Carsten TrägerSPD - Änderung des Atomgesetzes (Gesetzentwurf CDU/CSU)
Guten Morgen, Herr Präsident! Der Herr Spahn hat öfter nicht mitbekommen, dass es einen Wechsel gegeben hat. Also grämen Sie sich nicht!
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ach, der war schon witzig!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. Herr Spahn, wir sehen es Ihnen nach, dass Sie, weil Sie ja in den letzten Jahren einen anderen Schwerpunkt hatten, nicht so ganz auf der Höhe der Zeit sind, was diese Debatten angeht.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Der Stresstest hat ja gerade ergeben, dass die Verlängerung der Laufzeit dieser drei AKWs keinen signifikanten Beitrag zur Senkung der Strompreise bringt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Also, wenn Sie ihn schon als ideologisches Blendwerk verdammen, dann werfen Sie doch wenigstens vorher einmal einen Blick auf die Ergebnisse.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Der Stresstest empfiehlt Streckbetrieb!)
Überhaupt ist es schon interessant, wie die konservative Seite des Hauses mit den Anbiederungsversuchen der Ewiggestrigen umgeht. Ich habe das sehr genau beobachtet, als die verschiedenen Reden gehalten wurden. Die Reaktion war irgendwas zwischen Versteinerung und fast unverhohlener Zustimmung.
(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Hä?)
Wenn Sie von Ideologiefreiheit und Pragmatismus sprechen, dann gebe ich Ihnen recht. Aber wie können Sie dann alle Argumente, die ein sorgfältig durchgeführter Stresstest erbracht hat, vom Tisch wischen? Und wie können Sie dann unverhohlen, über jegliche aktuellen Entwicklungen hinweggehend, die Rolle rückwärts ins Atomzeitalter proklamieren? Das ist doch Ideologie, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist kein Ausstieg aus dem Ausstieg! Habt ihr den Gesetzentwurf gelesen? – Beatrix von Storch [AfD]: Das haben wir hier doch schon längst abgehakt!)
Es gibt Meldungen von Sicherheitslecks. Das beeinflusst offensichtlich die Haltung der Union und die Haltung der Bayerischen Staatsregierung nur wenig.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist ein reines Ablenkungsmanöver! Das ist überhaupt nicht sicherheitsrelevant!)
Wer ist denn hier ideologisch unterwegs? Diejenigen, die sachlich um Lösungen ringen, orientiert an den Ergebnissen aus dem Stresstest, für dessen sorgfältige Durchführung man sich Zeit genommen hat, oder Sie, die jede Sicherheitsbedenken einfach übergehen und sagen: „Na ja, das war ja sowieso nicht meldepflichtig“?
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)
– Na ja, was ist denn passiert in Bayern?
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Gar nichts!)
Schauen wir uns das doch einmal an. Welche Rolle spielt denn die bayerische Atomaufsicht? Welche Rolle spielt die Staatsregierung?
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Soll jetzt Isar 2 in die Reserve oder nicht?)
Und welche Rolle spielt der TÜV Süd in diesem doch bemerkenswerten Vorgang? Wir haben erfahren, dass PreussenElektra in den letzten Tagen – wohlgemerkt; irgendwann letzte Woche –
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Verschwörungstheorie!)
die deutsche Atomaufsicht darüber benachrichtigt hat, dass es eine „interne Ventilleckage“ gibt; so ist die Formulierung. Das ist natürlich nicht sicherheitsrelevant. Aber wenn man den Reaktor länger betreiben möchte als bis zum 31. Dezember, dann muss man ihn noch im Oktober herunterfahren.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Fragen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, wir auch!)
Was ist denn das für ein Gebaren? Ich bin ja kein Ingenieur,
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Warum entscheidet Ihr Minister denn nicht?)
aber gab es nicht einen Besuch von einem gewissen Ministerpräsidenten Markus Söder, seinem Energieminister Hubert Aiwanger, dem für die Atomaufsicht in Bayern zuständigen Umweltminister Thorsten Glauber – und ich glaube, auch die Sonnenbrille von Herrn Merz dort gesehen zu haben – bei genau ebenjenem Kernkraftwerk Isar 2?
