23.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 28

Tino SorgeCDU/CSU - Finanzielle Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute einmal mehr darüber, wie wir das gesetzliche Versicherungssystem, die gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfest machen können.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich bin jedes Mal total irritiert, wenn Sie aus der Ampelkoalition, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der SPD, sich hierhinstellen und so tun, als hätten Sie die letzten Jahre überhaupt nicht mitregiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Ihr habt gar nicht regiert?)

Also, ich darf nur daran erinnern: Sie haben 23 Jahre dieses Land mitregiert – 23 Jahre! Wir haben in der letzten Legislatur gemeinsam und auch auf ausdrücklichen Wunsch von Herrn Bundesgesundheitsminister Lauterbach viele gute Dinge auf den Weg gebracht. Ich darf nur an die Verbesserungen in der Pflege erinnern. Ich darf an die Neupatientenregelung erinnern. Ich darf an die Verbesserungen bei der Zahngesundheit erinnern. Und das Erste, was Sie jetzt zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung vorschlagen, ist, diese guten Regelungen wieder zurückzudrehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da wundern Sie sich allen Ernstes, lieber Herr Bundesgesundheitsminister, dass unisono alle Akteure dieses Gesundheitssystems sagen: Das geht so nicht. – Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, der sich ja relativ selten so deutlich zu Wort meldet, hat gesagt – ich darf zitieren –: Bei diesem Gesetzentwurf handelt es sich um ein völlig sinnloses Sammelsurium. – Zitat Ende. Und ich darf auf Folgendes hinweisen: In meinem Bundesland Sachsen-Anhalt haben gestern 20 Akteure des gesamten Gesundheitssystems, von Ärzten, Krankenkassen bis hin zum Deutschen Gewerkschaftsbund, eine gemeinsame Resolution auf den Weg gebracht, in der sie sagen: In dieser Form geht das nicht. Das legt die Axt an die Wurzel unseres Gesundheitssystems. – Spätestens da, lieber Herr Kollege Lauterbach, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, sollten bei Ihnen die Alarmglocken ganz laut schrillen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Kollegin Klein-Schmeink, hören Sie endlich auf mit den Ausflüchten. Sie regieren seit fast einem Jahr. Hier kommen nur Konjunktive: Sie möchten, Sie werden, Sie sollten. – Wo ist denn die Unterstützung für die Kliniken? Wo ist denn die Soforthilfe? Wir haben als Unionsfraktion vor der Sommerpause einen Antrag vorgelegt, in dem wir gefordert haben, die Kliniken aufgrund der extrem gestiegenen Energiekosten zu unterstützen. Nichts passiert!

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Das machen die Länder!)

Sie treiben die Kliniken in die Insolvenz. Und wenn Sie jetzt nicht zeitnah nachlegen, passiert gar nichts.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Krankenhäuser sind Ländersache!)

Die Finanzreform und die Pflegereform sind auf 2023 verschoben. Lieber Kollege Lauterbach, Sie haben eine Krankenhaus-Kommission eingesetzt. Diese Kommission wird ein Langzeitprojekt – keine Ergebnisse. Insofern, handeln Sie endlich und kommen Sie aus dem Ankündigungsmodus heraus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Sorge, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der Kollegin Klein-Schmeink?

Selbstverständlich.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Aber sie war doch vorher schon nicht so gut!)

Herr Kollege Tino Sorge, Sie haben eine ganze Reihe von Problemen angesprochen, die wir alle von der Regierung der letzten Wahlperiode geerbt haben.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das haben wir schon gehört!)

Was haben Sie denn unternommen, um eine grundlegende Krankenhausstrukturreform auf den Weg zu bringen? Was haben Sie gemeinsam mit Ihrem Kollegen Herrn Minister Holetschek denn unternommen, um zum Beispiel die ländliche Versorgung zu stabilisieren und voranzubringen? Was haben Sie unternommen, um die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen zu stärken, sodass wir die Versorgung sicherstellen können?

Sie zählen viele Dinge auf. Sie haben an ganz vielen Punkten beispielsweise auch nicht gesagt, wie Sie das finanzieren wollen. Ich würde ganz gerne von Ihnen hören: Erstens. Warum hat es eine grundlegende Krankenhausreform im Zusammenspiel mit den Ländern bisher nicht gegeben?

Zweitens. Was tun Sie, um die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe wirklich voranzubringen? Was haben Sie getan?

