Yannick BuryCDU/CSU - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2023
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorab: Bei der Redezeit, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, auf die Unionsfraktion verwenden, kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass dies das einzig Einigende ist,
(Zuruf der Abg. Dr. Wiebke Esdar [SPD])
was es gerade in Ihrem Haushalt, was es gerade in Ihrer Politik noch gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Ihr macht es uns aber auch leicht! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Streiten wie die Kesselflicker! Das ist unglaublich! So eine Regierung hat Deutschland nicht verdient!)
Herr Kollege Banaszak, Sie haben die Zinsentscheidung der EZB und die Notwendigkeit angesprochen, dass wir fiskalpolitisch die Konjunktur im Blick behalten. Sie haben da im Grundsatz vollkommen recht. Ich will aber betonen: Wir müssen gleichzeitig darauf achten, die Zinsentscheidung der EZB damit nicht zu konterkarieren, und das ist nämlich die Gefahr, die in vielen Vorschlägen lauert, die wir seitens der Ampel momentan sehen.
Dieser Bundeshaushalt hat zwei zentrale Herausforderungen, denen wir mit ihm begegnen müssen: Er muss auf der einen Seite die Inflation bremsen, und er muss gleichzeitig die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in den Blick nehmen. Beides ist dringend geboten; beides ist notwendig, weil die Inflation Existenzen gefährdet, von der Industrie über den Mittelstand und das Handwerk bis hin zu den Privathaushalten.
Nach der Pandemie ist es gleichzeitig auch notwendig, zu tragfähigen Finanzen zurückzukommen, damit wir überhaupt die Möglichkeit haben, auf künftige Herausforderungen, beispielsweise die Fragen der Sozialversicherungen, noch Antworten zu geben. Beides, die Inflation zu bremsen und Tragfähigkeit sicherzustellen, fordert eine Kurskorrektur weg von der bisherigen Politik dieser Regierung, die auf Rekordschulden setzt, hin zu soliden Haushalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
(Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])
Gerne.
Vielen Dank, Herr Bury, für die Möglichkeit der Nachfrage. – Sie sind ja Wirtschaftswissenschaftler. Deswegen möchte ich Sie Folgendes fragen.
Es gab schon mal in der Geschichte – und Robert Habeck hat gestern darauf hingewiesen – eine Inflationsentwicklung in der Bundesrepublik, die auf ein Energieproblem zurückzuführen war, nämlich die Ölkrise in den 70ern. Die Entscheidung der damaligen Bundesbank war, die Zinsen sehr deutlich zu erhöhen, um dann auf die damals tatsächlich sehr stark gestiegene Lohnentwicklung zu reagieren und sozusagen eine Art Schocktherapie, wie es damals genannt wurde, zu verabreichen.
Das mag in der konkreten Situation damals erst einmal richtig gewesen sein. Jetzt haben wir ein komplexeres Krisenszenario. Und die Frage ist: Wie wollen Sie mit dem, was Sie gerade gesagt haben, mit dieser fiskalpolitischen Agenda, für die Sie werben, verhindern, dass das passiert, was dann Ende der 70er und Anfang der 80er passiert ist, nämlich eine Welle massenhafter Arbeitslosigkeit, dadurch sinkende Steuereinnahmen, dadurch angespanntere Haushalte und dringend notwendigere Sparmaßnahmen, als es ohne dies nötig gewesen wäre?
Deswegen ist meine Position nicht – ich weiß nicht, ob Sie es so verstanden haben –, dass die Zinsentscheidung der EZB falsch war, sondern dass sie fiskalpolitisch klug begleitet werden muss, damit die Rezession nicht schlimmer wird, als sie unbedingt sein muss.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Sie haben die Ölkrise der 70er-Jahre angesprochen. Ich glaube, der entscheidende Punkt war – auch im Vergleich mit anderen Volkswirtschaften damals –, dass das Zusammenspiel in Deutschland, in Europa deutlich besser geklappt hat als in anderen Regionen der Welt.
Und deswegen, wie ich es eben gesagt habe: konjunkturpolitisch begleiten, ja; aber dazu, mit zusätzlichen Fiskalimpulsen das Dämpfen der Inflation zu konterkarieren, ein ganz klares Nein. Denn am Ende landen Sie in einem Szenario, in dem Sie nicht die Frage „5 Prozent Inflation oder 5 Prozent Arbeitslosigkeit?“ haben, sondern am Ende vom Tag beides.
Es gibt wenig, was sozial ungerechter ist, was eine stärkere Verteilungswirkung von kleinen zu großen Einkommen hat als eine um sich greifende Inflation. Das ist das, was wir im Land momentan gerade erleben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen muss das Bremsen der Inflation die oberste Priorität in der Geldpolitik haben und auch fiskalpolitisch begleitet werden. Alles andere wäre verantwortungslos.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, meine Damen und Herren, genau das haben zumindest Teile Ihrer Koalition auch verstanden – den Eindruck habe ich –: dass Sie zur Schuldenbremse zurückkehren müssen, dass in einer Situation, in der die Inflation daher kommt, dass das Angebot deutlich unter der volkswirtschaftlichen Nachfrage liegt, wir nicht mit Fiskalimpulsen die Nachfrage noch zusätzlich anheizen dürfen.
