Parsa MarviSPD - Krisengewinne von Energiekonzernen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es vorhin gehört in der Debatte um das Inflationsausgleichsgesetz, und ich betone es noch einmal: Wir erleben aktuell eine hochdramatische Lage in Deutschland, in der sich viele Bürgerinnen und Bürger, soziale Einrichtungen, kleine und mittelständische Unternehmen und Industriebetriebe mit spürbaren Belastungen infolge des Inflationsschocks konfrontiert sehen. Dazu kommen Sorgen um die Versorgungssicherheit und schlichtweg vor allem darum, wie Energiepreise in den kommenden Monaten überhaupt noch bezahlt werden können und wie Investitionen von Unternehmen unter diesen Rahmenbedingungen gestemmt werden können.
Wie Sie wissen, arbeitet diese Ampelkoalition, die seit ihrem Amtsantritt multiple und gleichzeitig stattfindende Krisenlagen wie kaum eine andere Bundesregierung vor uns bewältigen muss, konsequent gegen die Energiekrise und die wirtschaftlich zugespitzte Situation infolge der Auswirkung der russischen Invasion in der Ukraine. Wir tun das in einem international beachtlichen Ausmaß, mit Entlastungspaketen mit einem Gesamtentlastungsvolumen von über 100 Milliarden Euro. Ich glaube, unser Bundesfinanzminister muss sich im internationalen Konzert nicht verstecken mit dem, was wir hier in Deutschland vorangebracht haben und wovon gerade Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, die Working Class, direkt profitieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt geht es um Zusammenhalt in Deutschland, um eine solidarische Bewältigung dieser tiefgreifenden Krise. Ja, wir sind in einer sozialen Marktwirtschaft für Unternehmen, die mit Leistung, die mit Anstrengung, die mit Pioniergeist, die mit Innovation Gewinne machen. Wir sind stolz, dass ein Unternehmen wie BioNTech – made in Germany – den Impfstoff als wichtigste Waffe gegen Corona auf den Markt gebracht hat und damit auch hohe Gewinne erzielt hat, die es im Übrigen wieder reinvestiert in Spitzenforschung. Was wir aber in dieser Lage so gar nicht gebrauchen können, sind Energiekonzerne, die nicht wegen außerordentlicher Innovation und Leistung, sondern aus dem Zufall dieser Krise heraus sich im wahrsten Sinne des Wortes die Taschen vollmachen auf Kosten der Allgemeinheit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was sich in diesem Marktgeschehen zum Teil vollzieht, lässt Anstand vermissen, ist unsolidarisch und bricht mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard.
Wir haben uns als Sozialdemokratie seit Monaten dafür starkgemacht, sektoral Krisengewinne von Energiekonzernen abzuschöpfen, um damit weitere strukturelle Entlastungen im Energiemarkt für die Bevölkerung zu finanzieren. Das ist eine Erkenntnis – wir haben es gehört –, die in Europa schon weit um sich gegriffen hat: in Italien, in Spanien, in Griechenland, ja sogar in dem von den konservativen Tories regierten Vereinigten Königreich. Ich finde, es macht keinen Sinn, sich jetzt an Länderbeispielen festzubeißen und zu sagen: Genau so würden wir es nicht haben wollen, und deswegen stellen wir uns dieser Debatte überhaupt nicht mehr. – Ich bin außerordentlich froh, dass wir die gemeinsame Linie in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hinbekommen haben,
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das hörte sich vorhin aber ganz anders an!)
Zufallsgewinne von Energieunternehmen abzuschöpfen, die vor dem Hintergrund des Merit-Order-Systems große Gewinne machen, weil sie kein teures Gas einkaufen und ihren Strom zu höheren Preisen verkaufen können. Wir wollen systemisch – was höchst notwendig ist – über die Strompreisbremse in den Strommarkt eingreifen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sehen uns durch die Pläne der Europäischen Kommission, von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – die Ihnen von der Union bestens bekannt ist – bestärkt, die im Rahmen des Notfallmechanismus an Krisengewinne im Strombereich und auch im fossilen Sektor, also Erdgas, Erdöl und Kohle, heranwill, sowie durch die gerade in vielen europäischen Staaten stattfindende Diskussion um die damit zusammenhängende Deckelung der Energiepreise. Dabei sieht die Kommission in ihrem offiziellen Statement allein im Strombereich für die Mitgliedstaaten die Chance auf Sondereinnahmen von bis zu 117 Milliarden Euro und im fossilen Sektor von bis zu 25 Milliarden Euro – Geld, das in den Haushalten dringend zur Krisenbewältigung gebraucht wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Das ist der wahre Grund!)
Wir sind jetzt in einer absolut entscheidenden Phase für unser Land. Jetzt müssen zügig systematisch saubere Konzepte abgestimmt werden, wie mit Krisengewinnen von Energieunternehmen und Marktinvestitionen des Staates strukturelle Entlastungen bei den Energiepreisen für die Bürgerinnen und Bürger und die Betriebe finanziert werden. Das ist nicht völlig trivial. Dennoch müssen wir diese Maßnahmen schnell in Gang bringen. Wir sind zuversichtlich, dass das in Europa und bei uns gelingen wird, und es muss gelingen.
„You’ll never walk alone“: Wir wollen und werden diese Krise solidarisch meistern. Niemand soll angesichts der deutlich gestiegenen Energiekosten in diesem Winter im Stich gelassen werden. Wir danken der Linken, dass wir über ihren Antrag die Gelegenheit bekommen, diese Punkte heute einmal auszuführen. Aber des Antrags hätte es aus Sicht der Ampelkoalition gar nicht bedurft; denn wir haben längst eine Strategie.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP])
Albrecht Glaser hat das Wort für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7545958 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Krisengewinne von Energiekonzernen |