23.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 55 / Zusatzpunkt 7

Sebastian RoloffSPD - Energiepolitische Perspektive für Bürger und Unternehmen

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kuban, ich gratuliere zu einer tollen Rede für Youtube. Es wäre schön gewesen, wenn es ein bisschen seriöser und mehr faktenorientiert gegangen wäre, aber das Video können Sie gut teilen. Da freue ich mich für Sie.

(Zuruf von der AfD: Das hat doch gar nicht mit Youtube zu tun! Das ist Quatsch!)

Ich würde gerne zu Ihrem Antrag zurückkommen. Ich bin nämlich immer ganz begeistert, wenn die Union hier einen Antrag vorlegt, weil ich immer ganz gespannt bin, ob man ihn in Bausch und Bogen verwerfen muss oder ob man auch Ansätze einer konstruktiven Oppositionsarbeit findet. Letzteres ist selten. Aber es gibt in diesem Antrag richtige Punkte und richtige Ansätze. Ich werde gleich darauf eingehen. Ob die immer realistisch gegenfinanziert sind und ob Sie das jetzt einfach nur fordern, obwohl wir es schon auf den Weg gebracht haben, ist noch mal die nächste Frage. Aber einiges aus diesem Antrag ist durchaus zu gebrauchen.

Wir haben ja schon bei einigen Grundsätzen Probleme. Wenn Sie sich hierhinstellen und sagen: „Es geht um Schnelligkeit und Zielgenauigkeit, und wir brauchen jetzt sofort wirksame Maßnahmen“, dann klingt das super. Das kann man so sagen. Aber in der Praxis ist natürlich die Frage: Wie macht man es? Wenn man zum Beispiel bei der Energiepreispauschale gesagt hätte: „Wir klammern Einkommen ab einer gewissen Höhe aus“, hätten wir viele, viele Monate gebraucht – man hätte auch Einkommensteuererklärungen usw. betrachten müssen –, um das umzusetzen. Es klingt super, das zielgenau zu machen, aber dann wäre das Geld in 18 Monaten gekommen und nicht jetzt, und dementsprechend muss man sich manchmal entscheiden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Bundesregierung und die Koalition handeln. Beispielsweise sind zu nennen das Kurzarbeitergeld – das haben wir heute schon mehrfach gehört; das werde ich in jeder Rede hier sagen, weil es eines der Meisterstücke der alten und der jetzigen Regierung ist –, das Energiekostendämpfungsprogramm und auch Maßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen; wir kommen im Detail noch darauf zu sprechen. Hier ist übrigens ganz besonders wichtig, dass wir die Soloselbstständigen nicht vergessen. Diese vergessen wir nicht, aber in der Ausgestaltung der Programme und in den konkreten Antragsangelegenheiten muss das entsprechend abgedeckt sein.

Ein Thema, das uns alle besonders umtreibt, zumindest unsere Seite des Hauses, ist die Frage von Strom- und Gassperren. Es ist gut und richtig, dass die Regierung vereinbart hat, dass diese zu vermeiden sind. Wir erwarten – das darf ich ganz ausdrücklich sagen – hier von der Bundesregierung eine entsprechend schnelle Umsetzung; denn Menschen, denen im wahrsten Sinne des Wortes der Saft abgedreht wird, sind die Allerärmsten. Da brauchen wir sehr schnell Fortschritte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie ich schon gesagt habe, sind einige Punkte in Ihrem Antrag nicht verkehrt. Ich persönlich war nie Fan der Gaspreisumlage. Ich glaube, dass wir eine sozial gerechte Ausgestaltung brauchen

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha!)