(Karsten Klein [FDP]: Die Abwrackprämie! Das passt nicht!)
Das Problem ist aber: Teile Ihrer Koalition haben genau diesen Zusammenhang bislang aber noch nicht verstanden. Das führt dann dazu, dass wir auf der einen Seite den Bundesfinanzminister haben, der nicht müde wird, diese notwendige Kehrtwende in der Haushaltspolitik der Ampel zu betonen, sie einzufordern, dabei gleichzeitig aber ein Stück weit zunehmend hilflos wird, weil er sich damit offenbar in einer Minderheitsposition innerhalb der eigenen Koalition befindet, und auf der anderen Seite weite Teile der Koalition fordern, weiter auf dem bisherigen Kurs von Verschuldung, von zusätzlichen Fiskalimpulsen zu bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war, ehrlich gesagt, diese Woche erschrocken über das, was an ökonomischer Unkenntnis nicht nur in Talkshows, sondern auch seitens mancher Redner der Koalition hier geäußert wurde, dass in einer Situation, in der aufgrund immer höherer Preise Betriebe in diesem Land schließen müssen, viele Menschen Existenzsorgen haben, viele Familien nicht wissen, wie es im Winter weitergehen soll, weiterhin die Position vertreten wird, beispielsweise das Energieangebot nicht auszuweiten, weiterhin vorgeschlagen wird, die Inflation nicht an den Wurzeln zu packen, sondern mit zusätzlichen Schulden zu kaschieren. Das, meine Damen und Herren, ist schlicht verantwortungslos.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Staatssekretär Toncar, der Finanzminister hat vor einiger Zeit einmal gesagt: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Ich halte diesen Satz damals wie heute für richtig. Sie müssen im Moment nur aufpassen, dass Sie nicht gleichzeitig nicht regieren und falsch regieren,
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Peter Boehringer [AfD])
weil es die anderen sind, die in Ihrer Koalition auch finanz- und haushaltspolitisch den Ton angeben.
Das sieht man in Ihrem Haushalt, wo Sie vorgeben, die Schuldenbremse einzuhalten, wenn man ein bisschen unter die Oberfläche schaut, relativ schnell: wenn Sie Dinge als Darlehen statt als Zuschuss verbuchen und damit so tun, als wären es keine Ausgaben, wenn Sie in die Rücklage greifen
(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])
und wenn Sie Ihre Ausgaben zu erheblichen Teilen dadurch finanzieren wollen, dass Sie sagen, Länder und Kommunen sollten bezahlen, ohne vorher mit ihnen gesprochen zu haben.
(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Das ist das Problem!)
Damit wir uns richtig verstehen: Dass die Länder ihren verfassungsmäßigen Aufgaben nachkommen müssen, dass die Länder in Zukunft da auch mehr beitragen müssen, darüber sind wir uns vollkommen einig.
(Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP])
Aber Finanzierungsanforderungen bzw. Finanzierungszusagen einfach in Ihr Papier aufzunehmen, ohne mit den Ländern vorher gesprochen zu haben, das ist respektlos gegenüber unserer föderalen Ordnung, das ist dreist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])
Und, meine Damen und Herren, das zeigt, auf was für wackligen Füßen Ihr Haushaltsentwurf tatsächlich steht.
(Otto Fricke [FDP]: Der Bundestag nickt dann nur noch ab, was die Länder wollen!)
Frau Kollegin Esdar, die Ministerpräsidentin Rehlinger hat seitens der Länder bereits angekündigt, dieses Spiel nicht mitzumachen. Also klären Sie das mal in Ihrer eigenen Partei.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])
Herr Staatssekretär, ich sage das auch in dieser Deutlichkeit, weil ich die Bemühungen Ihres Hauses durchaus sehe, die notwendige Kurskorrektur in Sachen Inflation, in Sachen Schuldenfinanzierung der Haushalte in Angriff zu nehmen und zu einer Haushaltspolitik zu kommen, die die Inflation nicht noch weiter anheizt. Ich habe nur die dringende Bitte an Sie: Seien Sie dabei auch konsequent innerhalb Ihrer eigenen Koalition! Setzen Sie sich damit auch durch! Die Union werden Sie dabei an Ihrer Seite haben, wenn Sie nicht mehr nur den Anschein erwecken, solide Haushaltspolitik zu machen, sondern tatsächlich auch diesen Kurswechsel vollziehen. Daran werden wir Sie in den anstehenden Haushaltsberatungen messen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Letzter Redner des heutigen Tages und damit der Debatte ist der Kollege Dennis Rohde, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7539009 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 52 |
Tagesordnungspunkt | Schlussrunde Haushaltsgesetz 2023 |