Helge LindhSPD - Aktuelle Stunde - Lehren aus dem ARD-Skandal
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn jemand wie die Made im Speck lebt, dann die AfD im Speck der Demokratie. Das ist die Zusammenfassung ihrer Existenz.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Angesichts dieser ernsthaften Krise sind aus unserer Sicht aber zwei Dinge notwendig, nämlich Flucht nach vorne und auch Flucht – und das schonungslos – in die Wahrheit. Das Instrument dafür ist Demokratisierung, und dessen Werkzeuge sind harte, konsequente und einheitliche Standards von Compliance, Governance, Integrität und Transparenz: Was passiert mit Whistleblower-Mechanismen? Sind sie wirklich unabhängig? Wie funktioniert die Aufsicht? Was ist mit Gehaltsstrukturen? Was für Verträge werden vergeben? Wie sieht es mit Verträgen für Produktionsgesellschaften aus? Was für Berater sind eingebunden? – Und vieles weitere: Sind Gremien wirklich in der Lage, ermächtigt zu werden? Sind sie juristisch gut beraten und unabhängig? – All das sind zentrale Fragen einer solchen Demokratisierung.
Demokratisierung betrifft aus unserer Sicht aber auch die Situation der Mitarbeitenden. Sie sind nämlich doppelt verraten, einerseits durch Stimmungsmache gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und andererseits gerade durch die Führung ihrer Häuser.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb stehen wir an der Seite der Mitarbeitenden und ist die Antwort unter anderem Mitbestimmung für die Festen, aber auch für die Freien und für die festen Freien sowie auch ihre Beteiligung an dem Struktur- und Reformprozess.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN und der Abg. Ria Schröder [FDP])
Demokratisierung ist aber noch mehr. Demokratisierung ist auch entschiedener Mut zum Dialog mit der Bevölkerung,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: … mit den politisch Andersdenkenden!)
gerade jetzt in der Krise, gerade in diesem Moment. „ Dialog mit der Bevölkerung“ heißt übrigens nicht, den Anweisungen von Herrn Merz zu folgen. Und Herr Merz ist auch nicht, auch wenn er es manchmal denkt, die Bevölkerung.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Da komme ich zu einem wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang, aus meiner Sicht einem unerhörten Punkt: Auf dem Bundesparteitag der CDU hat Herr Merz in eindeutig hämischem, latent drohendem, sehr spitzem Ton geredet von der stolzen Zahl von 58 Redakteurinnen und Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, mit denen man sich besonders liebevoll beschäftigen würde. Ich finde es gegenüber einer Berichterstattung absolut inakzeptabel, übergriffig und unanständig, so zu reden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Gerold Otten [AfD])
Diese perfide Strategie wirkt aber; denn zwei Intendanten fühlten sich nahezu gezwungen, im Nachhinein Rechtfertigungen zu äußern. Ich fand diese Rechtfertigungen nicht nötig und, ehrlich gesagt, falsch; aber der Druck war zu groß.
Es geht aber noch weiter. Das große Thema, das Herr Merz als Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender entdeckt hat, ist auch die Unausgewogenheit. Er benutzt dafür eine in rechtspopulistischen Kreisen sehr beliebte Nicht-Studie, derzufolge angeblich 90 Prozent der Volontärinnen und Volontäre grün-, links- oder SPD-orientiert wären.
(Zuruf von der AfD: Das ist eine Tatsache!)
Jetzt haben wir erstens folgendes Problem damit: Was sagt uns das? Es ist überhaupt keine wissenschaftliche Aussage. Zum Zweiten: Wollen wir eine Gewissensprüfung machen? Fangen wir jetzt an, bei Lehrerinnen und Lehrern oder bei den Mitarbeitenden des BMI nach der Parteiorientierung zu fragen?
(Zuruf von der AfD: Verfassungsschutz!)
Drittens: Bestimmen die Volontärinnen und Volontäre über das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Und viertens – das ist eine ganz interessante Frage –: Diese Volontärinnen und Volontäre kommen aus der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren. In dieser Altersgruppe haben die traditionellen Volksparteien ziemlich schlechte Ergebnisse, und die CDU hat mit 10 Prozent besonders schlechte Ergebnisse. Es ist doch nicht das Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wenn zu wenige Leute die CDU wählen, sondern es ist ihr Problem und das Problem von Herrn Merz.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Wie viel hat die SPD denn?)
Kommen wir zum dritten Thema in dieser Debatte, das angesprochen werden muss: geschlechtergerechte Sprache, Gendern. In einer Talkshow sprach Herr Merz vom Rat der deutschen Sprache, und regelmäßig spricht er davon, dass man sich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die allgemein anerkannten Regeln der deutschen Sprache zu halten habe. Erstens. Einen Rat der deutschen Sprache gibt es nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Beratende!)
Zweitens. Rechtschreibung ist nicht Sprache, und – man kann Humboldt lesen und auch Ludwig Wittgenstein – Sprache ist dynamisch, Sprache ist im Wandel. Sie wird weder von einem Rat noch von uns noch von einer Partei noch von Herrn Merz verordnet.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Gerold Otten [AfD]: Noch von ARD und ZDF!)
Drittens heißt es bei Herrn Merz ja – ich zitiere –: „die deutsche Sprache, die „Sprache von Goethe und Schiller, Kant und Hegel“.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Die deutsche Sprache heute ist aber auch die Sprache von Sevgi Özdamar und Feridun Zaimoglu, ist die Sprache von Donatella Di Cesare und Navid Kermani.
(Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Deshalb frage ich mich, Herr Merz, auch in Ihrer Abwesenheit, ernsthaft: In welchem Museum leben Sie?
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ria Schröder [FDP])
In keiner Region, weder städtisch noch ländlich, gibt es diese Gesellschaft, in der Sie leben. Deshalb: Erklären Sie mir bitte an anderer Stelle, wo der Zusammenhang besteht –
Herr Kollege.
– zwischen Korruption und Fragen der fehlenden Compliance im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Lösung durch die Genderfrage!
(Michael Frieser [CDU/CSU]: Zurück zum Thema!)
Herr Kollege.
Wenn Sie mir die Studie zeigen: Vielen Dank!
Herr Kollege.
Ansonsten: Unterlassen Sie diese Erpressungsversuche! Stehen wir gemeinsam, gerade in dieser Situation, –
Herr Kollege, hallo!
– zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Niklas Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Die Präsidentin hat Sie angesprochen! – Thomas Hacker [FDP]: Deine Redezeit ist schon vorbei! – Konstantin Kuhle [FDP]: Das war’s!)
Der Kollege Maximilian Mörseburg hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Lehren aus dem ARD-Skandal |