09.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 52 / Einzelplan 06

Marc HenrichmannCDU/CSU - Inneres und Heimat

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Tagen beim Parlamentarischen Abend der Reserve der Bundeswehr hat die Verteidigungsministerin den Satz geprägt, der Haushalt sei der Test, ob eine Regierung nicht nur redet, sondern auch handelt. Aus ihrem Mund entbehrt das nicht einer gewissen Ironie, weil, so glaube ich, mancher in ihrem Ministerium oder in der Ukraine froh wäre, wenn sie wenigstens mal mit ihnen reden würde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber der Satz ist ja richtig.

Im Resümee müssen wir festhalten, dass auch Sie, Frau Faeser, diesen Test leider nicht bestehen – ganz im Gegenteil. Sie legen Ihrem Hause mit diesem Entwurf Handschellen in zentralen Feldern wie Integration und Migration an. Diese Kürzungen in einer Zeit, in der die Migrationszahlen dramatisch ansteigen, sind sicherlich ein falsches Signal, genauso wie die Auflösung des Expertenkreises Politischer Islamismus.

Beim Thema THW hätten einige hier aus den Koalitionsfraktionen den Tonfall etwas drosseln sollen; denn die Kürzungen beim THW – insgesamt fast 160 Millionen Euro – werden ja im Wesentlichen beim Ehrenamt und bei der Ausbildung der Ehrenamtlichen spürbar sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darüber besteht in der Ampel keine Einigkeit. Vielmehr ist es so, dass von THW-Ortsverbänden zu vernehmen ist, dass aus der SPD das Signal kommt, man hätte ja mehr getan, aber der böse Finanzminister habe das nicht zugelassen; hier ist die Einigkeit groß. Aber wenn wir alle der Meinung sind, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz hat in diesen Zeiten oberste Priorität, dann erwarten wir, glaube ich, alle zu Recht, dass die Innenministerin auch zum Finanzminister geht – wenn er das dann nicht versteht –, breitschultrig auftritt und sagt: Wir brauchen das Geld für das Ehrenamt im Bevölkerungsschutz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Faeser, Sie haben ja auch viele richtige Ansätze; mit der Cybersicherheitsagenda haben Sie wichtige Punkte gesetzt. Es ist richtig, Unternehmen vor erpresserischen Hackern zu schützen; es ist richtig, die KRITIS vor dem Kollaps zu bewahren, Bürger sicher im Netz surfen zu lassen. Dann kommt der Haushalt, und dann sage nicht nur ich: „Das ist ambitionslos“, sondern dann schreibt zum Beispiel der „Tagesspiegel“, es sei ein ambitionierter Plan, aber im Haushalt sei davon wenig zu sehen – oder aber: „Viel Agenda, wenig Stellen“.

Wenig Stellen: Das BSI ist hier genannt. Das BSI soll eine Zentralstelle werden und deutschlandweit federführend agieren. Die Abstimmungsprozesse werden ein Ausmaß annehmen, das wahrscheinlich nicht mal eben zu bewältigen ist. Stellenzuwachs in diesem Bereich? Fehlanzeige. Null. So wird man den Herausforderungen hier sicherlich nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Thorsten Lieb [FDP]: Haben Sie sich den Personalplan angesehen?)

Und auch wenn es beim BKA 167 neue Stellen geben soll, heißt es aus den Reihen des BKA: Mensch, wir wissen noch gar nicht, ob die Stellen für die Aufgaben, die wir im Bereich Cybercrime leisten sollen, überhaupt reichen.

Das Bild, was sich hier abzeichnet, ist: Da wird einfach eine Zahl für Personal rausgerotzt, und keiner weiß, ob sie ausreicht, was dieses Personal machen soll. Das ist ein Blindflug. Sie wissen nicht, wo Sie hinwollen, und genau das sagt leider dieser Haushalt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Hartmann [SPD]: Nein!)

Ich will mal zwei Beispiele kurz anreißen. Die Verkehrsdatenspeicherung: Wir sind uns einig – jedenfalls die Union mit Ihnen, glaube ich –, dass wir diesen ekelhaften Sumpf der Kinderschänder in Deutschland endlich trockenlegen wollen. Genau das haben Sie im April dieses Jahres gesagt: Wir brauchen – Zitat sogar – die Vorratsdatenspeicherung. Ihr Zitat. Dann haben die Ampelfraktionen innerlich getobt; und danach haben Sie das irgendwann aufgeweicht und gesagt: Ja, so habe ich es vielleicht gar nicht gemeint. – Dann schrieb die Presse: Nur noch bestimmte IP‑Adressen sollten gespeichert werden.