und dass wir insbesondere seit der Verstaatlichung von Uniper eine andere Ausgangslage haben. Ich bin froh, dass Robert Habeck auf eine schnelle juristische Prüfung gedrängt hat und diese angestoßen hat. Ich gehe von schnellen Ergebnissen und Reaktionen aus. Ebenso gehe ich davon aus, dass die Kommission zum Thema Gaspreis ihrer Verantwortung gerecht wird und schnell zu konkreten Lösungen kommen wird, die wir schnell umsetzen können. Das muss noch dringend in diesem Jahr sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin begeistert – das meine ich gar nicht schnippisch –, dass Sie einen Gaspreisdeckel für den Grundbedarf fordern. Das habe ich schon im Juni hier gesagt. Da wurde von Ihnen herzlich gelacht und das als nette Forderung des DGB kommentiert. Ende Juli ist Herr Spahn dann darauf aufgesprungen. Ich freue mich, dass Sie das mittlerweile fordern. Ob Sie das umsetzen würden, wenn Sie selber regieren würden, darf man vielleicht hinterfragen. Ich glaube aber, dass das richtig ist und dass wir auf dem Weg zu einem Konsens sind.

Leider – und das ist das Aber – bleiben Sie Ideen zur Gegenfinanzierung schuldig, und dieses Muster setzt sich fort. Sie fordern, die Netzentgelte für 2023 auszusetzen, die Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz zu senken etc. Das kann man alles machen, aber wie soll das gehen ohne Steuererhöhungen und ohne neue Schulden? Alleine der Verzicht auf die Gasumlage – das haben wir in den letzten Tagen schon mehrfach gehört – würde 34 Milliarden Euro kosten. Das Geld muss irgendwo herkommen.

Wenn man Ihren Fraktionsvorsitzenden – er ist nicht mehr da – heute auf N24 gesehen hat, dann hat man gemerkt, dass es ihm überhaupt nicht um Lösungen geht. Da stellt sich Herr Merz hin und sagt, die Schuldenbremse sei Gesetz, die müssten wir einhalten, und im Übrigen seien die Länder beim Entlastungspaket überrannt worden. Das heißt, einerseits hören wir seit einer Stunde von Ihnen, dass das, was wir machen, alles zu wenig sei, andererseits suggerieren Sie, das sei doch irgendwie zu viel, das könnten wir uns nicht leisten. Hören Sie auf, zu zündeln! Hören Sie auf, hier so moralisch zu agieren; denn das ist wirklich nicht glaubwürdig, wenn man sich die Details anschaut.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir müssen die wirtschaftspolitische Situation größer denken. Wir haben einen Angebotsschock. Auch das habe ich im Juni hier gesagt. Da wurde damals noch groß auf Ihrer Seite gejohlt. Das haben wir verstanden. Er hat jetzt zu einem Nachfrageschock geführt. Der GfK-Konsumklimaindex zeigt eine Senkung der Nachfrage, und damit ist klar, dass sich die Situation gravierend verschärfen wird. Wir brauchen daher Anreize für die Konjunktur. Ich bin froh, dass es erste Maßnahmen zur Schaffung von Nachfrage gibt.

Ebenso ist jetzt unsere Hauptaufgabe, den Kollaps des Energiesystems zu verhindern. Es ist wichtig, dass wir die Energieversorgung sicherstellen und bei Bedarf auch kraftvoll zupacken. Uniper ist hierfür das beste Beispiel. Klar ist, dass das nur eine Übergangslösung sein kann. Im Juni hatten wir eine Diskussion zu den bayerischen Wasserkraftwerken, die die CSU 2003 verscherbelt hat, weil man Geld für den Haushalt gebraucht hat. Eine wirklich visionäre Energiepolitik hätte anders ausgesehen. Die Situation jetzt eröffnet auch Chancen, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommunale Daseinsvorsorge ist bei der Frage der Energiesicherheit niemals zu vernachlässigen, im Gegenteil, ich glaube, sie kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Die Stadtwerke München – das darf ich als Abgeordneter aus München sagen – sind hier ein leuchtendes Beispiel, wie man es hinbekommt, als kommunale Hand sich über viele Jahre visionär am Klimaschutz, an Klimaneutralität zu orientieren. Wir sollten bei Zukunftsfragen des Energiemarktes mehr über Kommunalisierung und Stärkung der Daseinsvorsorge nachdenken.

Dass wir den Antrag trotz einiger guter Punkte nicht mittragen können, wird Sie nicht wahnsinnig überraschen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Roloff. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Andreas Lenz, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546195
Wahlperiode 20
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Energiepolitische Perspektive für Bürger und Unternehmen
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