22.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 54 / Zusatzpunkt 2

Steffen BilgerCDU/CSU - Änderung des Atomgesetzes (Gesetzentwurf CDU/CSU)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 207 Tagen hat der Bundeskanzler nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Zeitenwende verkündet, eine Zeitenwende, die in der Energiepolitik bislang nur unzureichend angekommen ist. Verbraucher, Kommunen, Unternehmen – alle sparen Energie, wo es nur geht. Die Bundesregierung ist weltweit als Bittsteller unterwegs auf der Suche nach zusätzlicher Energie. Aber das Naheliegende soll nicht getan werden? Zu einer Neubewertung der Kernenergie fehlt dieser Bundesregierung, wenn es um SPD und Grüne geht, offensichtlich der Wille, und, wenn es um die FDP geht, die Kraft, sich in dieser Bundesregierung durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Am 7. März, vor 198 Tagen, haben das Wirtschafts- und das Umweltministerium diesen fehlenden Willen schriftlich dokumentiert. Es wurde uns ein sogenannter Prüfvermerk vorgelegt mit dem Ergebnis, dass die Kernenergie bei der Bewältigung der Energiekrise in Deutschland überhaupt keine Rolle spielen kann und soll. In Wahrheit war es doch so, meine Damen und Herren: Das war kein Prüfvermerk, sondern eine, wie wir jetzt wissen, in wenigen Tagen schnell zusammengestellte Auflistung aller Gegenargumente. Das hätte wirklich jeder Praktikant in Ihren Ministerien genauso machen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Seither ist viel Zeit, zu viel Zeit vergangen, eine lange Zeit, die nicht genutzt wurde, um den Weiterbetrieb vorzubereiten, eine lange Zeit, die nicht genutzt wurde, um neue Brennstäbe zu beschaffen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen Sie eigentlich, über was Sie da reden?

Sie haben nicht das Notwendige getan, um uns vor einer drohenden Strommangellage und einem Blackout in diesem Winter zu bewahren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie nicht aufgepasst, was wir die letzten Monate gemacht haben? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stichwort „Stresstest“. Ein halbes Jahr nach diesem sogenannten Prüfvermerk hat Minister Habeck sich dann endlich ein Stück weit korrigiert und das Konzept der Einsatzreserve für lediglich zwei der drei Kernkraftwerke vorgeschlagen. Aber auch heute noch weiß keiner wirklich, was genau das sein soll. Wie es technisch funktionieren soll, ist völlig offen. Die ernst zu nehmenden Bedenken der Betreiber werden von Minister Habeck einfach abgetan. Wie das alles rechtlich geregelt werden soll, ist auch völlig offen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie meinen PreussenElektra, oder was?)

Das für die nukleare Sicherheit zuständige Ministerium von Frau Lemke hat zwischendurch erklärt, die erforderlichen Änderungen seien im Atomgesetz vorzunehmen. Nun heißt es diese Woche: Im Atomgesetz werden lediglich wenige Randbedingungen geregelt. – Was denn nun? Sie hatten monatelang Zeit, solche Fragen zu klären. Noch einmal: Sie haben zu viel Zeit verschwendet, anstatt schlichtweg Ihre Arbeit zu machen und uns auf alle Szenarien vorzubereiten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für diese Bundesregierung ist lediglich klar, wann die Einsatzreserve geregelt werden soll, nämlich auf jeden Fall nach dem 9. Oktober, nach der Landtagswahl in Niedersachsen. Was für ein durchschaubares politisches Spiel

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Bei Ihnen! Sie haben 16 Jahre lang Scheiße gebaut! – Gegenruf: Eine Partei in Auflösung sollte nicht so schreien! – Gegenruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer redet jetzt? Frau Wagenknecht?)

zulasten der Energieversorgungssicherheit, zulasten eines klaren rechtlichen Rahmens, zulasten der Stromkunden, zulasten der Glaubwürdigkeit von Politik und insbesondere auch zulasten der Glaubwürdigkeit von Deutschland in Europa, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Welches Signal senden wir denn aus, wenn wir uns in der aktuellen Krisensituation den Luxus leisten, Kapazitäten vom Netz zu nehmen, gleichzeitig aber europäische Solidarität in Energiefragen einfordern? Kohlestrom aus Polen, Atomstrom im Winter aus Frankreich und gleichzeitig eigene Kernkraftwerke abschalten – das ist doch wirklich absurd, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir schlagen Ihnen heute konkret die Änderung des Atomgesetzes vor.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hatten wir doch alles schon, Herr Bilger! Das hat uns sehr viel Geld gekostet!)

Denn das Atomgesetz ist das passende und seit über 60 Jahren bewährte, immer weiter fortentwickelte Regelwerk. Wir schlagen eine Verlängerung des befristeten Betriebs der drei noch laufenden Kernkraftwerke um zwei Jahre, also wie auch von der FDP als Partei beschlossen, bis Ende 2024 vor:

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie viele Rollen rückwärts wollen Sie noch machen?)

kein Ausstieg vom Ausstieg, sondern befristete Weiternutzung, solange es schlichtweg notwendig ist.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, wie lange?)

– Ich habe es Ihnen gerade gesagt: bis 2024.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal! Und dann?)

– Dann muss geprüft werden, wie die Situation ist.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Das macht die Bundesregierung. Also, wenn Sie so lange durchhalten, können Sie es machen. Aber es geht ja darum, das Notwendige zu tun und nicht Ihren ideologischen Träumen nachzuhängen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch kein Endlager, nichts!)

Es geht um unzählige Kilowattstunden Strom, die uns Sicherheit geben, was unsere Versorgung anbelangt,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hatten wir doch alles schon! – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo soll denn das Endlager sein?)

und die natürlich auch zu sinkenden Strompreisen führen werden. Wir bekennen uns zum massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Die allein werden uns aber eben nicht durch diesen und den kommenden Winter bringen.

Meine Damen und Herren, insbesondere liebe Abgeordnete von der FDP, in genau 100 Tagen ist Samstag, der 31. Dezember 2022.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wär’s mit Kernfusion? Hatte doch der Herr Merz vorgeschlagen! – Gegenruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD]: Setzen Sie die Maske auf!)

Da erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2, nämlich dann, wenn diese Bundesregierung nur diskutiert, anstatt zu handeln. Deshalb rufe ich Sie auf: Die Entscheidung ist überfällig. Tun Sie das in der Energiekrise einzig Vernünftige! Nutzen Sie alle Optionen, die Deutschland in dieser prekären Lage zur Verfügung hat! Stimmen Sie mit uns für die Änderung des Atomgesetzes zur vorübergehenden Weiternutzung der drei Kernkraftwerke!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Jakob Blankenburg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7545917
Wahlperiode 20
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Änderung des Atomgesetzes (Gesetzentwurf CDU/CSU)
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