Wenn wir aber der Meinung sind, dass wir gegen Kinderschänderei in Deutschland aktiv vorgehen wollen, dass wir den Ermittlungsbehörden auch die Instrumente an die Hand geben wollen, dann haben wir einen Weg hier geboten. Wir als Union haben am 24. Juni im Deutschen Bundestag einen Antrag vorgelegt; der ist aber kategorisch abgelehnt worden.

(Dr. Thorsten Lieb [FDP]: Zu Recht! Weil es der falsche Weg ist!)

Man könnte ja meinen: Okay, bekehrt, anderer Weg, alles gut. – Stattdessen kam vor wenigen Tagen beim Herbstfest der Sicherheitsbehörden die Aussage: Die Wiedereinführung sei im Kampf gegen Kindesmissbrauch unbedingt erforderlich,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

und es müssen den Ermittlern die Instrumente an die Hand gegeben werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Innenministerin, ich erwarte jetzt mal, dass den Worten Taten folgen und dass Sie auch Ihre Fraktion mal auf Linie bringen. Wo wollen Sie denn eigentlich hin? Das ist kein Kurs, und das hilft auch nicht unseren Ermittlungsbehörden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Bereich aktiver Cyberabwehr haben wir das gleiche Thema; da wird immer von „Hackbacks“ geredet. Ich bin ein bisschen verwirrt, weil, ehrlich gesagt, aktive Cyberabwehr mehr ist als der Hackback. Aber aus Ihrem Mund soll gekommen sein – im April haben Sie das Interview gegeben –, dass Hackbacks – Zitat – „unvermeidbar“ seien und man Fragen der Sicherheit nicht ideologisch angehen dürfe. Im Juli berichtete die Presse: Frau Faeser lehnt Hackbacks ab. – So. Im April haben Sie bei der Beratung der Grundgesetzänderung angekündigt, die notwendig war

(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Stichwort: Zentralstelle BSI –, dass Sie zügig auf die Union zugehen wollen, um die Zweidrittelmehrheit zu beschaffen.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Pressemappe kann ich selber lesen!)

Jetzt ist fraglich, ob die Grundgesetzänderung uns da irgendwie hilft. Ich weiß, es gibt viele Skeptiker. Aber wenn Sie im April sagen, Sie wollen schnell auf die Union zugehen und es bis heute offenbar nicht passiert ist, dann frage ich mich: Was ist denn Ihre Definition von „schnell“ im Bereich Kriminalitätsbekämpfung im Netz?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ob Verkehrsdatenspeicherung oder Cybercrime: Sie haben jede Position mittlerweile mindestens einmal geändert und wieder zurück, und eine Umsetzung ist bis heute kategorisch Fehlanzeige. Wenn man sich informieren möchte, liest man oft: Cyber, die unsichtbare Gefahr. – Ich glaube, die größte Gefahr für die Menschen und die Sicherheit in diesem Lande ist in diesem Feld eine unsichtbare Innenministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist ja ein offenes Geheimnis, Frau Faeser, dass Sie dieses Ressort nicht gewollt haben, dass es nicht Ihre Leidenschaft war und dass Ihr Ziel vielleicht etwas weiter südlich, in Hessen, liegt.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Haushalt des Bundesinnenministeriums sinkt um 2,2 Milliarden Euro. Da kann man sagen: Klar, wir leben in Zeiten, wo man sparen muss. – Aber ich erwarte jetzt eine Schwerpunktsetzung. Ich erwarte Durchsetzung, Autorität und auch die Einnordung der Ampelfraktionen oder zumindest Kompromisse, die wir mit Blick auf die Sicherheit in diesem Land brauchen. Wenn der Haushalt der Test der Handlungsfähigkeit war, dann haben Sie ihn auf jeden Fall nicht bestanden. Und das ist schlecht für die Sicherheit in diesem Land. Es gibt sehr viel nachzubessern an diesem Haushalt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nächster Redner ist der Abgeordnete Stefan Seidler.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538986
Wahlperiode 20
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Inneres und Heimat
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