Mario CzajaCDU/CSU - Energiepolitische Perspektive für Bürger und Unternehmen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Bundeswirtschaftsminister! Es ist, glaube ich, die vierte Debatte in dieser Woche, die wir zum Thema Energiekrise führen.
(Reinhard Houben [FDP]: Die fünfte!)
Unser Antrag ist auch der einzige konstruktive und intensive Antrag, der im Parlament in dieser Woche vorhanden ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Timon Gremmels [SPD]: Wenn Sie sonst keiner lobt, müssen Sie sich halt selber loben!)
Die Lage ist ausgesprochen kritisch. Viele prominente Fälle – –
(Reinhard Houben [FDP]: Also kritisieren Sie Ihre eigene Aktuelle Stunde? Das ist eine neue Erkenntnis, Herr Czaja! – Gegenruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU]: Da wurde kein Antrag vorgelegt!)
– Sie brauchen jetzt nicht dazwischenzurufen. Schauen Sie sich einfach die Fälle an, die wir derzeit im Land haben. Dann werden Sie sehen, dass die Lage dramatisch ist und Sie auf diese Lage nicht reagieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Toilettenpapierhersteller Hakle hat wegen hoher Energie- und Materialkosten Insolvenz angemeldet. Eine Metallgießerei mit drei Standorten und 160 Mitarbeitern in Brandenburg hat wegen der fast auf das Dreifache gestiegenen Stromkosten Insolvenz angemeldet. Eine Bäckerei in Ostfriesland, 99 Jahre alt – nächstes Jahr 100-jähriges Jubiläum –, steht wegen der so stark steigenden Energiekosten vor der Insolvenz. Jedes dritte Unternehmen im industriellen Mittelstand befindet sich angesichts der gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise in einer so kritischen Lage, dass die eigene Existenz infrage steht. Fast jedes zehnte Unternehmen in Deutschland hat bereits die Produktion gedrosselt oder ganz eingestellt. Viele Unternehmer haben Angst, dass ihr Unternehmen bald draufgeht, dass ihr Lebenswerk infrage gestellt wird, dass es keine Jobs mehr gibt, dass die Familien in Gefahr sind. Das ist eine dramatische Situation, und auf diese Situation reagiert diese Bundesregierung in keiner anständigen Art und Weise.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt werden wir höchstwahrscheinlich von Einzelnen wieder die Aussage „Ja, die Ursachen …“ und „16 Jahre“ bekommen, diesen Evergreen, den wir hier immer und immer wieder hören.
(Timon Gremmels [SPD]: Das ist ja eben nicht falsch! Evergreens werden gerne gehört! – Weiterer Zuruf: Das müsst ihr euch noch eine Weile anhören! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die SPD war ja auch dabei!)
Die Wahrheit ist eben nur: Die Ursache für die jetzigen Probleme sind die letzten 16 Wochen, nicht die letzten 16 Jahre.
(Beifall bei der CDU/CSU – Timon Gremmels [SPD]: Das hätten Sie gerne, dass wir alle ein Kurzzeitgedächtnis haben!)
Hätte die Bundesregierung ideologiefrei die Dinge angepackt, die wir anpacken wollten, nämlich das Angebot zu erhöhen, dann wären die Probleme heute nicht so groß, wie sie es sind. Hätte die Bundesregierung den Energiepreisdeckel gemacht,
(Timon Gremmels [SPD]: Hätte, hätte, Fahrradkette!)
den wir ihr schon vor 16 Wochen vorgeschlagen haben, wäre die Lage heute nicht so dramatisch.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)
Hätte man die wirklich Betroffenen entlastet und nicht mit der Gießkanne, um an allen Ecken und Enden Veränderungen herbeizuführen,
(Timon Gremmels [SPD]: Hätte Söder nicht gegen SuedLink opponiert!)
