23.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 28

Georg KippelsCDU/CSU - Finanzielle Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner in dieser Debatte habe ich noch mal die gute Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf einen ganz speziellen Punkt zu lenken. Gesundheit ist ein hohes Gut, und Gesundheit ist ein teures Gut, im wahrsten Sinne des Wortes: Jeden Tag investieren wir 1 Milliarde Euro in unser Gesundheitssystem. Die finanziellen Herausforderungen sind jetzt ausführlich dargestellt worden, und ich wende mich einer Bemerkung von Minister Lauterbach zu, der davon gesprochen hat, dass wir innovationsbereit bleiben und keine Leistungskürzungen vornehmen wollen. Machen wir die Probe aufs Exempel anhand dieses Gesetzes, und wenden wir uns den seltenen Krankheiten zu, die dort mehr am Rande erwähnt werden, aber von prominenter Bedeutung sind.

Was sind seltene Krankheiten? 4 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer solchen Erkrankung, aber es sind insgesamt circa 8 000 verschiedene Krankheitsbilder. Derzeit gibt es 138 Medikamente in diesem Bereich, die man nach einer 20 Jahre alten EU‑Verordnung Orphan Drugs nennt. Eine spezielle Zulassungsmethode ist angewendet worden. Bei schweren und tödlich verlaufenden Erkrankungen und ohne entsprechende Vergleichstherapien werden diese Medikamente von der EMA, der Europäischen Arzneimittel-Agentur, zugelassen und können dann in die Therapie kommen.

Was ist das tatsächliche Verbreitungsbild? Nicht mehr als 5 von 10 000 Menschen dürfen von einer Krankheit betroffen sein, um diese als seltene Krankheit zu kategorisieren. Die Medikamente für seltene Krankheiten sind äußerst aufwendig und vor allen Dingen sehr teuer zu entwickeln, weil die Patientengruppen sehr klein sind und die Möglichkeiten für die Durchführung von Studien infolgedessen sehr erschwert sind.

Was sagt das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zu diesem Themenbereich? Es ist eine vielleicht zunächst mal belanglose Regelung, nämlich die Tatsache, dass die Umsatzschwelle, die für die Vergütung und Einordnung dieser Medikamente gilt, von jährlich 50 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro reduziert wird. Das klingt zunächst nach nicht besonders viel, hat aber für die Anwendung und vor allen Dingen die Forschung für diese Medikamente eine enorme Tragweite; denn überschreitet man die Umsatzschwelle, ist das Medikament nach der normalen Regelung der Zusatznutzenbewertung des AMNOG – Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – aus dem Jahre 2011 einer Zulassung zu unterziehen. Das ist ein sehr komplexes Verfahren und für diese Medikamente vor allem deshalb so problematisch, weil häufig zu diesem Zeitpunkt die notwendigen Studien der Phase III mit entsprechenden Daten nicht vorliegen und die ganz konkrete Besorgnis besteht, dass auf diese Art und Weise die Medikamente entweder vom Markt genommen werden oder aber erst gar nicht in die Anwendung kommen.

Zusätzlich gibt es dann noch Regelungen, die sich im Hinblick auf die Kombinationstherapien mit einem Zwangsabschlag beschäftigen. Die Vorgaben für den Zusatznutzen sind geregelt, und auch bei Verwürfen durch unwirtschaftliche Packungsgrößen gibt es Abschläge.

Insgesamt: Die gesamte Maßnahme führt dazu, dass eine wirklich gute Entwicklung in Deutschland zur Entwicklung der Orphan Drugs gestoppt wird und möglicherweise ein Rückfall in die Zeit vor Inkrafttreten des AMNOG erfolgt. Damit haben wir eine Leistungskürzung durch die Hintertür und damit auch eine Schädigung der Innovationsfähigkeit der deutschen Pharmaindustrie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie wichtig gerade erste kleine Schritte sind, haben wir bei BioNTech erlebt. Deshalb: Entweder ist diese Regelung für die seltenen Krankheiten schlicht und ergreifend ein Systemfehler im Gesetzentwurf – das wäre ein Skandal –, oder aber sie ist beabsichtigt; das wäre ein noch viel größerer Skandal. Deshalb, Herr Minister, nehmen Sie diese Regelung für die Orphan Drugs raus, und machen Sie Politik für Menschen mit seltenen Erkrankungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546180
Wahlperiode 20
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Finanzielle Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
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