Wiebke EsdarSPD - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2023
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich meine Rede damit beginnen, aufzulisten, welche Entlastungsmaßnahmen wir alle schon auf den Weg gebracht haben; aber das hätte zu viel Redezeit gekostet.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Schade!)
Darum: Alle Interessierten finden die Auflistung ganz einfach auf der Homepage der Bundesregierung. – Dass es so viele Maßnahmen sind – so mokieren sich jetzt einige Kritiker –, würde das Ganze unübersichtlich machen. Aber ich sage: Das passt zum Motto der Bundesregierung, nämlich „You’ll never walk alone“ – wir lassen niemanden in dieser Krise allein.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist mit der Herausforderung verbunden – das haben wir in dieser Woche erlebt –, dass die eine oder andere Person der Opposition die Situation vielleicht etwas kritischer darstellt, weil sie vergisst, welche weiteren Maßnahmen es gibt, wenn sie Beispiele individueller Belastung nennt. Ich wünsche mir, dass wir in den nächsten Wochen damit ehrlich umgehen. Klar ist darum für mich: Diese Regierung hat geliefert. Wir entlasten alle Menschen, und wir entlasten diejenigen, die mehr Entlastung brauchen, auch mit mehr Hilfen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es gibt in dieser Debatte – das hat die Woche gezeigt – natürlich immer diejenigen, die noch mehr fordern. Ich habe wirklich oft Verständnis für die Vorschläge, die von linker Seite kommen, auch wenn Sie dabei Teile weiterer Maßnahmen vergessen.
(Janine Wissler [DIE LINKE]: Welche denn? Kindergeld, oder was?)
Ich kann das oft nachvollziehen. Es ist nur immer die Frage, wie viel Realitätscheck man machen muss, wenn man als Teil einer Koalition in den Haushaltsverhandlungen steht.
Mir fällt es aber – dieses Beispiel möchte ich doch noch ausführen – an der ein oder anderen Stelle schwer, Verständnis für Forderungen nach einem Mehr aufzubringen. So will ich herausgreifen den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, den Ministerpräsidenten des größten Bundeslandes, der in der Generaldebatte am Mittwoch auch hier war – einen Teil der Debatte hat er sich angeguckt; zu Wort gemeldet hat er sich nicht –, und das ist Hendrik Wüst.
Die Union ist ja nun auch in Regierungsverantwortung, und ich bin an der Stelle doch verwundert. Er ist dann früher gegangen,
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Es war kein einziger SPD-Ministerpräsident da! Ganz dünnes Eis!)
aufs Boot gegangen, um ein bisschen Presse zu machen und dann mit einem Nein im Bundesrat zu drohen. Wenn er als Landespolitiker mit dem Finger auf die Bundespolitik zeigt, dann erlaube ich mir als Bundespolitikerin doch mal die Frage: Welche Hausaufgaben hat der Ministerpräsident denn eigentlich in seiner Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gemacht?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Yannick Bury [CDU/CSU]: Was sagt denn Frau Rehlinger?)
Ich sage das auch deswegen – es ist vielen oft nicht so präsent –, weil 52 Prozent der Steuereinnahmen dieses Staates an die Länder gehen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
Es ist nicht so, dass wir hier die Mehrheit des Steueraufkommens zu verteilen haben, sondern die Mehrheit geht an die Länder.
Als Bildungspolitikerin will ich mal die Frage stellen: Was trifft eigentlich für die Bildungspolitik in den Ländern zu? Die Bildungspolitik, von Kita über Schule bis zur Hochschule, ist ja nun mal originäre Landesaufgabe. Die Träger der Kitas in NRW haben keine Rücklagen, weil die Gesetzeslage vorsieht, dass sie gar keine Rücklagen machen dürfen; so steht es im Kinderbildungsgesetz. Aber eine Antwort der Landesregierung auf die Kostensteigerungen in den Kitas, die dramatisch sind und deren Existenz bedrohen, ist bisher nicht vorhanden.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Kritisieren Sie eigentlich gerade Ihren grünen Koalitionspartner?)
Ich gehe weiter zum Thema Schule. Es gibt die sogenannten Ersatzschulen, die Berufskollegs. In Bielefeld wird voraussichtlich eins geschlossen werden müssen, weil der Träger, obwohl er dort jedes Jahr eine halbe Million Euro Eigenmittel einsetzt, weil die Berufskollegs nicht auskömmlich finanziert sind, das alles nicht weiter leisten kann. Und die Antwort der Landesregierung auf die Kostensteigerungen der Schulen: keine Antwort aus dem Schulministerium, keine Antwort aus der Landesregierung.
Wir können weitergehen zu den Hochschulen. Die Studierendenwerke, die Zuschüsse des Landes bekommen, haben bereits Mitte August gefordert, dass diese Zuschüsse erhöht werden müssen, wenn sie für die Studierenden weiter günstiges Essen in den Mensen austeilen sollen. Gibt es eine Antwort aus dem Wissenschaftsministerium? Für mich nicht ersichtlich!
(Marianne Schieder [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Da müsst ihr euch mal drum kümmern!)
Darum sage ich: Wir müssen an der Stelle doch alle Verantwortung tragen und unserer Verantwortung gerecht werden; denn dafür sind wir gewählt. Es ist jetzt nicht die Zeit, Herr Wüst, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Denn wenn Sie mit dem Finger auf andere zeigen, dann zeigen drei Finger – der Finger des Kitaministeriums, des Schulministeriums und des Wissenschaftsministeriums – auf Sie zurück.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich will das einbetten: Es bekümmert mich wirklich, dass, obwohl die CDU mit Hendrik Wüst als Ministerpräsidenten in einer Landesregierung Verantwortung trägt – das haben einige meiner Vorredner bereits angeführt –, wir heute in allen drei Beiträgen von Abgeordneten der CDU/CSU, die wir gehört haben, nicht einen konkreten Vorschlag gehört haben, nicht einen Verbesserungsvorschlag, mit dem man arbeiten kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Florian Oßner [CDU/CSU]: Doch, habe ich gemacht! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Was sagt eigentlich der grüne Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen zu Ihren ganzen Vorwürfen?)
Es reicht nicht, sich als größte demokratische Oppositionsfraktion einfach nur hierhinzustellen und zu rufen: Mehr für den Mittelstand! – Es müssen schon konkrete Vorschläge sein.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Und gegenfinanziert!)
Die Zeiten sind doch zu ernst, als dass wir uns auf solch einem Populismus und auf einfachen Vorschlägen, die nur laut dahergerufen werden und nicht konstruktiv sind, ausruhen könnten.
Wenn es so ist, wie Otto Fricke eben gesagt hat – ich teile das –,
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Werden bei Ihnen eigentlich Musterreden verteilt? Hört sich alles gleich an!)
dass wir hier alle die Sorgen der Menschen teilen und uns sehr darum bemühen, die Probleme zu lösen, dann hoffe ich und wünsche ich mir für die anstehenden Haushaltsberatungen, dass alle, die in Regierungsverantwortung gewählt worden sind, ihrer Verantwortung auch gerecht werden, und dass alle, die nicht in Regierungsverantwortung gewählt worden sind, konstruktive Oppositionspolitik betreiben.
Das wünsche ich mir, und dann freue ich mich auch auf die Beratungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Esdar. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Jamila Schäfer, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7539007 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 52 |
Tagesordnungspunkt | Schlussrunde Haushaltsgesetz 2023 |