22.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 54 / Tagesordnungspunkt 10

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Krisengewinne von Energiekonzernen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Auch in dieser Plenarwoche haben wir mehrfach Debatten über den brutalen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine und die Folgen für den Energiesektor geführt. Die Preise steigen; es gibt erhebliche Belastungen für alle Menschen in unserem Land, aber auch für viele Unternehmen, insbesondere für die Handwerksbetriebe, die bei der Ampelkoalition bis jetzt keine Berücksichtigung gefunden haben. Wir hoffen, dass da noch einiges passiert.

Wir erleben, dass nicht nur die Gaspreise steigen, sondern auch die Strompreise. Die Mär, die wir am Anfang gehört haben, es gebe nur ein Wärme- und ein Gasproblem und kein Stromproblem, ist ausgeräumt. Wir haben deutliche Signale, dass auch der Stromsektor betroffen ist. Und wir alle haben jetzt gelernt – auch diejenigen, die sich zuvor nicht so viel damit beschäftigt haben –, wie kompliziert die Preisfindung auf dem Strommarkt ist. Das Merit-Order-Prinzip, das Grenzpreisverfahren, gewährleistet – dies für diejenigen, die sich noch nicht damit beschäftigt haben –, dass die teuerste Energievariante den Preis für den gesamten erzeugten Strom bestimmt. Das führt dazu, dass diejenigen, die niedrigere Grenzkosten beim Produzieren des Stroms haben, einen höheren Preis und damit auch höhere Gewinne bekommen.

Das Problem besteht also nicht im Steuerrecht, sondern in der Findung des Strompreises. Daher ist es richtig, an die Wurzel des Übels zu gehen und darüber nachzudenken, wie wir zu einem Mechanismus kommen, sodass Strompreise tatsächlich ehrlich und fair ermittelt werden. Dann hätten wir das Problem gar nicht, das die Linken hier heute adressieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Von daher ist es auch zu begrüßen – Herr Kollege Herbrand hat darauf hingewiesen –, dass man genau da anfängt. Ob nun das, was im Koalitionsausschuss beredet worden ist – Stichwort „negative EEG-Umlage“ –, der Weisheit letzter Schluss ist, werden wir noch sehen. Der Kollege Herbrand hat ja gesagt, das Wirtschaftsministerium arbeite auch an dieser Sache – Herr Kollege Wenzel aus Niedersachsen – mit hohem Druck, und ich hoffe, dass es Ergebnisse geben wird.

Dann stellt sich eben die Frage: Wenn es dieses Problem gibt, ist dann das Steuerrecht das richtige Instrument, sich diesem Problem zu nähern? Das Problem der Abgrenzung der guten von den schlechten Gewinnen wurde schon angesprochen. Was sind eigentlich Übergewinne? Wo fangen sie an? Wo hören sie auf? Welche Branche betreffen sie? Wie berechne ich sie quantitativ? Ich möchte noch einmal deutlich herausstellen – das wird, glaube ich, immer vergessen –: Es wird der Eindruck erweckt, dass Übergewinne derzeit überhaupt nicht besteuert werden. Auch Übergewinne – genauso wie jeder andere Gewinn – werden besteuert: bei einer Kapitalgesellschaft in Deutschland mit weit über 30 Prozent, soweit die Gewinne im Unternehmen verbleiben, und bei Personengesellschaften – da hatten wir vorhin die Debatte über das Inflationsausgleichsgesetz – mit bis zu 50 Prozent. Also kommt es dort zu einer Besteuerung. Und dann muss man sich die Frage stellen, ob man, wenn man jetzt die Konzerne, die Die Linke hier im Blick hat, tatsächlich besteuern will, überhaupt ein Besteuerungsrecht hat, ob diese Konzerne in Deutschland ansässig sind, ob man überhaupt an die Gewinne herankäme.

