Gitta ConnemannCDU/CSU - Pandemiebedingte Lernrückstände bei Kindern und Jugendlichen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „ Hat sie zugenommen?“, diese Frage stelle ich einer Bekannten jede Woche. Seit mehr als einem Jahr dreht sich nämlich in ihrer Familie alles um das Gewicht ihrer Tochter: 15 Jahre alt, magersüchtig, jede 100 Gramm zählen. Ausgelöst wurde der Teufelskreis durch eine Hänselei. Unter normalen Bedingungen hätte es ein Korrektiv gegeben: die Klasse. Aber in den letzten zwei Jahren gab es für Kinder und Jugendliche keine normalen Bedingungen, keine Normalität. Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie Großartiges geleistet. Und daher aus diesem Haus ein Dankeschön an Kinder und Jugendliche.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Sie steckten zurück, um andere zu schützen; aber sie zahlten dafür einen hohen Preis, auch den Preis der Freiheit. Lockdown, Maske, Abstand erzeugten permanent ein Gefühl von Isolation, damals notwendige, aber folgenreiche Maßnahmen – das zeigen uns die COPSY-Studie ebenso wie der Nationale Bildungsbericht –: psychische Auffälligkeiten oder Lernrückstände, und das im ganzen Land.
Coronaverlierer ist eine ganze Generation: kaum Unterricht, wenig Kontakt mit Gleichaltrigen, keine Klassenfahrt, kein Sport. Zukunftsängste, Lernrückstände, Vereinsamung waren ihre Begleiter. Deshalb muss es klar sein: Kinder und Jugendliche brauchen und verdienen unsere volle Aufmerksamkeit und Unterstützung –
(Beifall bei der CDU/CSU)
alle, nicht nur 10 Prozent; denn sie sollen alle ihre Persönlichkeit entfalten und Bildungsziele erreichen können.
Deshalb haben wir in der Großen Koalition 2021 das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ gestartet: ein 2‑Milliarden-Euro-Paket für Kinder und Jugendliche. Damit wurden Angebote geschaffen, die schnell angekommen sind: Sommercamps, Familienfreizeiten, Lernwerkstätten, individuelle Lernförderung, Sozialarbeit. Wir haben auch die Mittel für Sprach-Kitas und Frühe Hilfen um 150 Millionen Euro zusätzlich aufgestockt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Viele Bausteine für ein Ziel: Kinder und Jugendliche stark zu machen.
Zu diesem Ziel bekennen sich alle hier in diesem Haus, übrigens auch Sie, liebe Ampel. Aber die Frage lautet: Was tun Sie dafür? Die bittere Antwort lautet aktuell: Nichts! Nada! Niente!
Im Gegenteil: Sie streichen segensreiche Programme wie die Sprach-Kitas. Sie wollen das Corona-Aufholprogramm nicht fortführen – gestrichen, gekürzt, beendet.
Nicht missverstehen: Es ist das gute Recht jeder neuen Regierung, Programme auslaufen zu lassen. Aber dann müssen Sie Alternativen anbieten. Die Frage lautet: Was ist Ihre Alternative? Die Antwort lautet: keine. Sie sprechen von einem Startchancen-Programm. Aber im Etat 2023 ist dafür vorgesehen: 0 Cent! Wie für die Sprach-Kitas: 0 Cent! 0 Cent für Kinder und Jugendliche – und das in einer Zeit, in der alles teurer wird.
Wenn die Ampel nicht endlich handelt, werden Familien sich entscheiden müssen: Strom oder Urlaub? Daran kann die Erhöhung des Kindergeldes oder der Kinderzuschlag nichts ändern. Das fließt in den Lebensunterhalt. Es fehlt schon jetzt oft das Geld für Hobbys, Kultur und Extras. Das Corona-Aufholprogramm würde hier einiges abfedern. Aber Sie wollen es nicht – okay. Aber dann nennen Sie uns endlich Ihre Alternative.
Liebe Frau Ministerin, ein Schulstreik von Schülerinnen und Schülern ist es nicht. Ich habe mir gestern wirklich die Augen gerieben: Eine Bundesbildungsministerin empfiehlt Fridays for Education – Schulboykotts am Freitag. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Irre!)
Eltern möchten ihre Kinder in der Schule sehen, nicht auf der Straße.
Liebe Ampel, übernehmen Sie endlich Verantwortung! Schieben Sie es nicht auf die Länder! Legen Sie endlich ein eigenes Programm auf, das anschließt! 2023 darf nicht wieder ein verlorenes Jahr für Kinder und Jugendliche werden. Kürzen Sie nicht an der Basis der Bildung!
(Beifall bei der CDU/CSU – Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Und dann schieben Sie es wieder auf die Lehrer!)
Legen Sie deshalb bitte ein Anschlussprogramm auf, damit es nicht mehr Kindern geht wie dem Kind meiner Bekannten. Helfen Sie Kindern und Jugendlichen! Werden Sie tätig! Übernehmen Sie Verantwortung! Stimmen Sie unserem Antrag zu!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin Connemann. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Zschau, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546042 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Pandemiebedingte Lernrückstände bei Kindern und Jugendlichen |