Und drittens. Wie wollen Sie die in Rede stehende Lücke finanziell schließen? Sie klagen nur darüber. Aber wie wollen Sie das – ganz konkret – refinanzieren? Ich habe noch nichts Schriftliches von Ihnen gesehen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin, Klein-Schmeink. Das gibt mir die Möglichkeit, noch einmal detailliert auf die ganzen Gesetzesvorhaben, die wir in der letzten Legislatur auf den Weg gebracht haben, einzugehen. Sie waren offensichtlich häufig nicht da.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich war immer da! Zweitens gibt es die Krankenhausreform nicht! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren immer da!)

Erstens: das Pflegeberufereformgesetz. Wir haben die Ausbildung in der Pflege reformiert. Wir haben die Leistungen für Angehörige von Pflegebedürftigen reformiert. Wir haben im Rahmen eines großen gesellschaftlichen Konsens beschlossen, zusätzlich Geld ins System zu geben. Wir haben erstmals dafür gesorgt, dass beispielsweise Alzheimer-Erkrankte einen Anspruch auf Pflegeleistungen haben.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Strukturreform!)

Zweitens. Wir haben mit dem Krankenhauszukunftsfonds Milliarden auf den Weg gebracht, damit die Digitalisierung in den Krankenhäusern vorangetrieben wird. Wir haben drei große Digitalisierungsgesetze auf den Weg gebracht. Ich frage mich, wo Sie in der Zeit waren, wenn das alles an Ihnen vorbeigegangen ist, liebe Frau Kollegin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt hören Sie endlich auf, immer so zu tun, als hätten Sie nie politische Verantwortung getragen. Sie tun mittlerweile in jedem Bereich so, als hätten Sie nie im Bundestag gesessen. Sie müssen endlich auch pragmatische Lösungen vorlegen und dürfen nicht immer nur ankündigen und sagen: Sie werden, Sie wollen und Sie möchten. – Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn Sie Vorschläge erarbeiten, dann tun Sie doch wenigstens das, was Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Da stehen an der einen oder anderen Stelle durchaus gute Sachen. Das System würde um 10 Milliarden Euro entlastet werden – das wurde angesprochen –, wenn Sie die Beiträge für die ALG‑II-Bezieher in der richtigen Höhe abführen würden. Es gibt eine Menge guter Vorschläge.

Aber stattdessen drehen Sie die Neupatientenregelung zurück, und das, obwohl Patienten das erste Mal viel schneller Termine beim Facharzt bekommen haben. Die Ärzte beschweren sich jetzt und sagen, sie hätten Personal eingestellt, das sie wieder entlassen müssen. Hören Sie doch auf, diese Regelung zurückzudrehen, was eher marginale Summen einspart, sondern gehen Sie die strukturellen Probleme an, liebe Frau Kollegin Klein-Schmeink, liebe Ampelkoalition.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es rächt sich jetzt, dass sich der Bundesgesundheitsminister, der Bundesfinanzminister und der Bundesjustizminister nicht über den Weg trauen; Klaus Holetschek hat es angesprochen. Es kann doch nicht sein, dass der Bundesgesundheitsminister bei jedem strukturellen Vorhaben sagt: „Ich muss erst einmal Christian Lindner fragen“, der dann sagt: Ich habe das mit Karl Lauterbach ganz anders besprochen. – Das ist doch eine Bankrotterklärung für die Gesundheitspolitik in diesem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen ganz klar: Machen Sie nicht solchen Murks wie bei der Gasumlage. Denken Sie jetzt schnell an die Kliniken, sonst gehen viele Kliniken im Herbst in die Insolvenz. Das wird zu Versorgungsengpässen führen. Das haben die Patienten nicht verdient. Das haben die Leistungserbringer nicht verdient.

Noch ein Wort zum Schluss. Lieber Herr Kollege Lauterbach, wenn Sie schon mit vielen Worten den Akteuren im System danken, wenn Sie sagen: „Danke, liebe Ärzte, danke, Apotheker, danke, Pflegekräfte, dass wir mit euch so gut durch diese Pandemie gekommen sind; vielen Dank, innovative Pharmaindustrie“, dann ist es für diese Menschen ein Hohn, wenn Sie als erste Maßnahme ein Preismoratorium durchführen und sagen: Wir kürzen, es gibt weniger Geld, wir erhöhen den Apothekenabschlag. – Die Betroffenen empfinden das als Leistungskürzung. Hier zu sagen, es gebe keine Leistungskürzung, entspricht nicht der Wahrheit.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Janosch Dahmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546173
Wahlperiode 20
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