Mathias MiddelbergCDU/CSU - Inflationsausgleichsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir finden dieses Inflationsausgleichsgesetz richtig und beglückwünschen Sie dazu, Herr Minister, dass Sie das in Ihrer Koalition durchgesetzt haben. Das ist ein guter Baustein in diesem Entlastungspaket. Klare Aussage!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber – und das haben Sie auch gesagt – es ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit. Denn durch die kalte Progression, die gerade durch den doppelten Effekt entsteht, dass die Leute durch Lohnerhöhungen im Einkommensteuertarif höher wandern, also höher besteuert werden, aber gleichzeitig durch die massive Inflation an Kaufkraft verlieren, wird das Einkommen der Menschen entwertet. Das wollen wir ausgleichen, indem wir jetzt die Steuerschraube ein Stück zurückdrehen und den Steuertarif an die Einkommensentwicklung anpassen. Das ist eigentlich nichts anderes, als den Menschen das zurückzugeben, was sie sonst durch eine schleichende Steuererhöhung an Leid – fast hätte ich gesagt: an Verlusten – erfahren haben. Es ist nicht mehr als das.
Sie haben lange über das Thema Übergewinne diskutiert. Im Grunde genommen ist es die Rückgabe von Übergewinnen, die dieser Staat aufgrund der Inflationsentwicklung macht. Mehr ist es nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von der LINKEN: Oh!)
Wir haben dieses Verfahren der Vermeidung von schleichenden Steuererhöhungen schon 2012 eingerichtet, im Übrigen damals in der gemeinsamen Regierung mit der FDP. Seitdem gibt es dieses Verfahren. Wir bekommen regelmäßig alle zwei Jahre die Progressionsberichte vorgelegt und passen daraufhin den Steuertarif an. Es ist richtig, dass Sie das jetzt auch so machen.
Aber Sie erwecken den Eindruck, Sie würden wahnsinnige Anstrengungen unternehmen, um dieses Vorhaben und auch ihr Entlastungspaket insgesamt auf die Beine zu stellen. Sie schreiben das auch in Ihrem Entlastungspapier: „Die begrenzten finanziellen Spielräume … erfordern erhebliche Anstrengungen aller drei Koalitionspartner“. Wenn man sich allerdings Ihre Haushaltsplanung und Ihre sonstige Planung ansieht, kann man von diesen Anstrengungen nicht wirklich etwas erkennen. Wir erkennen kaum Punkte, an denen Sie Einsparungen, Umschichtungen oder Neupriorisierungen vornehmen, sondern im Grunde genommen machen Sie alle Ihre Projekte wie bisher.
Was Sie hier veranstalten, ist lediglich, den Leuten das Geld zurückzugeben, was Sie ihnen vorher durch höhere und deutlich gestiegene Steuern aus der Tasche gezogen haben. Bund, Länder und Kommunen haben in diesem Jahr nämlich alleine bei der Umsatzsteuer annähernd 50 Milliarden Mehreinnahmen gegenüber dem letzten Jahr. Ich sage es noch einmal: 50 Milliarden Mehreinnahmen gegenüber dem letzten Jahr!
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Zusatzgewinn!)
Das ist für jeden nachvollziehbar: Weil die Preise exorbitant steigen und darauf Mehrwertsteuer gezahlt wird, verdient der Staat massiv an dieser Inflationsentwicklung; 50 Milliarden, davon fast die Hälfte der Bund.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Michael Schrodi [SPD]: Und die Mehrausgaben?)
Für dieses Jahr geben Sie den Progressionseffekt nicht zurück, sondern erst für das nächste Jahr. Ihr Gesetz, das wir hier beschließen, das wirkt erst fürs nächste Jahr.
(Michael Schrodi [SPD]: Wir haben den Grundfreibetrag 2022 angehoben! Das stimmt doch gar nicht!)
Das heißt, die 10 Milliarden, die der Bund in diesem Jahr zusätzlich einnimmt, stecken Sie einfach mal eben so ein und tun jetzt bei Ihrem Entlastungspaket ganz großzügig so, als würden Sie den Leuten etwas zurückgeben. Sie haben es den Leuten vorher aus der Tasche gezogen, und nichts anderes. Wenn Sie die 25 Milliarden und die 10 Milliarden addieren, die Sie an Mehreinnahmen – an Mehreinnahmen nur der Bund! – gegenüber letztem Jahr haben, dann sind das locker mehr als die 32 Milliarden Beitrag des Bundes zum Entlastungspaket insgesamt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich will Ihnen sagen – Herr Minister Lindner hat auch über das Gesetz hinaus gesprochen –: Ich glaube, dass die Menschen in diesem Land – das hat auch die vorhergehende Debatte gezeigt – allmählich das Vertrauen verlieren, dass diese ihre Regierung diese problematische Situation – die größte Energiekrise Europas seit dem Zweiten Weltkrieg, eine Rieseninflation; die höchste seit 40 Jahren –, diese dramatische Lage in diesem Land wirklich in den Griff kriegt.
