28.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 56 / Zusatzpunkt 2

Ralf StegnerSPD - Entschließungsantrag zur Regierungserklärung vom 22. Juni 2022

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage ist sehr ernst. Der Kriegsverbrecher Putin eskaliert seinen illegalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Er veranstaltet gefakte Volksabstimmungen in besetzten Gebieten. Er schickt weitere Tausende junge Russen in den Tod. Er wirft Bomben auf die zivile Infrastruktur und Wohngebäude. Er lässt seine Schergen foltern, plündern, vergewaltigen. Und wer weiß, wer hinter diesen gefährlichen Sabotageakten gegen die europäische Energieinfrastruktur steckt.

In dieser Lage ist nichts so wichtig wie gute Vorbereitung, ein kühler Kopf, Entschlossenheit, aber auch Besonnenheit. Es ist auch richtig, dass wir hier im Parlament und in öffentlicher Debatte immer wieder diskutieren, wie und in welchem Umfang wir der Ukraine am besten helfen können, damit Putin mit seinem imperialistischen Angriffskrieg nicht durchkommt. Gleichzeitig tragen wir aber auch Verantwortung dafür, dass der Krieg sich nicht weiter ausdehnt, dass wir Putin ernst nehmen, ohne in Angststarre zu verfallen oder seiner Propaganda auf den Leim zu gehen, dass wir auf alles vorbereitet sind, aber auch alles dafür tun, dass es keinen Krieg gibt zwischen der NATO und der Atommacht Russland, dass wir solidarisch mit der Ukraine sind und zugleich die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen – die Angst vor einem versehentlichen Angriff auf das Atomkraftwerk, einem neuen Weltkrieg oder gar dem Einsatz von Atomwaffen. Auch die Existenzängste von einer kalten Wohnung, den schier unbezahlbaren Energie- und Lebenshaltungskosten sind nicht grundlos. Sie bergen sozialen Sprengstoff und verlangen von uns zügig praxistaugliche und gerechte Antworten.

Manche mögen all diese Sorgen beiseitewischen und sagen: Der nächste Panzer noch, dann kommt es zum Frieden. – Ich glaube, die Militärlogik alleine löst das Problem nicht. Ich muss Ihnen als überzeugter Anhänger von Abrüstung und Friedenspolitik auch sagen: Ich habe wie meine gesamte Fraktion dem Antrag zur Lieferung auch schweren militärischen Geräts zugestimmt. Die Behauptung in Ihrem Entschließungsantrag, dass wir hier Beschlossenes nicht umgesetzt hätten, ist schlicht falsch und wird durch Wiederholung nicht besser, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Marcus Faber [FDP])

„Führungsrolle“ heißt, dass wir uns an humanitärer und finanzieller Hilfe beteiligen, mit gutem Beispiel vorangehen, dass wir militärisch das leisten, was wir gemeinsam leisten wollen. Aber wir wollen keine Alleingänge machen. Nicht nur der Bundeskanzler, auch die Bevölkerung will das nicht. Lesen Sie einmal die „New York Times“; in Washington werden die gleichen Diskussionen geführt. Ich habe noch nie gehört, dass Biden verdächtigt wird, Putin-Freund zu sein, weil er es ähnlich formuliert wie der Bundeskanzler, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Armin Grau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In dieser Zeit gewaltiger Herausforderungen darf man sich auch als Abgeordneter einer Regierungsfraktion eine kritische, aber konstruktive Opposition, eine staatstragende Opposition wünschen. Was haben wir? Einen frisch gewählten Oppositionsführer, der über angeblichen Sozialtourismus ukrainischer Flüchtlinge herzieht. Sieht so Ihre Unterstützung für die Ukraine aus, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ja, Herr Merz, Sie haben sich nach öffentlicher Empörung halbherzig entschuldigt; Fachleute nennen so etwas „nonpology“. Aber das Hauptproblem ist nicht der Begriff „Sozialtourismus“, sondern Ihre Haltung, die dahintersteckt, Ihre diffamierenden Äußerungen gegenüber den vielen Ukrainern, die vor Tod und Zerstörung flüchten, die ihre Angehörigen besuchen und die jede Unterstützung verdienen und nicht den Zynismus Ihrer Worte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Marcus Faber [FDP])

Schlimmer noch: Ein paar Tage vor der wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen haben Ihre Berater offenbar die Ansicht vertreten, dass Ihnen ein Stück Fremdenfeindlichkeit noch ein paar Prozentpunkte am rechten Rand bringen könnte.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach Gott, ist das billig!)

Parallel wirbt der stellvertretende CSU-Vorsitzende für ein rechts-faschistisches Bündnis in Italien.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Das Gegenteil ist richtig!)

Sie haben keine Brandmauer nach rechts, Sie haben eine Zeltplane; da geht es links und rechts wieder raus, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist ein Problem in der Situation, die wir haben; um das einmal klar und deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!)

Da gilt das, was Helmut Schmidt einmal über Franz Josef Strauß gesagt hat:

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wenn der Sie hören würde! Der würde sich im Grab umdrehen!)

Wenn man sich selbst nicht beherrschen kann, soll man keine Verantwortung für dieses Land übernehmen. – Herr Oppositionsführer, das will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Wer so redet, vergiftet die Atmosphäre und macht keine staatstragende Opposition.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das sagt der Richtige! – Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie tragen doch die ganze Zeit Putin-Narrative vor!)

Aber zum Glück heißt der Bundeskanzler Olaf Scholz. Er steuert besonnen und mit ruhiger Hand das Regierungsschiff in schwerer Wetterlage.

Die Koalition besteht aus drei verschiedenen Parteien. Ja, wir haben unterschiedliche Auffassungen. Aber wir arbeiten zusammen bei dem, was wir tun. Und wir können bei allem, was wir tun, gar nicht so schlecht werden, dass wir schlechter werden als Sie – ganz ehrlich.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie müssen es ja nötig haben! Meine Güte!)

Wir werden uns auf die Dinge einigen, die wir tun wollen, und die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir abwägend handeln, dass wir entschlossen handeln, dass wir im Bündnis handeln. Die Menschen können sich auf uns verlassen. Bei Ihnen, bei dem, was Sie tun, sind sie verlassen. Ihr Antrag ist überflüssig, und wir lehnen ihn ab.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erhält Dr. Malte Kaufmann für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546355
Wahlperiode 20
Sitzung 56
Tagesordnungspunkt Entschließungsantrag zur Regierungserklärung vom 22. Juni 2022
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