28.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 56 / Tagesordnungspunkt 5

Paul LehriederCDU/CSU - Kostenheranziehung in der Kinder- und Jugendhilfe

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für die überwiegende Mehrheit der hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen ist die Jugendzeit schon mehrere Jahre oder zum Teil sogar Jahrzehnte her.

(Zurufe der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Was?)

– Frau Fester, bei Ihnen natürlich nicht, bei mir schon ein bisschen mehr. – Aber vielleicht können Sie sich trotzdem heute noch an die Anschaffung erinnern, die Sie von Ihrem ersten eigenen Geld getätigt haben, an etwas, auf das Sie lange gespart haben. Vielleicht denken Sie jetzt an Ihren ersten Ferienjob zurück, mit Stolz an den vom hart erarbeiteten Geld bezahlten Führerschein oder die langersehnte Stereoanlage. Denn, wofür das erste selbstverdiente Geld ausgegeben wurde, daran erinnert man sich im Leben meist sehr lange.

Warum erwähne ich das? Wenn wir über den Gesetzentwurf zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe debattieren, wird manchmal der Eindruck erweckt, dass die Kinder und Jugendlichen, die im Rahmen der Jugendhilfe in einer betreuten Wohngemeinschaft, im Betreuten Einzelwohnen, in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in vergleichbaren Einrichtungen untergebracht sind, um einen Großteil ihres Geldes gebracht werden, weil ihnen der Staat finanziell einiges abverlangt.

Richtig ist: Die Kinder und Jugendlichen werden mit der sogenannten Kostenheranziehung an den Kosten ihrer Hilfe beteiligt. Dies ist in den §§ 91 bis 94 SGB VIII geregelt. Das Jugendamt schickt einen Kostenbescheid, in dem der festgesetzte Betrag steht. Bis zum Inkrafttreten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes betrug der Kostenheranziehungssatz immerhin 75 Prozent des Einkommens des jungen Menschen. Am 10. Juni 2021 – das ist noch gar nicht so lange her – ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz in Kraft getreten. Seit diesem Stichtag gelten für die Kostenheranziehung junger Menschen in der Jugendhilfe neue Regelungen. Die Kostenheranziehung liegt maximal bei 25 Prozent aus dem aktuellen Monatseinkommen. Statt des durchschnittlichen Monatseinkommens des Vorjahres ist nun das Einkommen des Monats, in dem die Leistung oder die Maßnahme erbracht wird, maßgeblich. Bei jungen Volljährigen, die nach § 41 SGB VIII – Hilfe für junge Volljährige – untergebracht sind, findet keine Heranziehung des Vermögens statt. Nicht herangezogen werden zudem Einkommen aus Praktika, Schülerjobs bis maximal 150 Euro pro Monat, Einkommen aus Ferienjobs und ehrenamtlichen Tätigkeiten, zum Beispiel Jugend- oder Bundesfreiwilligendienste, und die Summe von 150 Euro als Teil einer Ausbildungsvergütung. Schon jetzt ist es so, dass das Jugendamt im Einzelfall von der Heranziehung komplett absehen kann. Diese Ausnahmen, die es jetzt schon gibt, bleiben in der Diskussion um die Kostenheranziehung leider oft unerwähnt.

Auf Seite 78 des Koalitionsvertrages steht: „Heim- und Pflegekinder sollen eigene Einkünfte komplett behalten können.“ Diese Forderung wird in den Stellungnahmen der Jugend- und Fachverbände ausnahmslos als wichtiger und notwendiger Schritt zur Teilhabeförderung von jungen Menschen begrüßt. Jedoch sind im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung der Kostenheranziehung bei der geplanten Entlastung nicht alle jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe berücksichtigt. Diese Kritikpunkte werden in der Anhörung sicherlich noch ausführlich thematisiert werden.

Wir wissen, dass junge Menschen, die außerhalb ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sind. Die sogenannten Careleaver, junge Menschen, die im Heim oder in Pflegefamilien aufgewachsen sind und sich im Übergang in ein eigenständiges Leben befinden, brauchen unsere Unterstützung und Motivation, um für einen erfolgreichen Weg in ein eigenständiges, selbstbestimmtes und finanziell selbstständiges Leben auf Dauer Verantwortung übernehmen zu können. Dabei wollen wir sie gern bestmöglich unterstützen. Dennoch müssen wir prüfen, ob eine vollständige Abschaffung der Kostenbeteiligung auch aus pädagogischen Gesichtspunkten der richtige Weg ist.

(Anke Hennig [SPD]: Das ist doch unglaublich! – Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für ein Verständnis von Pädagogik haben Sie denn?)

Ich freue mich auf die geplante Anhörung und die weitere konstruktive Diskussion. Und jetzt freue ich mich auf den Redebeitrag unserer Ausschussvorsitzenden, Frau Bahr.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen schönen guten Abend von meiner Seite, auch an die Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen.

Ich leite zur nächsten Rednerin über. Das ist die Kollegin Ulrike Bahr, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7546367
Wahlperiode 20
Sitzung 56
Tagesordnungspunkt Kostenheranziehung in der Kinder- und Jugendhilfe
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