin, verkünden Sie einen Durchbruch in der europäischen Migrationspolitik beim Gipfel der Innenminister im Juni. Ehrlich gesagt war ich zunächst durchaus beeindruckt, allerdings sozusagen im negativen Sinne, weil ich Schlimmes befürchtet habe.

(Sebastian Hartmann [SPD]: So kann man sich irren!)

Ein paar Tage später nach Ihrer großen Pressemeldung sickerte dann durch, dass sich die Innenminister Europas auf ganze 10 000 Menschen geeinigt haben, die sie verteilen wollen. Liebe Frau Ministerin, das ist kein Durchbruch, das ist schlicht eine Luftnummer angesichts der Quantität.

(Zuruf des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Herr Kollege, hören Sie zu!

(Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch gar keine Ahnung!)

Wir haben jeden Monat 10 000 Menschen, die nach Deutschland kommen, aus Syrien, aus Afghanistan, aus dem Irak. Im August waren es 16 000 Erstanträge, und die Zahl wächst, insgesamt sind es 2022 schon 132 000.

(Sebastian Hartmann [SPD]: Reden Sie doch einmal von Horst Seehofer! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ich habe noch gar nicht angefangen, bleiben Sie doch mal ruhig. – Und da sind die Menschen aus der Ukraine noch gar nicht dabei. Die Länder, die Kommunen schreien Alarm,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

die ersten Turnhallen werden belegt. Sie in der Ampel und auch Sie, Frau Ministerin, sind sich dieser Realität offensichtlich nicht bewusst. Sie schreiben Presseerklärungen, in denen Sie in blumigen Worten den Kommunen Danke sagen. Die Kommunen aber brauchen Hilfe, sie brauchen Unterstützung, sie brauchen vor allem eine Migrationssteuerung, durch die dafür gesorgt wird, dass sie entlastet werden und der Zuzug nicht täglich stärker wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Oster [CDU/CSU]: Kein Wort von der Ministerin dazu! Kein Wort!)

Noch etwas. Sie haben im Zusammenhang mit diesem angeblichen Durchbruch gesagt, dass sich die Länder, die sich bei der Aufnahme nicht beteiligen wollen, finanziell entsprechend engagieren sollen. Ich habe Sie in diesem Sommer über eine Abgeordnetenanfrage dazu gefragt. Da musste Ihr Ministerium antworten, dass es im Ministerium über diese Zahlungen keinerlei Erkenntnisse gebe. Frau Ministerin, Sie sind mehr an der großen Schlagzeile interessiert als an der tatsächlichen Problemlösung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Recht hat er! – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn einem sonst nichts mehr einfällt!)

Ungeachtet der Zeitenwende halten Sie an Ihrem Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik fest, als ob wir nicht das Jahr mit der höchsten Zuwanderung in Deutschland hätten, als ob wir nicht den Krieg in der Ukraine hätten. Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Wir wollen den Ukrainerinnen und Ukrainern helfen.

(Sebastian Hartmann [SPD]: Dann sind wir uns doch einig!)

Aber beenden Sie Ihre migrationspolitische Geisterfahrt!

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie fahren in eine andere Richtung als alle anderen europäischen Länder. Dort wird nämlich illegale Migration begrenzt.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau! – Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie die lieber in Lager sperren?)

Sie dagegen öffnen der illegalen Migration durch Anreize und Pull-Effekte Tür und Tor. Sie begehen damit einen Sonderweg in Europa,

(Sebastian Hartmann [SPD]: Sie fallen der Ukraine in den Rücken!)

und das ist in diesen Zeiten nicht richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Schluss ein kleiner Tipp für Ihren Sparhaushalt. Wenn Sie schon neun Monate das Amt des Sonderbevollmächtigten für Rückführungsabkommen und auch das Amt des Migrationsstaatssekretärs nicht besetzen,

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann streichen Sie diese Stellen doch einfach im Haushalt – und Sie sind weiter lieb Kind beim Finanzminister.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Jamila Schäfer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538970
Wahlperiode 20
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Inneres und Heimat
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