Wir müssen also die Besonderheiten dieser Steuer klären. Die Linken heben in ihrem Antrag auf das italienische Modell ab. Aber auch die Italiener haben nicht das Problem bei der Definition der Übergewinne gelöst; denn sie machen es an den Umsätzen fest, weil sie genau wissen, dass es anders nicht funktioniert. Wenn man sich mit dem italienischen Modell beschäftigt und in Italien mit ein paar Kolleginnen und Kollegen spricht, sieht man erstens, dass die Einkommenserwartungen weit hinter dem zurückgeblieben sind, was vorher prognostiziert worden ist. Und zweitens sieht man, dass viele Unternehmen gar nicht erst bezahlen, weil sie meinen, dass das verfassungswidrig sei. Es herrscht also eine riesige Rechtsunsicherheit. Und da ist die Frage: Wollen wir uns das hier in Deutschland auch „gönnen“? Wir haben kein eigenes Steuerfindungsrecht für solche Steuern. Von daher: So etwas kann man machen, aber der Finanzminister muss dann auch das Risiko tragen, dass eine solche Steuer, genauso wie damals die Brennelementesteuer, einkassiert wird und alles zurückgezahlt werden muss. Ich weiß nicht, ob man diese Haushaltsrisiken eingehen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es empfiehlt sich die Lektüre des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums zur Übergewinnsteuer. Ich glaube, die Dinge, die dort allgemein ausgeführt werden, sollte man wirklich ernst nehmen. Da wird davon gesprochen, dass solche Dinge innovationshemmend sind. Es werden Ressourcen abgeschöpft, die den Unternehmen eigentlich zur Verfügung stehen sollten, um ihre Transformationen, die wir von ihnen erwarten, zu finanzieren. Es gibt – darauf wird bestimmt noch hingewiesen – eine Übergewinnsteuer in Großbritannien. Die Energiekonzerne dort haben jetzt schon angekündigt, dass sie ihre Investitionen in erneuerbare Energien zurückschrauben werden. Ist es das, was Sie wollen? Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen, die mehr Liquidität haben, das Geld nutzen, um Innovation und Investition voranzutreiben. Dabei sollten wir sie unterstützen. Wir dürfen ihnen das Geld nicht wegnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Von daher glaube ich, dass es ein falsches Instrument ist.

Einer Sache will ich noch vorgreifen, weil Sie wahrscheinlich gleich den Verordnungsentwurf der EU-Kommission in die Debatte einbringen werden, Herr Kollege Görke; jedenfalls gehe ich davon aus, so wie ich Sie kennengelernt habe. Darin versucht die Kommission, eine Lösung zu finden, indem man die Abschöpfung von Umsätzen bei der Stromerzeugung vorsieht, wenn diese 180 Euro pro Megawattstunde übersteigen, und einen Solidaritätsbeitrag bei sogenannten Überschussgewinnen in gewissen Branchen plant. Da sind natürlich massenhaft Fragen offen. Grundsätzlich meine ich: Wenn man so was macht – ich bin ja dagegen –, muss man das auch unionsweit machen, weil der Strommarkt europaweit organisiert ist. Dann muss man klären, auf welcher Rechtsgrundlage der Vorschlag der Kommission basiert.

(Beifall des Abg. Dr. Michael Meister [CDU/CSU])

Wir haben das im Finanzausschuss bereits angesprochen. Die Bundesregierung konnte uns bis jetzt aber noch keine Antwort geben. Bisher wird sich bezogen auf Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der eigentlich dafür da ist, Versorgungsschwierigkeiten zu beheben. Was eine Übergewinnbesteuerung, eine Erlösabschöpfung, mit der Behebung von Versorgungsschwierigkeiten zu tun hat, hat sich mir noch nicht erschlossen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ist die Anspruchsgrundlage nicht eigentlich Artikel 115? Das wollen Sie nicht, weil dafür Einstimmigkeit notwendig ist. Ich glaube, auch unionsrechtlich gibt es erhebliche Probleme mit dem Verordnungsentwurf.

Herr Güntzler, bitte letzter Satz.

Wir werden ihn wohlwollend prüfen, glauben aber, dass er gar nicht umsetzbar ist. Von daher: Lassen Sie den Antrag sein. Lassen Sie das mit der Übergewinnsteuer.

Das sind mehr als zwei Sätze.

Und ich höre jetzt auf, Frau Präsidentin.

(Heiterkeit)

Der einzige Zufallsgewinn, den es gab, war die Regierungswahl im letzten Jahr.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aufgrund unserer langen Tagesordnung heute bitte ich Sie wirklich, auf die Redezeit zu achten. Auch ich werde besonders auf die Einhaltung der Redezeit achten und dann, wenn über 30 Sekunden überzogen wird, das Mikrofon abschalten. Also, ich bitte Sie, aufgrund unserer langen Tagesordnung heute darauf besonders Ihr Augenmerk zu legen.

Der nächste Redner ist der Kollege Marvi, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7545957
Wahlperiode 20
Sitzung 54
Tagesordnungspunkt Krisengewinne von Energiekonzernen
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