dann würden die Rentner auch jetzt zum 1. Oktober ihre 300 Euro Energiegeld bekommen. Das ist aber nicht der Fall. Unsere Vorschläge lagen auf dem Tisch.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])
– Es liegt doch auf der Hand, warum Sie jetzt so dazwischenrufen: weil aus Ihren eigenen Reihen immer wieder genau die gleichen Vorschläge kommen – nur nicht hier im Parlament:
„SPD-Arbeitnehmerflügel fordert Gaspreisdeckel“, „Staatlicher Gaspreisdeckel soll stattfinden“, solche Aussagen hört man auch aus weiten Teilen der SPD. Wir hören, dass Christian Lindner sagt, dass wir bei der Angebotsseite die Kernkraftwerke aufstocken müssen und dass wir bei den drei Kernkraftwerken bleiben müssen. Wir hören von Herrn Habeck, dass er sagt, bei der Biomasse sollten wir endlich was tun.
(Timon Gremmels [SPD]: Das steht im Gesetzentwurf, den wir heute Morgen eingebracht haben!)
Die niedersächsischen Bauern sagen, wenn sie ihre jetzt schon bestehenden Biogasanlagen vollständig ausnutzen dürften, könnten sie 5 Prozent des russischen Gases ersetzen. Sie können es aber nicht machen, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür von Ihnen derzeit nicht geschaffen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Timon Gremmels [SPD]: Nächste Woche wird das hier beschlossen!)
Es fällt wirklich schwer, aber unsererseits gilt weiterhin die ausgestreckte Hand. Wir reichen die Hand für eine konstruktive Zusammenarbeit und für die Lösung dieser Probleme. Unsere Vorschläge liegen seit Tagen und Wochen auf dem Tisch. Wir sagen klar: Wir müssen alles für eine sichere Energieversorgung mobilisieren. Wenn das Angebot knapp ist, steigt der Preis – einfache Regel, erstes Semester Betriebswirtschaftslehre, Herr Habeck. Deshalb müssen wir Kernkraftwerke weiterlaufen lassen, den Biogasdeckel wieder anheben. Auch eine entsprechende Änderung im Baugesetzbuch ist notwendig, um das mit dem Biogas hinzubekommen. Deswegen: Der erste Punkt bleibt das Angebot.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das zweite Thema ist weiterhin, die Bürger zu entlasten und für eine bezahlbare Grundversorgung zu sorgen. Dafür haben wir den Preisdeckel vorgeschlagen, und zwar auf einem Niveau von 75 Prozent, um Anreize zu setzen, Energie zu sparen, und gleichzeitig Sicherheit für alle Einkommensgruppen zu gewährleisten.
Das Dritte ist, die Unternehmen anständig zu unterstützen. Das tun Sie nicht. Stand 7. September 2022 haben 586 Unternehmen 3 208 Anträge gestellt, um aus Ihrem Fonds Mittel zu bekommen. Davon sind 24 – 24! – positiv beschieden worden.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist lächerlich, echt!)
Das ist lächerlich und keine Unterstützung, so wie der Mittelstand sie braucht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Habeck, Sie haben ja am Beginn dieser Woche ein Fußballbild bemüht, um die Debatte zu beschreiben. Ich bin manchmal im Stadion, und wenn ich da so auf die Mannschaft runterschaue, dann sehe ich, dass die Fans relativ leidensfähig sind. Die murren nicht immer. Aber wenn sie merken, dass die Mannschaft da unten nur gegeneinander agiert und nicht gemeinsam aufs Tor geht und nicht die wesentlichen Dinge im Auge hat – und das ist das, was wir derzeit bei der Bundesregierung erleben –, dann müssen Sie sich nicht wundern, dass es dafür keinen Applaus mehr gibt, sondern dass es dafür erhebliche Kritik gibt. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass wir ein solches Chaos und ein solches Gegeneinander in dieser Regierung erleben.
Wir haben den Gegenvorschlag auf den Tisch gelegt. Folgen Sie diesem!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Timon Gremmels.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
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Electoral Period | 20 |
Session | 55 |
Agenda Item | Energiepolitische Perspektive für Bürger und Unternehmen |