(Marianne Schieder [SPD]: Die Leute sind froh, dass Sie nicht an der Regierung sind!)
Ich glaube, dass die Leute allmählich das Vertrauen verlieren, und zwar einfach vor dem Hintergrund: Sie haben den ganzen Sommer mit internen Streitereien verplempert, die Sie bis zum heutigen Tage zum Thema „Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken“ fortführen. Die ganze Zeit erleben wir, wie zerstritten Sie untereinander sind. Der Kollege Spahn hat eben völlig zu Recht gesagt: Herr Habeck hat uns gestern aufgefordert, wir sollen die Regierung in dieser schwierigen Phase unterstützen. – Ja, wir würden das gerne machen. Nur, wir wissen nicht, wen wir in der Regierung unterstützen sollen. Sollen wir Herrn Habeck unterstützen? Sollen wir Herrn Lindner unterstützen?
(Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)
Wen sollen wir denn eigentlich unterstützen? Vielleicht werden Sie sich selbst mal einig.
Sie machen eine völlig verfehlte Politik, einen Fehler nach dem anderen. Erst machen Sie Entlastungspakete, mit denen Sie nicht zielgenau entlasten, sondern das Geld irgendwie mit der Gießkanne verteilen,
(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Anträge sind noch viel mehr Gießkanne, und das wissen Sie genau!)
dann vergessen Sie ganze Bevölkerungsgruppen. Rentner und Studierende haben Sie am Anfang gar nicht auf dem Schirm gehabt. Das holen Sie jetzt mühselig nach. Die Leute, die am unteren Ende der Skala verdienen, die schneiden bei Ihnen am schlechtesten ab.
(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)
Die Kohlekraftwerke, das ist Ihnen eben vorgehalten worden – und zwar zu Recht –, haben Sie viel zu spät hochgefahren. Das hat dazu geführt und führt immer noch dazu, dass wir sinnlos Gas verbrennen, das wir zum Heizen viel dringender bräuchten als für die Stromproduktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ihre Gasumlage ist der absolute Mist: von der Konstruktion her, und es ist auch rechtlich völlig unsicher. Sie haben in Ihrer Regierung noch nicht einmal geklärt, ob Sie sie rechtlich überhaupt durchsetzen können. Das ist doch eine Katastrophe. Jetzt erklärt hier eben Herr Lindner: Ja, beim Strompreis und Gaspreis werden wir noch was machen. – Das ist doch aber das, was die Menschen am meisten beschäftigt. Ihr ganzes Entlastungspaket ist doch nichts wert, wenn Sie an diesen beiden entscheidenden Punkten nicht weiterkommen. Sie haben immer noch nichts Konkretes dazu geliefert. Das ist doch eine Katastrophe.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Keiner kann planen: Kein Unternehmer, kein Mittelständler, kein Betrieb weiß, was Sache ist. Die müssen davon ausgehen, dass sie am 31. Dezember ihren Laden dichtmachen; aber das macht nichts, die produzieren nur nicht weiter und verkaufen einfach nicht weiter.
(Heiterkeit der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])
Das bleibt ja folgenlos, wie uns der Wirtschaftsminister erklärt hat.
Herr Habeck hat gesagt, wir hätten nur ein Gas- und kein Stromproblem. Das müssen Sie den Leuten angesichts der Strompreise, die durch die Decke gehen, wirklich erklären. Dass Sie jetzt in der größten Energiekrise dieses Landes, in der größten Energiekrise Europas drei funktionierende Kraftwerke, die für die Versorgung von 10 Millionen Haushalten einstehen, vom Netz nehmen wollen, das ist schlicht unverantwortlich.
(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie Zeitung?)
Der eine Baustein, über den wir heute sprechen, das Inflationsausgleichsgesetz, ist okay, aber ansonsten müssen Sie noch ganz massiv nacharbeiten.
(Christian Dürr [FDP]: Sorgen Sie denn dafür, dass die Unionsländer zustimmen? Was ist denn mit Herrn Wüst eigentlich?)
Wir sind gerne bereit, Ihnen dabei zu helfen, aber Sie müssen sich dann ehrlich machen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
Sie müssen das umsetzen, wovon Ihr Kanzler selber spricht, nämlich Zeitenwende. Das heißt auch, dass Sie etwas wenden müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Middelberg. Der Begriff der Zeitenwende sollte übrigens auch auf die Redner zutreffen: Sie sollten auf die Uhr gucken und die Redezeit einhalten. – Nächster Redner ist der Kollege Michael Schrodi, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
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Electoral Period | 20 |
Session | 54 |
Agenda Item | Inflationsausgleichsgesetz |