Sarah Ryglewski - Vereinbarte Debatte zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der amerikanische Professor Jeffrey Sachs hat nachhaltige Entwicklung als Man-to-the-Moon-Projekt beschrieben.
Der Mondflug unserer Generation
– so Professor Sachs; ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –
ist die nachhaltige Entwicklung auf der Erde. …
Um … Erfolg zu haben, bedarf es eines nicht weniger mutigen Engagements als beim Mondflug.
Aus dem Weltall wirkt unsere Erde wie ein großes Raumschiff. So hat es der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer in diesem Jahr bei seiner Rede beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos beschrieben. Er war dabei von der Internationalen Raumstation zugeschaltet; das ändert die Perspektive. Und er hat hinzugefügt: Die Crew, die Menschheit sollte zusammenarbeiten, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Dieses gemeinsame Anpacken ist heute wichtiger denn je, gerade auch vor dem Hintergrund des brutalen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine. Natürlich hat dieser Krieg – es wäre illusorisch, zu denken, dass es anders wäre – Auswirkungen auf die Frage, wie wir unsere SDG-Ziele erreichen können. Aber er macht auch noch mal sehr deutlich, dass eigentlich kein Weg daran vorbeiführt, diese Ziele zu verfolgen. Wir merken gerade, wie die Abhängigkeit von fossiler Energie uns in zweierlei Hinsicht nachhaltig beeinflusst: Wir werden uns zum einen der Endlichkeit bewusst, zum anderen müssen wir uns, wenn es um Kompensation geht, im Zweifelsfall immer wieder von Staaten abhängig machen, die unsere Werte nicht teilen.
Die SDGs geben uns auch in der Langfristperspektive eine Möglichkeit, aus diesem Dilemma herauszukommen; denn mit den 17 Sustainable Development Goals der Agenda 2030 haben sich alle Staaten zur gemeinsamen Verantwortung bekannt, für gute Lebensperspektiven heutiger und künftiger Generationen zu sorgen. Internationale Zusammenarbeit ist der Schlüssel zur Lösung unserer globalen Probleme.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schon seit 2002 hat Deutschland eine Nachhaltigkeitsstrategie; sie ist der Rahmen für die Umsetzung der Agenda 2030 in Deutschland und wurde zuletzt 2021 überarbeitet. Die Strategie enthält 75 konkrete Ziele sowie die sechs Nachhaltigkeitsprinzipien, über die wir heute sprechen. Die Ziele, aber auch die Prinzipien zeigen: Nachhaltigkeit ist für alle Politikbereiche von großer Bedeutung.
Das erste Nachhaltigkeitsprinzip fordert, nachhaltige Entwicklung als Leitprinzip in allen Bereichen und bei allen Entscheidungen anzuwenden. Bundesministerin Svenja Schulze und die Parlamentarische Staatssekretärin Hoffmann haben das ja auch sehr eindrücklich für ihre Politikbereiche dargestellt.
Aber wir dürfen uns nichts vormachen: Wir müssen bei diesem Thema richtig auf die Tube drücken. Wir haben nur noch sehr, sehr wenig Zeit, um die SDGs zu erreichen. Wir müssen hier eine Schippe drauflegen. Daher hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Wir wollen die 17 SDGs als Richtschnur unserer Politik umsetzen. Hierfür werden wir die Nachhaltigkeitsstrategie konsequent weiterentwickeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundeskabinett hat mich am 24. August mit der Zuständigkeit für nachhaltige Entwicklung betraut. Zusammen mit allen Bundesministerien arbeite ich im Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung. Wir wollen, dass Nachhaltigkeit tatsächlich zur Richtschnur der Politik der Bundesregierung wird. Dafür ist aus meiner Sicht zweierlei wichtig:
Erstens. Alle Ministerien müssen im Ausschuss aktiv mitwirken und müssen ihn als ein Instrument nutzen, um ihre Politik an Nachhaltigkeit auszurichten. Das ist bis jetzt der Fall. Wir hatten eine erste sehr gute Sitzung, in der alle wirklich sehr committet waren; Helmut Kleebank nickt gerade, er war mit dabei. Denn das gehört dazu: Wir möchten Austausch haben, nicht nur in diesem Ausschuss, sondern zwischen Regierung und Parlament. Wir wollen Austausch nicht nur innerhalb der Regierung, sondern wir wollen aktiv auf Sie als Parlament zugehen. Deswegen richte ich gerne auch die Einladung an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ich komme auch gerne zu Ihnen, um über das Thema zu diskutieren, weil wir eben aus der Blase herauskommen müssen.