(Zuruf des Abg. Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wurde denn da nicht über Sicherheitsfragen diskutiert?
Man hat ja am 4. August eine Pressekonferenz gegeben.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist überhaupt nicht sicherheitsrelevant! Was erzählen Sie denn den Menschen? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie doch keine Angst hier!)
Und es gibt ein Schreiben vom TÜV Süd, der übrigens viele Millionen Euro mit der Aufsicht über die bayerischen Atomkraftwerke verdient hat.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist ein normaler, routinemäßiger Vorgang!)
In diesem Schreiben des TÜV Süd, der sehr schnell zu der Auffassung gekommen ist, wurde sogar der Weiterbetrieb von sechs Atomkraftwerken gefordert. Also: Was ist denn da los in Bayern?
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Gar nichts! Was ist denn los bei euch? Warum entscheidet ihr nicht?)
Was ist denn da los? Kann man denn diesen Herren wirklich vertrauen, wenn es um eine Hochrisikotechnologie wie die Kernenergie geht?
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Kommt Isar 2 jetzt in die Reserve oder nicht? Ich habe es immer noch nicht verstanden! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wo ist eure Entscheidung? – Gegenruf der Abg. Marianne Schieder [SPD]: Die Union kommt in die Reserve! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hey, die CSU ist ja ganz empfindlich!)
Jetzt will die Bayerische Staatsregierung nichts davon gewusst haben. Wir wurden am Montag in den Medien darüber informiert. Wer hat denn die bayerische Atomaufsicht, und wie geht man denn mit so einer Hochrisikotechnologie um? Ich würde ja gar nichts sagen, wenn es keine Meldung gegeben hätte. Aber wenn man sich vorher schon hinstellt und sagt: „Mia san mia, wir wissen alles besser, und wir lassen die Atomkraftwerke – und zwar sechs an der Zahl – einfach weiterlaufen“, dann passt das alles doch nicht zusammen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es bleiben Fragen – viele Fragen –, die wir gut beantworten müssen, zum Beispiel, ob wir diese Hochrisikotechnologie weiter in den Händen dieser Herren sehen wollen. Die gleichen Herren übrigens, die in Bayern die Energiewende nicht vorangetrieben haben; ich würde sogar sagen: an die Wand gefahren haben.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr! Ich habe nachher Zahlen dazu!)
Ich sage nur: Die 10‑H-Regel gibt es immer noch. Die Übertragungsnetze, für die Sie zuständig sind, werden bei gutem Verlauf vielleicht nach dem Kriegsende fertig sein. Das sind die Fakten, das ist die Realität.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Bayern ist spitze bei der Energieerzeugung aus Sonne, Wasser und Biomasse! Habt ihr das schon registriert?)
Der Ministerpräsident Markus Söder stellt sich hin und sagt: „Wir sind ein führendes Land der Energiewende“, und es funktioniert nichts. Denn ein Ergebnis dieses Stresstests ist: Das Worst-Case-Szenario besteht darin, dass wir in Bayern Netzschwankungen haben. Warum haben wir denn Netzschwankungen?
(Karsten Hilse [AfD]: Weil der Wind nicht immer weht! Deswegen gibt es Netzschwankungen! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Weil wir Gundremmingen abgeschaltet haben!)
Weil wir nicht genug Kapazitäten aufgebaut haben, um unsere Energieversorgung selber zu sichern. Stattdessen müssen wir die Energie aus dem Norden Deutschlands importieren, und dafür fehlen die Übertragungsnetzwerke. Da schließt sich der Kreis.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Die haben es aber nicht verhindert! Die haben es nur mit den Bürgern gestaltet!)
Solche Herren geben uns kluge Ratschläge; darauf können wir verzichten,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
übrigens auch auf die großherzigen Angebote der Zusammenarbeit. Wir wissen, was wir davon zu halten haben, Herr Spahn.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Judith Skudelny [FDP] – Steffen Bilger [CDU/CSU]: Kein Wunder, dass Sie sich der 5-Prozent-Hürde in Bayern nähern!)
Vielen Dank, Herr Kollege Träger. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Rainer Kraft, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7545924 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Atomgesetzes (Gesetzentwurf CDU/CSU) |