Wir wollen zweitens diesen Ausschuss auch als Strategieforum nehmen. Denn Nachhaltigkeit ist – das hat die Debatte hier gezeigt – ein gutes Thema, ein wichtiges Thema. Ich finde auch, es ist ein schönes Thema. Aber es darf kein Wohlfühlthema werden; auch das hat die Debatte gezeigt. Wir erleben doch am Ende, wenn es konkret wird, wenn es um die Frage geht, wie wir Politik genau ausrichten, dass wir Differenzen haben. Aber diese Differenzen müssen wir aushalten, diese müssen wir ausdiskutieren. Nur so schaffen wir wirklich Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich möchte insbesondere die sechs Transformationsbereiche hervorheben, die wir zum Schwerpunkt der Arbeit im Ausschuss in den kommenden Monaten machen wollen. Natürlich gehört dazu der Bereich „Klima und Energie“; das hat ja auch hier die Debatte geprägt. Es gilt aber auch für die Kreislaufwirtschaft, eine schadstofffreie Umwelt, nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme, Bauen und Verkehr und natürlich immer wieder, wenn es um das Wohl der Menschen geht, die soziale Gerechtigkeit. Nach meiner Überzeugung ist die Transformation Deutschlands zu einer nachhaltigen Gesellschaft die beste Antwort auf die weltweite Klima-, Energie- und Rohstoffkrise, die wir derzeit erleben; und damit ist sie wichtiger denn je.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber Transformation – wir reden immer so viel darüber – muss auch konkret stattfinden. Hier müssen wir an einem Strang ziehen. Deshalb freue ich mich sehr, dass ich am Montag in Vertretung für den erkrankten Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, das vom Nachhaltigkeitsrat koordinierte Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit starten durfte. Das Gemeinschaftswerk soll bundesweit eine Plattform sein für alle Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeit, von den lokalen Nachhaltigkeitsinitiativen über Sportvereine, den Mittelstand, Kommunen bis hin zu DAX-Konzernen, die sich für eine nachhaltige Gesellschaft einsetzen. Auch hier geht es wieder darum: Wir müssen konkret werden. Wir müssen in der Politik sicherstellen, dass die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, damit Nachhaltigkeit auch gelebt werden kann, damit sie umgesetzt werden kann. Aber wir müssen auch eine Plattform schaffen, damit sie am Ende konkret stattfinden kann.
Nachhaltigkeit ist – ich habe das vorhin gesagt – ein gutes Thema. Es zeigt sich auch, dass dieses Thema von vielen Akteuren mitgetragen wird. Das sehen wir gerade jetzt in der Europäischen Nachhaltigkeitswoche. In diesem Jahr gab es wieder mehr als 6 000 Aktivitäten in 25 europäischen Ländern, alleine in Deutschland 3 800. Ich möchte ganz deutlich sagen: Ganz herzlichen Dank an alle, die mitgemacht haben!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle auch an den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung für seine wichtige Arbeit in den vergangenen Jahren. Nach allem, was ich gehört habe, möchte er sich auch neu aufstellen, etwa in der Frage, wie bei Gesetzgebungsvorhaben dafür gesorgt wird, dass das Prinzip Nachhaltigkeit umgesetzt wird. Ich freue mich da sehr auf den Dialog, den Diskurs und vielleicht auch auf einige Reibereien, wenn wir mal gesagt bekommen, hier sei etwas noch nicht umgesetzt worden. Aber genau darum muss es hier gehen: Wir müssen genauer hinschauen, wir müssen nachhalten und im Zweifelsfall dann auch nachbessern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss und möchte noch einmal bekräftigen: Die Bundesregierung wird sich weiter für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen, ganz im Sinne des Koalitionsvertrags als Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Deswegen: Achten wir über Parteigrenzen hinweg darauf, dass wir mit unserem Wirken nicht nur den Bedürfnissen der heutigen Generation gerecht werden, sondern dass wir immer auch die Bedürfnisse der künftigen Generationen im Blick haben.
Einen Satz möchte ich dann doch noch sagen, weil wir ja darüber gesprochen haben, dass es vielleicht auch einmal Differenzen gibt. Ich glaube, es gibt Schulden, die man vererben kann, es gibt aber auch Hypotheken, die man vererben kann, weil man an bestimmten Stellen nichts getan hat bzw. zu wenig investiert hat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: für CDU/CSU-Fraktion Ralph Brinkhaus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7546404 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 57 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie |